Therapie gegen schlimme Träume Im Albtraum selbst Regie führen

Düsseldorf · Etwa fünf Prozent der Bevölkerung leiden regelmäßig unter Albträumen. In nächtlichen Horrortrips fühlen sich die Betroffenen existenziellen Bedrohungen immer wieder schutzlos ausgeliefert. Doch in speziellen Therapien können sie lernen, ihre Träume zu mildern und zu gestalten.

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Foto: Shutterstock/Air Images

Als Marie alleine im dichten Laubwald spazieren geht, fühlt sie sich plötzlich verfolgt. Sie dreht sich um und sieht eine große schwarze Kreatur auf sich zu rennen. Die junge Frau flüchtet sich ins Gestrüpp, den knurrenden Verfolger im Nacken. Der fängt sie schließlich in einer Sackgasse. "Bei dieser Szene wache ich immer auf. Das ist dann ein totaler Schock", sagt die Studentin.

Schon als Kind plagte sie dieser Albtraum regelmäßig. Maries Angst ist real, auch wenn der Traum nur eine Illusion ist: "Beim Aufwachen bin ich nervös und habe richtig Herzklopfen, oft weine ich auch." Studien belegen, dass etwa fünf Prozent der Bevölkerung unter chronischen Albträumen leiden.

"Typisch für Albträume ist, dass sie mit starken negativen Gefühlen einher gehen", sagt die Diplom-Psychologin Johanna Thünker von der Uni Düsseldorf. Meist sind es Ängste, aber auch Ekel, Wut oder Scham. "Diese Emotionen werden im Verlauf des Alptraums immer stärker, so dass man in der Regel dadurch aufwacht."

Weil Betroffene Albträume sehr intensiv erleben, können sie sich oft genau an die Inhalte erinnern. "Möglicherweise wollen Albträume die Probleme des Träumers deutlich darstellen, damit er sich in der Realität dann auch um Lösungen für diese Probleme kümmert", sagt Michael Schredl vom Zentralinstitut für Seelische Gesundheit in Mannheim.

In der Regel handeln Alpträume von existenziellen Gefahren. "Man selbst oder eine nahestehende Person wird mit dem Tod bedroht, man wird verfolgt, verlassen, oder der eigene Selbstwert wird angegriffen, etwa weil man kläglich versagt", erklärt Thünker. Nicht selten kommen auch bizarre Szenarien vor, in denen Betroffene beispielsweise im freien Fall in einen endlos tiefen Abgrund stürzen.

"Albträume an sich sind nichts Schlimmes", sagt Schredl. Treten sie allerdings gehäuft auf, können sie gesundheitsschädlich werden. "Wenn man mindestens einmal die Woche in einem Zeitraum von etwa sechs Monaten Alpträume hat, ist das ein Anhaltspunkt für eine mögliche Albtraumstörung. Dann ist Handeln angesagt." Entscheidend ist der persönliche Leidensdruck.

"Obwohl sie müde sind, zögern einige Betroffene das Einschlafen hinaus, weil sie Angst vor ihren Albträumen haben", ergänzt Brigitte Holzinger, Leiterin des Instituts für Bewusstseins- und Traumforschung in Wien. Ein verminderter Schlaf drückt aber wiederum auf die eigene Stimmung, die Konzentrations- und die Leistungsfähigkeit und kann langfristig zu Herzkreislauferkrankungen führen. "Das ist ein Teufelskreis."

Albträume entstehen vor allem in der zweiten Nachthälfte, den sogenannten REM-Phasen. Diese können bis 45 Minuten dauern und sind durch schnelle Augenbewegungen gekennzeichnet. "Häufig treten Alpträume bei Menschen auf, die etwas Traumatisierendes erlebt haben oder die sich in einer belastenden und stressigen Lebenssituation befinden", erläutert Holzinger.

Wissenschaftler vermuten, dass vor allem sensible und kreative Menschen gefährdet sind. Auch Kinder im Alter von vier bis zwölf Jahren haben häufiger Albträume als andere Vergleichsgruppen. "Vermutlich liegt es daran, dass sie eine aufregende Entwicklungsphase durchmachen, in der sie ständig etwas Neues lernen."

Oft treten Albträume in Zusammenhang mit psychischen Erkrankungen wie Angststörungen und Depressionen auf. Dennoch bilden sie ein eigenständiges Krankheitsbild, das auch von den Krankenkassen anerkannt ist. Eine häufig angewandte Behandlungsmethode ist die Vorstellungs-Wiederholungs-Therapie, auch Imagery-Rehearsal-Therapy (IRT) genannt. "Der Betroffene übernimmt die Rolle des Regisseurs und erfindet ein neues Ende, das weniger beängstigend ist", sagt Thünker.

Im ersten Schritt schreibt der Patient seinen Albtraum auf und arbeitet gemeinsam mit einem Therapeuten diejenigen Elemente heraus, die bei ihm Angst auslösen. Diese ersetzt er durch weniger emotionale Alternativen. Wichtig ist, dass die neue Traumversion zur alten passt. "Zum Beispiel wird aus einem dunklen Parkhaus ein gut beleuchtetes, und der vermeintliche Verfolger schlägt doch noch einen anderen Weg ein", erklärt Thünker.

Der Patient schreibt die neue Traumfassung auf und stellt sie sich zwei Wochen lang mehrmals am Tag vor, damit sich die neue Denkweise auf den Albtraum überträgt. "Die IRT-Methode hat bisher die höchste Erfolgsrate", sagt Schredl. Zwar passiert es selten, dass Patienten die neue Traumversion tatsächlich im Detail träumen und sich daran erinnern können. "Aber der ursprüngliche Albtraum tritt nur noch in abgeschwächter Form und nicht mehr so häufig auf", sagt Thünker.

(dpa)
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