Jeder fünfte Deutsche leidet chronisch Diese Folgen haben dauernde Albträume

Düsseldorf/Frankfurt/M. · Manche können von guten und erholsamen Nächten nur träumen. Sie laufen um ihr Leben, stürzen mit dem Flugzeug ab oder werden von Dobermännern zerfleischt. Durchwachte Nächte zerren an den Nerven. Betroffene sind unausgeruht. Aus Angst vor den Träumen, entwickeln sie Ein- oder Duchschlafstörungen und können erst recht nicht mehr schlafen.

Davon handeln die meisten Albträume
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Davon handeln die meisten Albträume

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Foto: shutterstock/ Africa Studio

Wenn sich andere entspannt in ihre Kissen fallen lassen, dann ist Claudia Bröcker angespannt. Ihr graut vor der kommenden Nacht. Sie fürchtet sich, schlecht zu träumen. Regelmäßig reißt sie der immer gleiche Albtraum nachts hoch. Wenn sie aufwacht, schlägt ihr das Herz bis zum Hals, sie ist nass geschwitzt und hat die Bilder ihres Traums noch genau vor Augen: Sie geht an einer Straße entlang. Ein Auto mit verdunkelten Scheiben rollt langsam näher. Sie kann die Bedrohung, die von dem Wagen ausgeht, deutlich spüren. Plötzlich ist die Straße so steil, dass sie nicht weglaufen kann. Ihre Beine werden immer schwerer, bis sie schließlich gar nicht mehr gehen kann. Das Auto holt sie rasch ein, bleibt neben ihr stehen und maskierte Männer steigen aus. In diesem Moment wacht Claudia Bröcker auf. Ihr Herz rast, sie fühlt sich schwach und wie gerädert.

Das quält die Menschen in Albträumen

Jedem fünften Deutschen geht es regelmäßig so. Es sind Themen wie Verfolgung, schwere Verletzungen, Fallen ins Bodenlose oder der eigene Tod, die den Menschen im Traum begegnen, die unter chronischen Albträumen leiden. Psychologen bezeichnen damit nächtliche Episoden, aus denen die Betroffenen erwachen und sich ganz genau erinnern können an das, was sie aus dem Schlaf gerissen hat. Was sie quält, sind starke negative Gefühle wie Angst, Ekel oder auch Trauer, erklärt Dr. Michael Schredl. Er ist Leiter des Schlaflabors am Zentralinstitut für Seelische Gesundheit in Mannheim. Meist sind es existentielle Gefahren, die die Betroffenen im Schlaf glasklar vor Augen haben.

Meist treten Albträume in der zweiten Nachthälfte auf. Dann nämlich durch laufen wir die so genannte Rapid-Eye-Movement-Phase. Sie dauert rund 45 Minuten an und ist geprägt von schnellen Augenbewegungen. Besonders kreative und sensible Menschen sind anfällig für die furchtbaren Sequenzen, die sie nachts plagen.

Wie entstehen Albträume?

Dr. Michael Schredl bezeichnet diese Menschen als "Personen mit dünnen Grenzen". Sie sind offener und emphatischer als andere und üben oft ungewöhnliche Berufe aus. Zum Problem wird bei ihnen, dass sie sich nicht gut gegen Stress abgrenzen können. Es können auch private Probleme sein, die diesen Menschen dann in abgewandelter Form im Schlaf nachlaufen. Auch Traumata oder genetische Faktoren spielen nach Auffassung der Wissenschaft eine Rolle für das Auftreten chronischer Albträume. Kinder sind noch häufiger betroffen als Erwachsene, Frauen mehr als Männer.

Evolotionsbiologen wie der Finne Antti Revonsuo nehmen an, dass Albträume uns auf schlimme oder gefährliche Situationen in der Wirklichkeit vorbereiten sollen. So träumten die Höhlenmenschen von Angriffen wilder Tiere, wir hingegen von dunklen Gestalten, die uns verfolgen. Der Haken an dieser Theorie allerdings ist, dass die Träume der Höhlenmenschen nicht überliefert wurden und man die These wissenschaftlich nicht belegen kann.

Gesundheitliche und seelische Gefahren durch schlechten Schlaf

Menschen, die sich nachts allein durch dunkle Wälder schlagen müssen, mit dem Flugzeug abstürzen oder lebendig begraben werden leiden doppelt: Nachts werden sie gequält von angsteinflößenden Vorstellungen. Am Tag können sie kaum mehr Energie aufbringen, denn sie sind notorisch übermüdet, ihnen fehlt es an Erholung und Entspannung. "Albträume wirken sich nicht nur negativ auf den Schlaf und das Ausmaß der Erholung aus, sondern können auch zu einer deutlichen Belastung in anderen Lebensbereichen führen. Beispielsweise lösen sie depressive Verstimmungen, Angst und ein erhöhtes Stressempfinden aus", erläutert Kathrin Hansen, Diplom-Psychologin und Psychotherapeutin der Goethe-Universität Frankfurt am Main.

Ein gesunder Schlaf also ist wichtig für unsere Gesundheit unser Wohlbefinden und unserer Leistungsfähigkeit. Wer ständig unausgeschlafen ist, der wird anfälliger für seelische und auch körperliche Erkrankungen. Angstzustände oder Herz-Kreislauf-Erkrankungen treten schneller auf. Außerdem tragen Betroffene ein höheres Risiko für Arbeits- und Verkehrsunfälle. Wer mindestens einmal in der Woche einen Albtraum hat und das über sechs Monate hinweg, der gilt als chronisch krank und sollte sich Hilfe holen. Die nämlich gibt es.

Wo Betroffene Hilfe finden

In der Universitätsklinik in Frankfurt am Main müht man sich, Albtraum-Patienten durch Verhaltenstherapie zu helfen, ebenso in der Uniklinik Düsseldorf. Auch in der Uniklinik Mainz finden Betroffene in der Schlafambulanz eine Anlaufstelle. Als eines der erfolgreichsten Therapiekonzepte gilt dabei die Imagery-Rehersal-Therapy (IRT). Bei ihr versucht der Patient das Drehbuch für seinen Traum bewusst zu ändern. Aus einem Auto mit dunklen Scheiben wird in der neuen Drehanleitung dann zum Beispiel ein Auto mit von der Sonne geblendeten Scheiben, aus dem plötzlich Freunde springen.

Um eine Umprogrammierung im Kopf der Betroffenen zu erreichen, schreiben diese über mehrere Wochen ein Traumtagebucht, in dem sie nach dem Erwachen ihre furchtbaren Albträume möglichst detailliert aufschreiben. Dann erdenken die Betroffenen selbst ein Happy End und schreiben auch dieses auf. Indem sie es regelmäßig lesen, können sie erreichen, dass sich diese Version im Gehirn verfestigt und die Horrorversion des Traums nach und nach ablöst.

Am Wissenschaftlichen Institut für Experimentelle Psychologie der Heinrich-Heine-Universität in Düsseldorf können auch Betroffene ferner Städte Hilfe erhoffen. Dort versucht man ein Selbsthilfe-Training zu etablieren, das übers Internet funktioniert. Der Albtraum-Coach soll die Hemmschwelle senken, sich einem Arzt oder Therapeuten anzuvertrauen, da die Hilfestellung rein online erfolgt. Auch chronische Albträumer können so mit der Zeit zu einem erholsamen Schlaf zurückfinden.

(wat)
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