Hohe Kosten, doch kein Zusatznutzen Die meisten neuen Medikamente bringen nichts

Berlin · Jedes Jahr kommen zahlreiche neue Medikamente auf den Markt. 23 waren es zwischen 2010 und 2011. Doch nur ein einziges bringt den Patienten einen Zusatznutzen, so das Ergebnis des Innovationsreports 2013.

Medikamente - hier gibt es gefährliche Wechselwirkungen
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Foto: ABDA

Wenn etwas Neues den Markt erobert, dann legen wir gerne das Alte beiseite. Neu ist schließlich zukunftsweisend, modern und dem aktuellen Stand der Forschung entsprechend das Beste. Nach einer Studie, die Bremer Wissenschaftler in Sachen Arzneimittelinnovation im Auftrag der Techniker Krankenkasse angestellt haben, geht diese Gleichung allerdings nicht auf. Mit den neuen Wirkstoffen, die zwischen 2010 und Anfang 2011 auf den Markt kamen, ist den Patienten in den meisten Fällen nicht besser geholfen als mit den bereits existierenden.

Das Fazit, das die Krankenkasse im erstmals erschienenen Innovationsreport daraus zieht ist ernüchternd: Einen therapeutischen Fortschritt haben die Neuerscheinungen den Patienten nicht gebracht, dafür aber hohe Kosten verursacht. 68 Millionen Euro könnten die gesetzlichen Kassen sparen, ohne dem Patienten eine schlechtere Versorgung anzubieten, sagt TK-Chef Jens Baas. Der Innovationsreport zeige, dass man nicht jedes neue Arzneimittel mit echtem medizinischem Fortschritt gleichsetzen dürfe.

Pharmaunternehmen profitieren — Patient nicht

Neben der Versorgungsqualität wirft der Bericht der Wissenschaftler auch einen Blick auf die Kosten, die mit den neu zugelassenen Arzneimitteln entstehen. "Drei von vier Medikamenten, die wir unter die Lupe genommen haben, waren teurer als die bereits auf dem Markt befindlichen Präparate", sagt der Leiter der Studie, Prof. Dr. Gerd Glaeske vom Zentrum für Sozialpolitik der Universität Bremen. Die Forscher beklagen, dass es in erster Linie um "kommerzielle Innovationen" gehe, die die Kosten der Behandlung in die Höhe treiben, damit den Pharmaunternehmen Gewinn, dem Patienten de facto aber nichts bringen.

Die Kasse sieht damit die Einführung des Arzneimittelneuordnungsgesetzes (Amnog) rechtfertigt. Seit 2011 müssen Pharmahersteller in Deutschland den Nutzen ihrer Innovationen belegen, so schreibt es das Gesetz vor. Die Mittel, die in der TK-Studie untersucht wurden, stammen alle aus der Zeit vor Inkrafttreten der Neuregelung. "Das geringe Innovationspotenzial verdeutlicht: Das Amnog-Verfahren fördert echte therapeutische Innovationen", sagt Baas.

Die Gewinner der Studie

Als einziges Präparat hatte der Wirkstoff Ticagrelor von Astra Zeneca abgeschnitten, der als Gerinnungshemmer zur Verhinderung von Schlaganfällen und Herzinfarkten verschrieben wird, mit gut abgeschnitten. Nachteil hier allerdings: Der Wirkstoff wird nach Ergebnissen des Gemeinsamen Bundesausschusses bei jedem dritten Patienten falsch verordnet. Das heißt. Ärzte verschreiben den Wirkstoff auch bei solchen Erkrankungen, bei denen das Medikament keinen zusätzlichen Nutzen im Vergleich mit verfügbaren Therapien hat.

Ein relativ gutes Ergebnis erzielte unter den 23 getesteten Arzneien auch ein zweites Präparat, das bei einer seltenen Krebserkrankung helfen kann, für die es bislang keine vergleichbare Therapie gab. Acht Wirkstoffen bescheinigten die Bremer Wissenschaftler einen bedingten Zusatznutzen. 14 fielen als Scheininnovationen durch.

(wat)
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