Behandlungsfehler in Deutschland Patienten sind keine Waren, Ärzte keine Händler

Meinung | Berlin · Im Medizinbetrieb werden Patienten regelmäßig Opfer von folgenschweren Fehlern. Und jeder ist einer zuviel. Die Gründe dafür sind vielfältig - von Personalengpässen, bis hin zu massivem Zeitdruck. Es ist Zeit für ein Umdenken!

 Arzt bei einer Operation (Symbolbild).

Arzt bei einer Operation (Symbolbild).

Foto: dpa, lix cul mjh wst

Falsche Hüftprothesen, unnötige Knieoperationen oder zu spät erkannte Darmverletzungen — für Patienten kann das schlimme Folgen haben, bis hin sogar zum Tod. Offiziell liegt die Zahl der Behandlungsfehler allerdings im Promillebereich. Bei jährlich über einer Milliarde Kontakten zwischen Patienten und niedergelassenen Ärzten sowie fast 20 Millionen Krankenhausaufenthalten sind die geschätzten 40.000 Behandlungsfehler nicht viel.

Die inoffizielle Dunkelziffer ist freilich viel höher. Behandlungsfehler lassen sich nur schwer nachweisen, viele Patienten melden sich deshalb nicht. Denn bei ihnen liegt die Beweislast. Um vor Gericht gegen einen Arzt gewinnen zu können, muss der Kläger juristisch wasserfeste Beweise haben - das ist in den allermeisten Fällen nicht möglich. Oft liegt auch ein uneinheitliches, gemischtes Bild vor: So kann eine an sich richtige Behandlung zu unvorhersehbaren Nebenwirkungen führen, oder Diagnose und Indikation waren im Wesentlichen richtig, aber in einem Detail dann doch falsch.

Um Patienten, die unter Behandlungsfehlern leiden oder diese vermuten, den Gerichtsweg zu ersparen, haben die Ärztekammern schon vor 40 Jahren eine Schlichtungsstelle eingerichtet. Hier können sich Patienten, die Behandlungsfehler vermuten, und betroffene Ärzte außergerichtlich einigen. In 85 Prozent der Fälle komme es dabei zu einer "Befriedung", also zu einer weitgehenden Einigung. Die in Deutschland einzigartigen Schlichtungsstellen sind eine gute Sache.

Wichtigster Grund für Behandlungsfehler ist die mangelnde Zeit. Niedergelassene Ärzte und Kliniken stehen unter zunehmendem Zeitdruck — entweder aus Personalmangel oder wegen eines zu rigiden Kostenmanagements oder schlicht wegen eines übersteigerten Gewinninteresses. Das Streben nach Gewinnmaximierung ist aber schädlich im Gesundheitswesen. Patienten und Ärzte brauchen Ruhe und Zeit, um miteinander ins Gespräch kommen zu können und gemeinsam eine Lösung des gesundheitlichen Problems zu finden.

Diese Zeit fehlt in vielen Arztpraxen und Kliniken — auch wegen steigender Patientenzahlen in einer alternden und noch dazu wachsenden Gesellschaft. Umso dringlicher ist es, die Zahl der Ärzte dort zu steigern, wo Patienten die vollsten Wartezimmer vorfinden und Ärzte unter den größten Personalengpässen leiden — in den ländlichen Räumen, auch in dicht besiedelten, aber strukturschwächeren Regionen. Patienten dürfen nicht zu Waren werden.

(mar)
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