Prävention durch Ernährung Mit Alzheimer-Diät der Demenz vorbeugen?

Gießen/Bonn · An Alzheimer zu erkranken, ist für viele eine beängstigende Vorstellung. Mit einer speziellen Diät soll man sein Alzheimer-Risiko beachtlich senken können. Was muss man essen und hilft es wirklich?

Zehn-Punkte-Präventionsplan gegen Alzheimer
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Foto: dpa, Jan-Philipp Strobel

An Alzheimer zu erkranken, ist für viele eine beängstigende Vorstellung. Mit einer speziellen Diät soll man sein Alzheimer-Risiko beachtlich senken können. Was muss man essen und hilft es wirklich?

Alzheimer ist die häufigste Form von Demenz. Rund 1,5 Millionen Menschen in Deutschland sind davon betroffen. Bis zum Jahr 2030 soll diese Zahl sich sogar noch verdoppeln, sagen die Experten. Das lässt die Furcht davor wachsen, selbst einmal zum Leidtragenden zu werden. Doch es gibt Hoffnung, das persönliche Schicksal zumindest ein Stück weit in die eigene Hand nehmen und positiv beeinflussen zu können.

"Epidemiologische und klinische Daten belegen, dass Menschen, die sich bewusst ernähren, zumindest statistisch gesehen seltener an neurodegenerativen Krankheiten wie Alzheimer erkranken", sagt Gunter Eckert, Leiter des Instituts für Ernährungswissenschaften an der Justus-Liebig-Universität in Gießen. Er geht seit vielen Jahren der Frage nach, wie man mit Ernährung Einfluss auf Demenz nehmen kann.

"Schon lange weiß man aus epidemiologischen Studien, dass zum Beispiel ungesättigte Omega-3-Fettsäuren und Polyphenole (wie sie in Obst und Gemüse vorkommen) positive Effekte bei der Vorbeugung von Alzheimer haben. Viele Untersuchungen weisen den Weg darauf, wie sich Nahrungsmittel auf die Gehirnfunktion auswirken können — so wie die von US-Forscherin Martha Clare Morris von der Rush University. Sie untersuchte in einer Langzeitstudie rund 920 Erwachsene im Alter zwischen 58 und 98 Jahren und verfolgte über mehrere Jahre ihre Ernährungsweise.

MIND-Diät — von der Wissenschaft entwickelt

Ein Teil der Studienteilnehmer ernährte sich nach einer von ihr selbst entwickelten Ernährungsweise, der MIND-Diät (Mediterranean-DASH Intervention for Neurodegenerative Delay), ein anderer Teil nach der Mittelmeer-Diät (viel Gemüse — gedünstet, nicht frittiert —, Olivenöl mit reichlich ungesättigten Fettsäuren und wenig Fleisch) und eine Gruppe nach der Dash-Diät. Letztere kommt mit dem Ziel zum Einsatz, den Blutdruck zu senken und baut vor allem auf eine salzreduzierte Kost, einen geringen Verzehr von tierischen Produkten und eine möglichst geringe Aufnahme gesättigter Fettsäuren, wie sie zum Beispiel in fettem Fleisch, Süßigkeiten und Backwaren oder Palm- und Kokosfett stecken.

Um mehr als die Hälfte geringeres Alzheimer-Risiko

Die Wissenschaftler untersuchten per Fragebogen, wie genau sich die Probanden aller Gruppen an ihre Ernährungspläne hielten. Dabei zeigte sich, dass die Teilnehmer der MIND-Diät-Gruppe ihr Alzheimer-Risiko um 53 Prozent senken konnte. Sie aßen viel Obst und Gemüse, ergänzt durch weitere Lebensmittelgruppen, zu denen fetter Fisch wie Lachs oder Kabeljau und Makrele ebenso zählen wie Nüsse und Olivenöl, Bohnen, Beeren, Geflügel und Wein. Selbst bei denen, die sich nicht einmal streng daran hielten, sank das Risiko um 35 Prozent. Auch bei den anderen beiden Ernährungsumstellungen reduzierte sich die Gefahr für die Hirnerkrankung. In ihrem Fall aber nur bei einer strengen Befolgung der Ernährungsregeln. Vor allem Vorformen von Alzheimer, auch mildes kognitives Impairment genannt, lassen sich zu 33 Prozent reduzieren, wenn an der Ernährungsschraube zugunsten von mediterranen Leckereien gedreht wird.

Eine probate Faustformel nennt Ute Nöthlings, Sprecherin eines vor einem Jahr gegründeten interdisziplinären Kompetenzclusters "Diet-Body-Brain": "Alles, was gut ist fürs Herz, ist auch gut fürs Gehirn. Es geht dabei genau um die Risikofaktoren, die dabei helfen, Herz-Kreislauf-Erkrankungen zu reduzieren." Wer also sein Gewicht, seine Blutfettwerte und Diabetesrisiko senkt, der tut auch den grauen Zellen Gutes. "Denn kardiovaskuläre Risiken sind wiederum Risikofaktoren für eine Entstehung von Alzheimer und Demenz", sagt Nöthlings.

Das lässt sich besonders gut durch eine mediterrane Ernährung erreichen in der Obst und Gemüse die Hauptrolle spielen, ergänzt durch Vollkornprodukte, Fisch und Olivenöl. Meiden sollte man hingegen rotes Fleisch, Butter und Margarine, Käse, Süßigkeiten und Backwaren sowie Fast Food.

So funktioniert der Alzheimer-Schutz übers Essen:

  1. "Setzen Sie auf Obst und Gemüse, Hülsenfrüchte und Vollkornprodukte statt Fleisch", rät Gunter Eckert. Dabei gilt: Die Mischung macht's, denn betrachteten Forscher lediglich den Verzehr von Einzelkomponenten fand sich laut der Alzheimer Forschung Initiative keine Beziehung zwischen Ernährung und der Alzheimer-Demenz. Klar ist also, dass es nicht auf den Verzehr einzelner gesunder Lebensmittel ankommt, sondern auf deren ausgewogene Mixtur. Mit selbstgemixten Obst- und Gemüse-Smoothies liegt man ebenfalls richtig. Neuere Studien haben einen präventiven Effekt von Obst- und Gemüsesäften nachgewiesen. Der geht unter anderem auf die so genannten Polyphenole zurück. Zu ihnen gehören auch die Flavonoide. Sie sind vor allem in den Schalen vieler Obst- und Gemüsesorten, aber auch in Tee und Wein enthalten.
  2. "Minimieren Sie die Aufnahme gesättigter Fettsäuren wie Palmfett oder Kokosöl", sagt Eckert. Es gab eine Studie, die nachgewiesen haben will, dass sich Kokosöl positiv auswirkt. Ich halte das für Nonsens", sagt Lebensmittelchemiker Eckert weiter.
  3. "Achten Sie auf eine ausreichende, natürliche Versorgung mit Vitamin E", sagt Eckert. Das steckt zum Beispiel in Sonnenblumenöl oder Nüssen. Alzheimer-Patienten leiden oft unter einem Mangel dieses Vitamins. Für kritisch halten Experten wie er die Aufnahme über Nahrungsergänzungsmittel. Der Grund: In natürlichen Quellen kommen die Vitamine gemeinsam mit anderen Nährstoffen vor, die sich gemeinsam positiv beeinflussen. Isoliert in einer Kapsel bringt ein einzelner Stoff möglicherweise nicht dieselbe Wirkung.
  4. Die Vitamine B6, Folsäure und B12 gelten als Alzheimerwaffe. Schwedische und britische Wissenschaftler bestätigten in einer Untersuchung, dass es dem Abbau von Gehirnmasse im Alter entgegenwirken kann. "Ein Vitamin B-12-Mangel wird oft mit Alzheimer verwechselt. Es gehört zu Diagnostik demenzieller Erkrankungen, ihn darum zunächst auszuschließen. Vitamin B6 steckt vor allem in Vollkornprodukten, Fisch, Fleisch und Hülsenfrüchten. "Vitamin B12 vor allem in tierischen Produkten. Darum stellt es ein Problem für Veganer dar", sagt Eckert. Folsäure kann man über den Verzehr von Mandeln oder Hühnerleber aufnehmen.
  5. "Nehmen Sie kein Eisen oder Kupfer über Kapseln zu sich, denn das kann zellschädigenden Einfluss nehmen. Davon ausgeschlossen sind Frauen, die einen Eisenmangel haben.
  6. Greifen Sie bei Omega-3-Fettsäuren zu, die vor allem fetter Fisch auf den Tisch bringt. "Solch gesunde Alpha-Linolensäure stecken zudem in Leinöl oder Walnüssen", sagt Eckert. Hier dürfe man ausnahmsweise auch zum Kapselersatz greifen.
(wat)
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