Grippewelle in Deutschland Von der Erkältung zur Superinfektion

Düsseldorf · Nicht nur die Zahl der Grippekranken steigt, viele leiden unter Erkältungen, die durch Bakterien verschlimmert werden. Unser Gastautor Winfried Randerath, Professor für Lungenheilkunde, zeigt an einem exemplarischen Fall, wie sich ein grippaler Infekt entwickelt.

Grippe oder Erkältung - das ist der Unterschied
Infos

Grippe oder Erkältung - das ist der Unterschied

Infos
Foto: dpa, Arno Burgi

Wie beginnt die normale Erkältung?

Sie beginnt meist so, wie sie mir Sebastian S. (36) aus Radevormwald schilderte. Er schrieb mir: "In den letzten Jahren hatte ich fast immer eine längere Erkältung im Winter. Silvester fing das auch wieder an zunächst mit Fieber, Schmerzen am ganzen Körper, Husten und Naselaufen. Ich fühlte mich ganz kaputt und zerschlagen. Mit Hausmitteln wurde es nach drei bis vier Tagen besser."

Kann sich die Krankheit entwickeln?

Sie muss es nicht, kann es aber. Auch das schildert Sebastian S. in sehr typischer Weise: "Nach zehn Tagen bekam ich wieder Fieber, grünen Auswurf und starken Husten, der gar nicht besser werden wollte. Zuerst hat mein Hausarzt mir kein Antibiotikum verschrieben. Er sagte, sie würden nichts nützen und die Bakterien resistent machen. Beim zweiten Fieber hat er dann doch ein Antibiotikum verordnet, und es ging mir bald besser."

Lassen sich derartige Erkältungen vermeiden?

Leider hat Sebastian S. wie viele Menschen derzeit einen grippalen Infekt, also eine Entzündung der oberen Atemwege erwischt. Das ist in dieser Jahreszeit auch nur schwer zu vermeiden, denn den Krankheitserregern begegnen wir überall. Wir werden angesteckt durch Husten oder Händeschütteln. Dass Erkältete, wie zum Beispiel in Japan, einen Mundschutz tragen, um die Umgebung zu schützen, hat sich bei uns ja noch nicht eingebürgert. Der beste Schutz, um Infekte zu vermeiden, ist häufiges Händewaschen.

Was steckt hinter diesen Infekten?

In den allermeisten Fällen, bei mehr als vier von fünf Erkältungskrankheiten, sind Viren die Auslöser. Tausende Typen dieser Krankheitserreger sind auf die Atemwege spezialisiert, vermehren sich in den Zellen der Schleimhäute von Nase und tieferen Atemwegen. Die Schleimhäute schwellen an, die Schleimdrüsen stellen mehr Sekret her, die Nerven der Schleimhäute sind gereizt. So kommt es zu Niesen, verstopfter Nase, Husten und Auswurf. Die befallenen Schleimhautzellen sterben ab, die nachwachsenden Zellen und die körpereigene Abwehrkraft schaffen es, die Schleimhäute wieder abheilen zu lassen und die Viren zu beseitigen. Fieber, Gliederschmerzen und allgemeine Schwäche sind Ausdruck dieses Abwehrkampfes.

Wann setzt die Besserung ein?

Nach drei bis vier Tagen ist die Krankheit meist überwunden, der Patient fühlt sich von Tag zu Tag besser. Fast immer reichen die Selbstheilungskräfte des Körpers aus, um Atemwegsinfekte zu bekämpfen. Dies ist auch gut so, denn leider haben wir fast keine Medikamente gegen Viruserkrankungen der Atemwege. Das unterscheidet die Viren von den Bakterien. Bei Virusinfekten nützt ein Antibiotikum überhaupt nichts. In Deutschland werden trotzdem sehr viele Antibiotika bei Virusinfekten verschrieben.

Ist das wirklich so gefährlich, wie man lesen kann?

Ja, sehr. Zwar sind die Antibiotika meistens gut verträgliche, wenig belastende Medikamente, aber Bakterien sind lernfähig. Das bedeutet, eventuell vorhandene Bakterien entwickeln eine Unempfindlichkeit gegen Antibiotika. Je mehr Antibiotika wir benutzen, umso höher ist die Widerstandsfähigkeit, die Resistenz. Erkrankt dann ein Patient tatsächlich an einer bakteriellen Infektion, so kann es passieren, dass die Bakterien nicht mehr durch Antibiotika abzutöten sind. Unsere Waffe ist stumpf geworden. Daher ist es sinnvoll, dass bei einem Virusinfekt nicht unnötig Antibiotika verschrieben werden.

Was passiert bei der Superinfektion?

Nach einigen Tagen entwickelt ein Patient erneut Fieber und Krankheitssymptome. Der Auswurf hat sich grün verfärbt. Dies spricht nun dafür, dass sich tatsächlich Bakterien eingenistet haben. Die Schleimhäute waren ja zuvor durch den Virusinfekt geschädigt und leichter angreifbar geworden. Dies stellte einen guten Nährboden für Bakterien dar, die dann dort eingedrungen sind und auch Sebastian S. erneut krank gemacht haben. Dafür spricht besonders die starke Verfärbung des Auswurfes.

Müssen jetzt Antibiotika verordnet werden?

Nun gilt es, Bakterien abzutöten, und das ist genau der Punkt, an dem die Antibiotika ihren Einsatz finden. Wir sprechen dann von einer bakteriellen Superinfektion, also einer zweiten Entzündungskrankheit, diesmal verursacht durch Bakterien, die sich auf die Erkältung "draufgesetzt" haben. Wie soll man sich generell verhalten? Bei zukünftigen Infektionen sollte man es wieder genauso machen wie hier beschrieben. Bei Verdacht auf Viren, was bei 80 Prozent der Infekte der Fall ist, zunächst kein Antibiotikum. Nur bei einem zweiten Schub sollte es erwogen werden.

(anch)
Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort