Wirkung auf Pilze, Keime und Bakterien Forscher entwickeln Alternative zu Antibiotika

Leipzig (RPO). Antibiotika gehören zu den großen Errungenschaften der Medizin. Doch die mächtigste Waffe im Kampf gegen gefährliche Infektionskrankheiten verliert immer mehr ihre Wirkung. Bakterien werden zunehmend resistent gegen Antibiotika. Forscher haben jetzt eine Therapiealternative gefunden, das Penicillin und Co. künftig ersetzen könnte.

Zehn Fakten über Bakterien
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Foto: Manfred Rhode/HZI

Seit der Entdeckung des Penicillins 1928 sind Antibiotika zu einem der wichtigsten Instrumente in der Behandlung von Infektionskrankheiten geworden. Doch immer mehr Krankheitserreger sind immun gegen Antibiotika, einige Bakterien lassen sich schon heute nicht mehr bekämpfen. Die Weltgesundheitsorganisation WHO warnt vor wachsenden Resistenzen gegen die einst so potenten Medikamente. Wenn nicht schnell Gegenmaßnahmen ergriffen würden, könnten schon bald zahlreiche häufig vorkommende Infektionen nicht mehr behandelt werden, äußerte WHO-Chefin Margaret Chan.

Nach Angaben der WHO steckten sich 2010 fast eine halbe Million Menschen mit einer Form der Tuberkulose an, die gegen viele Antibiotika unempfindlich ist ­— ein Drittel der Erkrankten starb. Als Ursache für die wachsende Verbreitung resistenter Erreger nennt die Organisation den unsachgemäßen Einsatz von Penicillin und Co.

Zu viele Antibiotika verordnet

Antibiotika wirken gegen Bakterien, nicht aber gegen Viren. Doch die Realität in Deutschland sieht anders aus: Täglich nehmen Patienten hierzulande mehr als 700 Kilogramm Antibiotika ein. Das ist das Ergebnis einer Untersuchung, die das Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit gemeinsam mit der Paul-Ehrlich-Gesellschaft für Chemotherapie und der Infektiologie am Universitätsklinikum Freiburg durchgeführt hat. Triefende Schnupfennasen und Bronchitis werden damit behandelt und das, obwohl sie in mehr als 80 Prozent der Fälle durch Viren hervorgerufen sind, wie Zahlen des Wissenschaftlichen Instituts der AOK (WIdO)belegen.

Nicht nur, dass nach Auffassung des WIdO zu voreilig Antibiotika verordnet werden. Fast jedes zweite Antibiotikum, das in Deutschland auf ein Rezept geschrieben wird, ist ein Reserveantibiotikum.

Forscher finden Alternative zu Antibiotika

Forscher des Fraunhofer-Instituts für Zelltherapie und Immunologie IZI in Leipzig haben jetzt eine Alternative zu den etablierten Antibiotika gefunden: Antimikrobielle Peptide, also Proteine, sollen künftig den Kampf mit den Krankheitserregern aufnehmen. "Wir haben bereits 20 dieser kurzen Ketten von Aminosäuren identifiziert, die zahlreiche Keime abtöten. Darunter fallen Enterokokken, Hefen und Schimmelpilze, aber auch humanpathogene Bakterien wie der Streptococcus mutans, der in der Mundhöhle Karies erzeugt. Sogar der multiresistente Krankenhauskeim Staphylococcus aureus wurde in unseren Tests in seinem Wachstum stark beeinträchtigt", sagt Dr. Andreas Schubert, Gruppenleiter am IZI.

Aus bekannten fungizid und bakterizid wirkenden Peptiden erzeugten die Forscher zunächst Sequenzvariationen und testeten diese an unterschiedlichen Keimen. Das Wirkspektrum der untersuchten Peptide, so das Ergebnis dieser Tests, schließt neben Bakterien und Pilzen auch lipidumhüllte Viren ein. Ein besonderer Vorteil der Peptide scheint zu sein, dass sie in den Tests gesunde Körperzellen nicht schädigen, erläutert der Wissenschaftler.

Keimbelastung auf Nahrung könnte abnehmen

Neben der Medizin könnte auch die Lebensmittelindustrie künftig von den antimikrobiellen Peptiden profitieren. Die Keimbelastung von Esswaren führt zu jährlichen Einnahmeausfällen in Milliardenhöhe. So sind etwa Frischsalate auch ohne den Verdacht auf EHEC-Keime nach Information des Frauenhofer Instituts oft stark durch Hefen und Schimmelpilze kontaminiert. Würde man antimikrobielle Peptide bereits im Herstellungsprozess Nahrungsmitteln beimischen, könnte man deren Haltbarkeit verbessern.

"Dies ist durchaus möglich, da die im Projekt untersuchten kurzkettigen Peptide kein allergologisches Risiko bei einer Zugabe in Lebensmittel aufweisen", sagt Schubert. Der Forscher ist von den vielseitigen Anwendungsmöglichkeiten überzeugt und zieht auch den Einsatz im Maschinenbau in Betracht — etwa um Hydrauliköle keimfrei zu halten. Im nächsten Schritt wollen der Experte und sein Team die antimikrobiellen Peptide im lebenden Organismus an Infektionsmodellen testen.

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