Blutrausch im Hirn Woher kommt der Kopfschmerz beim Eisessen?

Boston · Ein großer Löffel Schokoeis ist pure Erfrischung an heißen Sommertagen. Doch kaum ist er im Mund verschwunden durchzuckt ein stechender Schmerz das Hirn des Eisgenießers. Gehirnfrost oder den Brain-Freeze-Effekt nennen Forscher dieses Phänomen. Was steckt dahinter?

 Das schmeckt, kann aber auch sehr schmerzhaft sein: Wer hastig Eiskaltes zu sich nimmt, der riskiert den Brain-Freeze-Effekt.

Das schmeckt, kann aber auch sehr schmerzhaft sein: Wer hastig Eiskaltes zu sich nimmt, der riskiert den Brain-Freeze-Effekt.

Foto: Shutterstock/Cherry-Merry

In den Eisdielen herrscht Hochkonjunktur und auch die eisgekühlte Limonade aus dem heimischen Kühlschrank verspricht bei schweißtreibenden Temperaturen zischende Erfrischung. Nicht immer aber ohne Nebenwirkungen. Viele kennen den stechenden Schmerz, der schon wenige Sekunden nach dem Genuss das Hirn durchfährt und wenige Sekunden lang, in Einzelfällen aber auch bis zu fünf Minuten anhält. Einer Studie zufolge ist jeder dritte Erfrischungssuchende davon betroffen. Seit Jahren versuchen Wissenschaftler darum das Phänomen, das als Kältekopfschmerz, Brain-Freeze-Effekt oder Eiskopfschmerz bekannt ist, zu erklären.

Krampf im Kopf durch Temperaturunterschied

Zunächst nahmen sie an, der plötzliche Kältereiz am Gaumen führe dazu, dass sich Kopfmuskeln und Gefäße verkrampfen und den unangenehmen Schmerz auslösen. Denn immerhin hat die tiefgekühlte Schleckerei beim Verzehr eine Temperatur von rund minus vier Grad Celsius. Im Mund erwärmt sich das Eis schlagartig auf etwa 18 Grad, bis es den Magen mit einer Temperatur von 37 Grad passiert. Das führte die Forscher zu der Annahme, dass die Überwindung dieser immensen Temperaturunterschiede die Beschwerden auslöse.

Noch vor wenigen Jahren waren die Experten der Annahme, die Aufnahme einer Speise mit so niedriger Temperatur sorge für eine schlechtere Durchblutung der Gehirnnerven. Dies wiederum löse den Schmerz aus. Das Gegenteil allerdings scheint der Fall zu sein. Denn eine Untersuchung der Harvard Medical School aus Boston zeigt, dass wahrscheinlich eine plötzlich zu heftige Hirndurchblutung den Schmerz im Kopf auslöst.

Migräne-Patienten eher betroffen

Ihren Beobachtungen nach leiden vor allem Migräne-Patienten eher an dem lähmenden Zustand. Die Neurologen nahmen das als Hinweis darauf, dass es zwischen den verschiedenen Arten von Kopfschmerzen und Brain-Freeze eine Verbindung geben könnte. Um dem Phänomen näher zu kommen, ließen sie in einem Versuch 13 Testpersonen Eiswasser durch einen Strohhalm trinken. Dabei achteten sie darauf, dass die Probanden den Strohhalm fest an den Gaumen pressten, um auf diese Weise möglichst schnell den in diesem Fall gewünschten Kältekopfschmerz auszulösen.

Per Handzeichen zeigten die Probanden an, wann der Kopf anfing zu schmerzen und wann der Schmerz nachließ. In diesem Zeitraum beobachteten die Wissenschaftler den Blutfluss der entsprechenden Personen im Hirn. Ergebnis: Immer wenn der stechende Schmerz einsetzte, rauschte besonders viel Blut durch die vordere Hirnschlagader — genau da, wo wir auch den Schockschmerz spüren können. Der Körper flutet also, wenn der Kältereiz zu groß wird, das Hirn mit warmem Blut. Die Forscher nehmen an, dass sich dahinter ein Schutzmechanismus verbirgt, der uns davor bewahrt, das dieses lebenswichtige Organ zu kalt wird.

Wann der Schmerz nachlässt

Das unangenehme Gefühl im Kopf lässt erst dann wieder nach, wenn der Druck in den Blutgefäßen nachlässt, sich die Gefäße wieder verengen und sich der Durchfluss des Bluts normalisiert. Damit sehen scheint belegt, dass es eine Verbindung zwischen dem Gehirnfrost und einer Veränderung der Hirndurchblutung gibt.

Kritischen Stimmen reicht diese Studie als eindeutiger Beweis allerdings nicht aus. So findet Wissenschaftler Joel Saper beispielweise, die Untersuchung beweise nicht zweifelsfrei den Zusammenhang zwischen Schmerzempfindung und starker Durchblutung. Er führt an, der Blutrausch im Hirn können auch als Folge der Schmerzen gesehen werden, statt als Auslöser.

So vermeiden Sie den Brain-Freeze-Effekt

Wie dem auch sei: Um dem kurz anhaltenden Powerschmerz beim Schlecken von Eis und dem Hinuntergurgeln eiskalter Erfrischungen zu entgehen, sollten vor allem schmerzempfindliche Menschen aufpassen. So warnt die Techniker Krankenkasse sogar davor, dass das Verschlingen der kalten Köstlichkeit Migräneanfälle auslösen könne.

Je kälter Speisen und Getränke sind, desto heftiger kann der Kältekopfschmerz sein, der in der Regel aber nur kurz anhält und auch keiner Behandlung bedarf. Damit es ein Genuss ohne Reue ist, sollte man das cremig-kalte Vergnügen langsam im Mund erwärmen und erst dann herunterschlucken. Auf diese Weise wird der Temperaturunterschied zwischen Eis und Gaumen reduziert und der Reiz vermieden, der den "Eiskugelkopfschmerz" auslösen kann. Wer das vergisst und den plötzlichen Schmerzschlag spürt, kann die Dauer mindern, indem er schnell die Zunge an den Gaumen presst und so dafür sorgt, dass er möglichst schnell auch wieder wärmer wird.

(wat)
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