Fakten, die Sie kennen sollten Neue Erkenntnisse für Herzpatienten

Düsseldorf · Für Herzkranke gibt es immer bessere Behandlungsmöglichkeiten. Wichtig ist das Zusammenspiel mit Nieren und Hirn.

Herzinfarkt – Das sind die Anzeichen beim Mann
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Herzinfarkt – Das sind die Anzeichen beim Mann

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Foto: dpa, Britta Pedersen

Das Herz wird nicht müde, uns immerfort zu beschäftigen, uns Glück und Leid zu bereiten oder uns einfach weiterleben zu lassen. Wenn das Herz aber müde oder leistungsschwach wird, ist das für den Körper extrem folgenreich — bis hin zum Tod durch einen Infarkt. Aber auch ein in Teilen überaktives Herz, dessen Areale flimmern, bereitet dem Arzt Kummer, wobei der flimmernde Vorhof auf Dauer gefährlich ist, die flimmernde Hauptkammer aber unbehandelt zum plötzlichen Herztod führt.

Stents — selbstauflöslich Da spendet es Beruhigung, dass die Forschung rund ums Herz, wie angesehene Professoren unserer Region dieser Tage wieder bestätigen, mit unversieglicher Energie weitergeht. Wichtige Therapiemodelle verkündet sogar der Volksmund — was ein Stent ist, das wissen die meisten Senioren. Diese Gefäßstütze, die Kardiologen nach Infarkten zur Weitung eines verengten Herzkranzgefäßes einbauen, wird seit Jahrzehnten kontinuierlich weiterentwickelt; auch der komplett resorbierbare Stent, der sich auf Dauer auflöst, ist schon unterwegs, wie der Neusser Chefarzt Michael Haude (Lukas-Krankenhaus) berichtet. Langzeitdaten muss man mit besonderer Neugier studieren.

Herz und Diabetes Andererseits scheint Pipeline nicht gleich Pipeline und nicht jeder Patient für alle Verfahren geeignet. So zeigte eine im "New England Journal of Medicine" publizierte Studie, dass Diabetes-Patienten nach einer Bypass-OP länger leben als solche mit Stent; nach fünf Jahren traten Todesfälle und Herzinfarkte deutlich seltener nach einer Bypass-Operation auf.

Der Mönchengladbacher Chefarzt Jürgen vom Dahl (Krankenhaus St. Franziskus) ordnet das Ergebnis so ein: "Beim sogenannten akuten Koronarsyndrom unterscheidet sich die Akutversorgung eines Diabetikers nicht von der anderer Infarkt-Patienten — er wird natürlich auf eine spezielle Brustschmerzstation mit angegliedertem Herzkatheterlabor gebracht. Es macht keinen Sinn, ihn direkt zu einer Klinik mit Herzchirurgie zu fahren. Der Aspekt der raschen Versorgung mit eventueller invasiver Diagnostik und Intervention ist unverändert entscheidend. Wenn der Kardiologe im Herzkatheterlabor eine hochgradig problematische und komplexe Gefäßsituation vorfindet, die nicht akut lebensbedrohlich ist, sollte die Bypass-Operation als sinnvolle und manchmal bessere Alternative gerade bei Diabetikern in Erwägung gezogen und der Befund mit einem Herzchirurgen diskutiert werden."

Enge im Herzen Leidet ein Patient am Gefühl der berüchtigten Herzenge, der Angina pectoris, so muss sich der Kardiologe genau überlegen, wie er sie medikamentös mindert; dafür gebe es aber ein ganzes Bündel von Optionen, wie Stefan Perings (niedergelassener Kardiologe in Düsseldorf) jetzt auf der dortigen Herztagung in der Messe schilderte. Tienush Rassaf (Kardiologe der Universitätsklinik Düsseldorf) erklärte, wie bei chronischer Brustenge, bei der keine Tabletten und keine Stents helfen, innovative Verfahren Einzug in die moderne Kardiologie finden: So kann die moderne Kunst der Neurostimulation mit einem Schmerzschrittmacher, den Neurochirurgen um Rassafs Kollegen Jan Vesper implantieren, einen Patienten schnell und dauerhaft schmerzfrei machen.

Filigrane Eingriffe Die Herzchirurgen sind nicht müde — sie können immer häufiger die Durchtrennung des Brustbeins vermeiden und filigrane minimalinvasive Verfahren wählen. Ein Gewinn ist es, dass manche Kliniken bei einer Bypass-OP gar nicht mehr die Aorta berühren müssen — ist sie nämlich verkalkt, droht so mancher kleine Fremdkörper ins Gehirn abzuwandern; das kann — auch bei Eingriffen an der Halsschlagader — fatale Folgen haben. Darauf wiesen bei der Herztagung sowohl Herzchirurgen (Artur Lichtenberg) als auch Neurologen (Rüdiger Seitz, beide Uni Düsseldorf) hin. Aber auch die hauseigenen Kardiologen sind bei kleinen Lösungen groß: So berichtet Jan Balzer von sehr guten Erfahrungen mit Mitralklappen (MitraClip-System), die über die Leistenarterie eingebaut werden.

Herz und Hirn Neurologe Seitz überschrieb seinen Vortrag mit dem listig-weisen Titel: "Nur wer sein Herz am rechten Fleck hat, kann auch richtig denken." Er wies auf viele Fälle hin, da eine Minderung des Kreislaufs sich in Defiziten der Hirnfunktion äußert. So wird die "vaskuläre Demenz" von jenen Durchblutungsstörungen im Gehirn hervorgerufen, die oft auch andere Körperbereiche des Patienten befallen, etwa die Herzkranzgefäße. Sind Blutgefäße, die das Gehirn versorgen, verengt oder verschlossen, werden die Gehirnzellen nicht mehr ausreichend mit Sauerstoff versorgt und können absterben. Das führt dann zu Schwächen des Denkens.

Herz und Anämie Auf den bisweilen unterschätzten Zusammenhang zwischen Herzfunktion und Anämie (Blutarmut) wies der Düsseldorfer Uni-Kardiologie-Chef Malte Kelm hin. Eine Blutarmut, die sich in einem schlechten Hämoglobin-Wert im Blutbild äußert, könne nämlich den Sympathikus-Nerv stimulieren, der wiederum die Herzfrequenz ansteigen lasse. Kelm bekräftigte die alte Lehrbuch-Weisheit: Je tiefer das Hämoglobin, desto höher die Sterblichkeit.

Bei dieser Gelegenheit wies er auch auf die besonders vertrackte Ursache mancher Anämie hin: Patienten wird in Praxis oder Klinik zu viel Blut abgezapft. 95 Prozent des Lebenssaftes werden im Labor weggekippt, die Patienten brauchen zum Teil aber lange, um wieder neues Blut in derselben Menge zu bilden. Ärzte sollten, so Kelm, immer genau überlegen, ob sie jedes Labor und jedes Röhrchen wirklich brauchten. Zudem wies Kelm auf die mitunter fatale Dimension des Eisenmangels hin — und darauf, dass für den Fall einer Bluttransfusion frische Blutkonserven auch fürs Herz besser seien als ältere.

Mehrere Herzleiden auf einmal Christoph Bode, Chef-Kardiologe der Universitätsklinik Freiburg, wies in seinem Vortrag bei der Herztagung auf moderne Methoden der Gerinnungssteuerung hin — und natürlich auf aktuelle Medikamente der Gerinnungshemmung, die beim Vorhofflimmern möglicherweise das alteingeführte, aber nicht krisensichere Marcumar ersetzen können. Die neuen Wirkstoffe Dabigatran, Rivaroxaban und Apixaban seien sehr überzeugend, trotzdem wisse man noch längst nicht alles über sie — und sie könne auch nicht jeder Patient nehmen.

Bei manchem seien sie andererseits Lebensretter. Noch unklar ist es, wie Patienten behandelt werden, die an Vorhofflimmern und zeitgleich an der koronaren Herzkrankheit leiden. Wie hier die Möglichkeiten der Blutverdünnung und Thrombosenvermeidung zu kombinieren sind, das ist derzeit noch experimentell.

Herz und Niere L. Christian Rump (Nephrologe der Uniklinik Düsseldorf) betonte die Zusammenhänge von Herz- und Nierenfunktion, und zuweilen gebe es verwickelte Wechselwirkungen — auch die, dass eine schlechte Nierenleistung aufs Herz durchschlägt. Dringlich wies Rump auf eine Nierenschädigung hin, die gelegentlich jene Röntgendurchleuchtungen hervorrufen, welche die tückische Wirkung von Kontrastmittel auf die Nieren nicht bedenken. Da mag das CT noch so hilfreich sein: Wenn der Patient nicht vorbewässert wurde und danach die Nieren leiden, wurde der Teufel mit dem Beelzebub ausgetrieben.

(RP/anch)
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