Schamthema: Giggle-Inkontinenz bei Kindern Wenn's beim Lachen in die Hose geht

Düsseldorf · "Sich vor Lachen in die Hose" machen, das ist für manche Kinder kein flotter Spruch, sondern belastende Wirklichkeit. Beim Lachen geht ihnen Urin ab. Als Giggle-Inkontinenz bezeichnet man darum auch das Problem.

5 Fragen zur Inkontinenz
Infos

5 Fragen zur Inkontinenz

Infos
Foto: dpa, Martin Gerten

Viele unterschätzen die Zahl einnässender Kinder und halten das "in die Hose machen" für eine vorübergehende Erscheinung beim Trocken werden. Weit gefehlt: Zwischen zehn und 15 Prozent der Kinder zwischen fünf und zwölf Jahren machen ungewollt ins Bett oder in die Hose, so die Zahlen der Deutschen Kontinenz Gesellschaft. Doch auch wenn es so viele betrifft, ist das Thema ein Tabuthema. Das bleibt es bis ins Erwachsenen- und Seniorenalter.

Das steckt dahinter

Es ist die Blasenmuskulatur, die macht, was sie will. Schon bei geringer Füllmenge zieht sich der Blasenmuskel zusammen. So kommt es denn auch, dass betroffene Kinder keinen Harndrang verspüren und trotzdem plötzlich Urin abgeht. Mädchen sind davon häufiger betroffen als Jungen. Meist sind sie zwischen acht und zwölf Jahre alt, wenn das Erkrankungsbild auftritt. Nach der Pubertät löst sich das Problem oft von selbst wieder. Warum und wie genau, können selbst Experten nicht erklären. Wissenschaftler gehen davon aus, dass die Steuerung der Blasenkontrolle nicht bei allen Kindern gleich weit ausgereift ist.

Urologen raten dazu, mit dem Problem in jedem Fall einen Facharzt aufzusuchen, denn sie können in der schwierigen Situation helfen. "Der Gang zum Urologen ist aber dennoch unverzichtbar — selbst wenn er betroffenen Mädchen schwer fällt", sagt Dr. Reinhold Schaefer, Urologe und Geschäftsführer des Ärztenetzwerks Uro-GmbH Nordrhein. Denn die Folgen für die psychische Gesundheit der Kinder wiegen schwer: Neben eigenen Schamgefühlen verbunden mit einem geringen Selbstwertgefühl, verstärken Altersgenossen das Leid oft durch massive Hänseleien.

Die Giggle-Inkontinenz wird als Sonderform der Dranginkontinenz eingeordnet. Bei Männern jeden Alters ist das die häufigste Form der Inkontinenz. Menschen, die darunter leiden, kennen den ungewollten Abgang von Urin. Die Blase ist überaktiv. Oft können Betroffene auf der Toilette nur eine geringe Menge Wasser lassen. Im Unterschied zur Giggle-Inkontinenz verspüren sie bei einer Dranginkontinenz jedoch häufigen Harndrang und suchen dadurch bedingt oft das Stille Örtchen auf. Schnell finden sie sich in einem Teufelskreis wieder, denn wer oft zur Toilette geht, der trainiert seine Blase darauf, nicht mehr viel Wasser zu halten. Dadurch verspüren sie kurz darauf erneut einen Harndrang.

So wird den Kindern geholfen

Auch, wenn sich die Giggle-Inkontinenz meist herauswächst, ist es allein aufgrund des psychischen Drucks wichtig, die Kinder mit dem peinlichen Problem nicht alleine zu lassen. Was hilft, ist laut der Urologen gezieltes Beckenbodentraining, wie Frauen es auch nach Schwangerschaften machen. Der Beckenboden ist ein Muskel, der die Beckenhöhle nach unten hin verschließt. Ist er schlapp und lässt nach, senken sich alle Organe nach unten und üben zusätzlichen Druck auf den Beckenboden aus. Ein gut trainierter Beckenboden hilft, die Harnblase zu verschließen und wirkt sich auch auf die Schließmuskeln des Anus aus. Junge Mädchen haben oft noch gar kein Bewusstsein für ihre Beckenbodenmuskulatur und lernen, diese gezielt anzuspannen. Lindert diese Maßnahme Beschwerden nicht ausreichend, helfen ergänzend meist Medikamente wie Antichokinergika gegen diese Form der Drang-Inkontinenz.

Bei Erwachsenen, die unter Harninkontinenz leiden, können auch Botoxinjektionen zum Einsatz kommen. Das hilft, den Blasendruck zu senken und auf diese Weise die Kapazität der Blase wieder zu erhöhen.

(wat)
Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort