Kostenlose Gutachten Diese Rechte haben Versicherte bei einem Behandlungsfehler

Berlin · Laut neuesten Erkenntnissen des Medizinischen Dienstes der Krankenkassen kommt es deutlich häufiger zu Kunstfehlern von Ärzten als angenommen. Lesen Sie hier, welche Rechte Versicherte haben, wenn ein Verdacht auf Behandlungsfehler besteht.

Wer mit frisch operiertem Meniskus im Krankenhaus liegt und wahrnimmt, dass der Bettnachbar sich schneller wieder bewegen kann und viel weniger Schmerzen erleidet als man selbst, der kommt schnell auf den Gedanken, dass bei ihm selbst wohl gepfuscht wurde. Immer mehr Patienten fassen heute auch den Mut, sich mit ihrem Verdacht an ihre Krankenkasse zu wenden.

Das Thema Behandlungsfehler ist ein Dauerbrenner im Gesundheitssystem. In den vergangenen Jahren ist manches geschehen: Seit 2006 legt auch die Ärzteschaft ihre Zahlen zu Behandlungsfehlern offen. Zudem können sich Mediziner transparent im Netz zu Fehlern und Beinahe-Fehlern austauschen, von denen sie gegenseitig lernen können. Das mittlerweile zwei Jahre alte Patientenrechte-Gesetz macht den Betroffenen die Beschwerden leichter. So sind die Krankenkassen verpflichtet, ihre Versicherten bei Behandlungsfehlern zu unterstützen. Die Gutachten des Medizinischen Dienstes, deren Erstellung etwa drei Monate dauert, sind für die Versicherten kostenlos.

Ob im Fall einer Beschwerde tatsächlich ein Kunstfehler der Ärzte oder des Pflegepersonals vorliegt, ermittelt der Medizinische Dienst der Krankenkassen (MDS) in umfänglichen Gutachten. Für die Patienten, die tatsächlich falsch behandelt wurden, dienen die Gutachten als Grundlage, um Schadensersatz zu fordern.

Der Medizinische Dienst will mit Hilfe seiner Statistiken vermeidbaren Fehlern in der Praxis vorbeugen. "Uns geht es nicht so sehr um die Frage: Wer hat einen Fehler gemacht, sondern: Wo ist der Fehler passiert? Was war das für ein Fehler, und warum ist er passiert", sagt Stefan Gronemeyer, leitender Arzt des MDS.

Der Medizinische Dienst stellte seine neue Statistik vor, wonach es im vergangenen Jahr 3796 nachgewiesene Behandlungsfehler in Kliniken und Praxen gab.. Die Mediziner der Krankenkassen berichteten auch von Beispielen aus der Praxis: In einem Fall spritzte ein Orthopäde seinem von Rückenschmerzen geplagten Patienten ein betäubendes Medikament - "quaddeln" heiße das bei den Medizinern, wie Sozialmedizinerin Astrid Zobel erläuterte. Dabei wurde die Lunge verletzt, der Patient bekam Atembeschwerden. In einem anderem Fall sollte ein gebrochenes Schlüsselbein mit einer Metallplatte stabilisiert werden. Die Platte war aber zu kurz, so dass das Schlüsselbein nicht heilen konnte.

Die Ärzteschaft verweist im Zusammenhang mit Behandlungsfehlern auch auf die steigende "Arbeitsintensität" im Gesundheitswesen. Wegen der demografischen Entwicklung sei die Zahl der ambulanten Behandlungsfälle in Deutschland zwischen 2004 und 2012 um 136 Millionen auf fast 700 Millionen angestiegen, erklärte die Bundesärztekammer. Die Zahl der stationären Fälle habe sich um 1,8 Millionen auf 18,6 Millionen erhöht. "Überlange Arbeitszeiten und ständiger Leistungsdruck erhöhen die Fehlerwahrscheinlichkeit", sagte Andreas Crusius, Vorstandsmitglied der Bundesärztekammer.

Umso bemerkenswerter sei es, meint Crusius, dass, trotz des Anstiegs der Behandlungsfälle insgesamt, die Zahl der festgestellten Fehler in den vergangenen Jahren relativ konstant geblieben sei. "Gemessen an der Gesamtzahl der Behandlungsfälle liegt die Fehlerhäufigkeit im Promillebereich." Die Behandlungsfehler-Statistik der Bundesärztekammer soll im Juni veröffentlicht werden.

(qua)
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