Gesundheitsmesse Medica Neuentwicklungen für ein gesundes Herz

Düsseldorf · Gefäßstützen, die sich auflösen, 3-D-Bilder in hoher Schärfe, und Herzklappen, die durchs "Schlüsselloch" eingebaut werden - auf der Düsseldorfer "Medica" wird Zukunft Alltag.

 Neuheit auf der Medica: Sie sind lichtscheu, flink und hartnäckig — Kopfläuse. Die Blutsauger krallen sich am Haar fest, man wird sie nur schwer wieder los. Üblicherweise wird Läusebefall mit chemischen Mitteln und Nissenkamm behandelt. Fraunhofer-Forscher entwickeln einen Kamm, der die Schädlinge mithilfe von Plasma zuverlässig abtötet — ohne Biozide und den Einsatz von Chemie.

Neuheit auf der Medica: Sie sind lichtscheu, flink und hartnäckig — Kopfläuse. Die Blutsauger krallen sich am Haar fest, man wird sie nur schwer wieder los. Üblicherweise wird Läusebefall mit chemischen Mitteln und Nissenkamm behandelt. Fraunhofer-Forscher entwickeln einen Kamm, der die Schädlinge mithilfe von Plasma zuverlässig abtötet — ohne Biozide und den Einsatz von Chemie.

Foto: Fraunhofer IST

Der einladende Imperativ eines schwedischen Einrichtungshauses gilt unvermindert auch in der Medizin. Was vorgestern noch erträumt wurde und gestern erstmals in die Pipeline gelangte, ist heute schon Alltag. Entdecke die Möglichkeiten? Längst geschehen. In kaum einem Bereich der Medizin sind die Neuerungen, die in der kommenden Woche auf der Düsseldorfer "medica" präsentiert werden, präsenter als in der Kardiologie, der Kunst der Behandlung des Herzens. Nun denn, was kommt an Neuem auf unsere Pumpe zu?

In den vergangenen Jahren hat sich die Medizintechnik dem Herz immer raffinierter genähert, allein in der Bildgebung sind Kardio-MRT, Kardio-CT und auch nuklearmedizinische Testungen des Herzens längst unentbehrliche Bestandteile der Diagnostik geworden. Auch die Telemedizin hat sich etabliert. Auf der "medica" präsentiert sich nun "CardioSecur", das erste mobile 22-Kanal-EKG-System für Smartphone oder Tablet-PC. Es besteht aus einer App und einem sehr leichten EKG-Kabel mit vier Elektroden. Hiermit sollen Patienten bei beunruhigenden oder gar schmerzhaften Symptomen an ihrem Herz selbst eine schnelle Messung ein- und weiterleiten. Wie es heißt, zeichnet die Technik nicht nur Rhythmusstörungen, sondern auch Minderdurchblutungen auf, die einen Herzinfarkt anzeigen können.

Beim Erkennen eines Infarktes hilft auch die Labormedizin. Bislang reagierte das sogenannte Troponin, ein Eiweißstoff, der bei Herzmuskelschäden ins Blut freigesetzt wird, ziemlich träge; es ist erst Stunden nach Infarktbeginn feststellbar. Prof. Jürgen vom Dahl, Chef-Kardiologe am Franziskus-Krankenhaus in Mönchengladbach, schildert die neuen Möglichkeiten: "Nun gibt es das sogenannte hoch-sensitive Troponin, das uns Kardiologen höhere Sicherheit gibt. Liegt es als Laborwert eines Patienten unterhalb einer definierten Grenze, dann kann bereits nach einer Stunde ein Myokard-Infarkt fast ausgeschlossen werden." Diese Sicherheit ist vor allem bei Patienten mit unklaren Herzsymptomen wichtig. Wichtig für die Praxis aber laut vom Dahl: "Bekommen wir einen Patienten mit eindeutigen Infarktzeichen im EKG in unser Herzkatheterlabor, dann warten wir nicht auf ein Troponin - dann muss das verschlossene Gefäß rasch geöffnet werden, damit der Blutfluss wiederhergestellt wird und das Gefäß durch einen Stent dauerhaft offen bleibt."

Im Bereich der Medikamente, die zur Behandlung von Herzschwäche zugelassen sind, haben bislang die ACE-Hemmer eine wichtige Rolle gespielt. Nun gibt es einen neuen Kombinationswirkstoff namens Arni, der etwa dem altbewährten Enalapril den Rang abläuft. Vom Dahl: "Im direkten Vergleich sinkt die Sterblichkeit durch ein Herz-Kreislauf-Ereignis deutlich, auch die Lebensqualität und Belastbarkeit steigern sich." Vom Dahl verschweigt aber nicht die Schatten, die Arni wirft: "Es könnte sein, dass die Vorzüge mit einem unguten Effekt bei der Entwicklung von Demenz-Erkrankungen erkauft werden." Arni blockiert ein bestimmtes Enzym, das auch beim Abbau von Amyloid-Beta-Proteinen hilft; deren Anreicherung im Gehirn ist mit der Alzheimer-Krankheit assoziiert.

Die moderne Kardiologie hat freilich einen systematischen Widersacher: die Herzchirurgie. An guten Häusern arbeiten die Profis der beiden Fraktionen Hand in Hand und entscheiden in Fallkonferenzen, ob ein Patient einen Stent oder einen Bypass braucht. Gleichwohl sehen es die Herzchirurgen mit Beklemmung, dass die Chirurgie der Herzklappen mehr und mehr den Schlüsselloch-Artisten weicht. Die Zahl der Aortenklappen, die über den Gefäßzugang in der Leiste minimalinvasiv eingebaut wurden (ohne Durchtrennung des Brustbeins), ist seit 2008 um das 20-fache gestiegen. Und die Langzeitdaten der Patienten sind mitnichten unerfreulich.

Malte Kelm, Direktor der Kardiologischen Universitätsklinik in Düsseldorf, weist darauf hin, dass auch die anderen drei Herzklappen bei immer älteren Patienten, die nur noch schlecht eine offene Operation vertragen, in den Fokus der Kardiologen geraten. Bei der "Medica" wird man diese Winzlinge bestaunen können, die sich wie eine Saloon-Tür nur in eine Richtung öffnen. Was da an raffinierter (und dauerhaft haltbarer) Bastelarbeit im Herzen möglich ist, lässt einen staunen. "Diese Kunst verkürzt ganz gewaltig die Liegezeit von Patienten im Krankenhaus", sagt Kelm.

Selbstverständlich lassen sich über die Körpergefäße auch noch ganz andere Dinge ins Herz schieben, etwa Schrittmacher; neulich wurde der erste dieser Art in Deutschland an der Düsseldorfer Uniklinik implantiert. Im Vergleich mit den sperrigen Kisten, die normalerweise unter die Haut der Brust gepflanzt werden, ist der Schrittmacher, der in der Herzkammer abgeworfen und verankert wird, ein wunderbar nützlicher Zwerg. Ähnlich präzise arbeiten die Schirmchen, die bei Defekten der Herzscheidewand eingebaut werden.

Damit die Orientierung im bekanntlich sehr dunklen Herzen gelingt, werden auch die Bilder immer glänzender, räumlicher, erhellender. Ultraschall, Dreidimensionalität, hybride Verschmelzung von Bildern: Das sind Stichworte, die dem Kardiologen wahre Kronleuchter für die Arbeit an der Pumpe anknipsen. "Sie sind wichtig", sagt Kelm, "weil bei strukturellen Herzerkrankungen das konventionelle Röntgen die Zielstrukturen nicht darstellt."

Vom Dahl und Kelm wissen, dass die Domäne der Kardiologie, nämlich der Einbau von Gefäßstützen, den Stents, weiterhin ein wichtiges Geschäftsfeld bleiben wird, obwohl die Zahl der Eingriffe überall stagniert. Derzeit richten sich scharfe Blicke auf Stents, die sich auflösen. Kein Altmüll mehr im Gefäß - eigentlich eine faszinierende Vision. Es wird die Zeit zeigen, ob die teuren Dinger wirklich langfristig in unserem Alltag ankommen. Die Möglichkeiten aber, die sind da.

(w.g.)
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