Chefärztin Broserius über Diabetes bei älteren Menschen Eine Krankheit mit vielen Gesichtern

Remscheid · In ihrer Schulzeit hatte Barbara Brosius eine Klassenkameradin, die nicht am Sportunterricht teilnehmen konnte, weil ihr ständig schwindelig wurde. Überhaupt zeigte sich ihr gesundheitlicher Zustand ziemlich instabil. Die Klassenkameradin litt an Diabetes.

 Dr. Barbara Brosius ist Chefärztin der Fabricius-Klinik. Sie gehört zum Sana-Klinikum Remscheid. Das Klinikum hat sich auf den Bereich Geriatrie spezialisiert.

Dr. Barbara Brosius ist Chefärztin der Fabricius-Klinik. Sie gehört zum Sana-Klinikum Remscheid. Das Klinikum hat sich auf den Bereich Geriatrie spezialisiert.

Foto: Christian Peiseler

„In den 60er Jahren gab es noch nicht den medizinischen Fortschritt heutiger Zeit“, sagt Brosius (62), Chefärztin der Fabricius-Klinik und spezialisiert auf Erkrankungen bei älteren Menschen. Und Diabetes begegnet ihr jeden Tag. In der Regel kommen zu ihr Patienten mit einer Diabetes II-Diagnose. Für die Behandlung gibt es zwar einige Grundparameter. Aber Brosius betont: „Es ist eine Krankheit mit vielen Gesichtern.“

Bei Menschen mit Diabetes II produziert die Bauchspeicheldrüse nur noch in geringen Mengen Insulin. Insulin ist ein wichtiges Hormon für den Stoffwechsel im menschlichen Körper. Es dient vor allem dazu, Glukose aus dem Blut in die Zellen zu schleusen. Dort werden die Zuckermoleküle zur Energiegewinnung benötigt. Wenn aber die Bauchspeicheldrüse als Insulinfabrik zerstört ist, schwimmt zu viel Zucker im Blut. Und das ist schlecht für den Körper. Der Blutzuckerspiegel darf nicht zu sehr nach oben, aber auch nicht zu sehr nach unten ausschlagen.

Nicht selten begegnet die Chefärztin Patienten-Paaren, bei denen die Frau sich über ihren Mann besorgt zeigt, weil er zu nichts mehr Lust habe, nur noch im Sessel sitze. Häufig stellt Brosius fest, dass der gute Mann an Unterzuckerung leidet. Und manchmal ist es ein Teufelskreis. Da drückt die Zahnprothese, aber zum Zahnarzt will man nicht. Ohne gut sitzende Zähne geht die Lust am Essen verloren. Und wenn weniger gegessen wird, hat das Einfluss auf den Blutzuckerspiegel. Eine neue Einstellung mit Tabletten und Spritzen kann die Sache wieder in Ordnung bringen. Und die Lebensfreude kehrt zurück. „Der Mann ist dann wie ausgewechselt“, erzählt Brosius.

Der selbstständige Umgang mit Diabetes bedarf eines gewissen Grundverständnisses, wie der Stoffwechsel funktioniert. Jeder Mensch reagiert unterschiedlich auf Insulin. Die Pharmaindustrie hat verschiedene Insuline hergestellt. Zudem bedarf es einer regelmäßigen Messung des Blutzuckerspiegels. Bei aller Aufklärung und Handreichung, die es gibt, für Brosius ist bei der Medikation immer mit entscheidend, ob die Lebensqualität des älteren Menschen erhalten werden kann. „Wer unter Arthritis in den Händen leidet, der kann sich nicht jeden Tag dreimal in den Finger stechen, um die Werte zu messen“, sagt Brosius. In solchen Fällen sucht sie nach anderen medikamentösen Lösungen und führt Gespräche mit Familienangehörigen oder den Pflegerinnen im Altenheim. Lebensqualität bedeutet für Brosius aber auch: „Wer ab und zu gerne mal ein Stück Kuchen isst, der soll das auch tun.“

Trotz allen Fortschritts: Den Menschen mit Diabetes trifft ein erhöhtes Risiko bei bestimmten Folgeerkrankungen. Dazu zählen beispielsweise Schlaganfall, Herzinfarkt, Nierenversagen, Durchblutungsstörungen in den Füßen und Sehstörungen.

Der Diabetiker kann selber auch etwas tun, um seinen Blutzucker im Normalbereich zu halten. Eine ballaststoffreiche Ernährung hilft, dass der Zucker nur langsam ansteigt. Eine spezielle Diät für Diabetiker hat sich nach intensiver Forschung als wirkungslos erwiesen.

Und ein kleiner Spaziergang nach dem Essen kurbelt den Stoffwechsel an. „Der Rollator als Gehilfe ist eine tolle Erfindung“, sagt Brosius. So können auch ältere Menschen mit Gehschwierigkeiten vor die Türe, ohne Angst vor einem plötzlichen Sturz haben zu müssen.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort