Mehr Transparenz angekündigt Deutsche Krankenhäuser: Hygiene mangelhaft

Düsseldorf (RP). EU-Gesundheitskommissar John Dalli kritisiert die hohe Zahl der Behandlungsfehler in deutschen Krankenhäusern. Die Bundesregierung kündigt nun eine Transparenzoffensive an.

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Foto: AP

Die Krankenschwester versäumt es, beim Verbandwechsel sterile Handschuhe anzuziehen — eine Nachlässigkeit, die schlimme Folgen haben kann. "Hygienemängel gehören zu den wichtigsten Ursachen von Komplikationen", warnt Matthias Schrappe, Direktor des Instituts für Patientensicherheit an der Uni Bonn. "Vielfach werden die schwerwiegendsten Fehler von erfahrenen Kräften begangen", sagt der Professor.

Behandlungsfehler im Krankenhaus — nach Schätzungen des Aktionsbündnisses für Patientensicherheit kommen in Deutschland jährlich rund 5000 Menschen durch vermeidbare Komplikationen ums Leben. Jetzt schlägt auch die Europäische Union Alarm. "In der EU entsteht bei jeder zehnten medizinischen Behandlung im Krankenhaus ein Schaden für die Patienten", sagte EU-Kommissar John Dalli der "Welt". In der EU würden rund 4,1 Millionen Patienten jährlich durch Krankenhauskeime infiziert. Woran liegt das?

Bei Hygienemängeln ist oft Leichtfertigkeit im Spiel. "Studien haben ergeben, dass viele Stationsärzte am Tag nur 50 Milliliter Desinfektionsmittel verwenden", sagt Matthias Schrappe. Dies sei ein Viertel des Erforderlichen. Der Professor fordert, dass die Hygienestandards künftig zertifiziert werden sollen.

Strengere Richtlinien in Arbeit

Politiker in Düsseldorf und Berlin arbeiten bereits an strengeren Richtlinien. NRW-Gesundheitsministerin Barbara Steffens (Grüne) kündigte gestern an, sie werde noch in diesem Monat ein neues Hygienekonzept für NRW vorlegen. Karl-Josef Laumann, Fraktionschef der CDU im Düsseldorfer Landtag, forderte mehr Kontrollen durch die Gesundheitsämter. "Alle internationale Vergleiche, die ich kenne, zeigen, dass wir in NRW ein Problem bei der Krankenhaushygiene haben", sagte Laumann. Der FDP-Politiker Stefan Romberg forderte mehr Transparenz bei den Infektionszahlen.

Auch die Bundesregierung will nun Konsequenzen ziehen. "Wir wollen noch dieses Jahr eine Regelung auf den Weg bringen, die die Krankenhäuser zur Veröffentlichung ihrer Infektionszahlen verpflichtet", sagte der gesundheitspolitische Sprecher der Unionsfraktion, Jens Spahn (CDU), unserer Zeitung. "Das wird die Krankenhäuser anspornen, im Wettbewerb besser zu werden", betonte Spahn.

Die Krankenkassen begrüßen die Qualitätsoffensive der Politik. "Das Thema Krankenhaushygiene gehört absolut auf die Agenda, wenn es um Qualitätsverbesserungen im Gesundheitswesen geht", sagte der Chef der AOK-Rheinland/Hamburg, Wilfried Jacobs, unserer Zeitung. Bei den Kliniken selbst ist das Problem erkannt. "Wir sind bei diesem Thema hoch sensibilisiert", sagte der Hauptgeschäftsführer der Deutschen Krankenhausgesellschaft, Georg Baum. In den Krankenhäusern müssten mehr Ärzte und Pflegekräfte zu hygienischen Fachkräften ausgebildet werden.

Facharzt für Hygiene gefordert

Kliniken mit mehr als 450 Betten sollten einen Facharzt für Hygiene haben. Die Krankenhäuser müssten in den nächsten zwei Jahren einen Sparbeitrag von einer Milliarde Euro leisten. "Bei uns ist das ähnlich wie bei der Bahn: Wenn die Mittel aus dem System herausgezogen werden, ist es wahnsinnig schwierig, maximale Qualitätsstandards zu erfüllen", sagte Baum.

Äußerst kritisch reagierte die Bundesärztekammer auf die Äußerungen des EU-Gesundheitskommissars. Der Präsident der Bundesärztekammer, Jörg-Dietrich Hoppe, verwies darauf, dass die Krankenhäuser in Deutschland bereits ein Informationssystem installiert hätten, um gegenseitig aus Fehlern zu lernen. Das "Medical Error Reporting System" gebe Aufschluss darüber, wo Behandlungsfehler vermutet würden. "Ziel der Statistik ist es, Fehlerursachen auszuwerten, um sie für die Fortbildung und Qualitätssicherung zu nutzen", sagte Hoppe.

(RP)
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