Krebsfrüherkennung Wem nützt die Mammographie?

Düsseldorf · Brustkrebs ist gefährlich, und Prävention hilft, ihn einzudämmen. Ein Expertengremium empfiehlt nun, auch jüngere und ältere Frauen zur Mammographie einzuladen. Dabei ist deren Nutzen nicht sicher – und es gibt auch brauchbare Alternativen. Wir beantworten die wichtigsten Fragen.

Die gesunde Brust einer Frau ist auf einer Röntgenaufnahme zu sehen (Archiv).

Die gesunde Brust einer Frau ist auf einer Röntgenaufnahme zu sehen (Archiv).

Foto: dpa/Klaus-Dietmar Gabbert

Je früher Brustkrebs erkannt wird, umso besser stehen die Erfolgschancen für seine Therapie. Wir beantworten hier alle wichtigen Fragen.

Ab welchem Alter sollte man eine Mammographie machen?

Seit 2005 werden in Deutschland die Frauen zwischen 50 und 69 Jahren alle zwei Jahre zur Mammographie eingeladen. Bei diesem bildgebenden Verfahren werden von jeder Brust – in unterschiedlichen Positionen – zwei Röntgenaufnahmen gemacht. Das geschieht hierzulande rund drei Millionen Mal pro Jahr, die Mammographie hat also eine breite Resonanz.

Wie läuft die Mammographie ab?

Die Untersuchung dauert in der Regel 10 Minuten. Die Brust wird zwischen Röntgenröhre und Filmtisch gelegt und vorsichtig zusammengedrückt. Um die Bildqualität zu verbessern und die Strahlenbelastung so gering wie möglich zu halten, muss die Brust etwas zusammengedrückt werden. Von jeder Brust werden in der Regel zwei Bilder angefertigt. Anschließend beurteilt die Ärztin oder der Arzt die Bilder (manchmal werden die Bilder auch von zwei Ärzten beurteilt) und wird hierbei durch ein modernes Computer-gestütztes Diagnose-System (CAD = Computer Aided Diagnostic Systems) unterstützt.

Ist die Mammographie schmerzhaft?

Sie kann mit einem Druckgefühl einhergehen, das manche Frauen auch als schmerzhaft empfinden. Die allermeisten Frauen tolerieren es jedoch.

Sollen auch jüngere und ältere Frauen eine Mammographie bekommen?

Laut EU-Kommission sollen jene Zahlen noch einmal deutlich wachsen. Im März 2021 aktualisierte man dort die Brustkrebsleitlinien, wonach künftig auch Frauen zwischen 45 und 49 sowie zwischen 70 und 74 Jahren in das Mammographie-Screening einbezogen werden sollen. In Deutschland beauftragte daraufhin das höchste Gremium im Gesundheitswesen, der G-BA (Gemeinsame Bundesausschuss), das Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (Iqwig) mit einer Überprüfung des EU-Vorschlags – und deren Ergebnis liegt nun vor.

Das Fazit der Experten: Auch die jüngeren und älteren Altersgruppen würden von dem Mammographie-Screening profitieren. Bei den 45- bis 49-Jährigen gründet diese Einschätzung auf der Analyse von acht Studien mit mehr als 600.000 Patientinnen, wonach die regelmäßige Mammographie – über einen Zeitraum von zehn Jahren – fünf von 10.000 Frauen davor bewahrt, an Brustkrebs zu sterben. Bei den älteren Jahrgängen ist die Datenlage weniger ergiebig, aber Iqwig-Leiter Jürgen Windeler sieht trotzdem keinen Grund zur Annahme, „dass sich die Effekte eines Brustkrebs-Screenings in der mittleren und älteren Altersgruppe gravierend unterscheiden“.

Allerdings sind fünf von 10.000 gerade mal 0,05 Prozent. Weswegen Windeler eingesteht, dass der „Vorteil für die einzelne Frau nur sehr klein“ sei. Er rät daher zu einer „individuellen Bewertung und Abwägung“, ob das Mammographie-Screening für die Patientin sinnvoll sei. Aber insgesamt würde es auch den jüngeren und älteren Frauen mehr Vor- als Nachteile bieten.

Jetzt müssen sich noch das B-GA und das Bundesamt für Strahlenschutz den Empfehlungen des Iqwig anschließen. Dies dürfte in den nächsten Monaten geschehen, und dann wäre der Weg frei, das Screening auf die jüngeren und älteren Patientinnen auszuweiten. In der Ärzteschaft dürfte dies jedoch auf Widerstand stoßen.

Krebs – diese Promis haben die Krankheit besiegt
17 Bilder

Diese Promis haben den Krebs besiegt

17 Bilder

Warum ist die Mammographie umstritten?

Von Ärzten hört man schon länger Kritik, was die Fehleranfälligkeit der Mammographie angeht. „Sie hat Grenzen bei Frauen mit dichtem Brustgewebe“, betont Susanne Wienbeck, die Programmverantwortliche Ärztin im Mammographie-Screening in Hannover und Schaumburg. „Hier zeigen Studien, dass der Mammographie von 100 bösartigen Tumoren etwa 40 entgehen“.

Problematisch sind aber auch die falsch-positiven Befunde, wenn also der Frau ein letztendlich unbegründeter Krebsverdacht mitgeteilt wird, der nicht nur beunruhigen und verängstigen kann, sondern auch weitere Diagnosemaßnahmen nach sich zieht, wie etwa – wo allein der Name schon besorgniserregend klingt – die Stanzbiopsie, bei der eine Gewebeprobe aus der Brust entnommen wird.

Laut einer aktuellen US-Studie ist das Risiko für solche Fehlalarme und deren Folgen gar nicht so klein. Ein Forscherteam um den Radiologen Thao-Quyen Ho von der University of California hat rund drei Millionen Screening-Daten von Frauen zwischen 40 und 79 Jahren ausgewertet, und dabei zeigte sich, dass bei rund neun Prozent der Mammographien ein falscher Positiv-Befund attestiert wurde. Über einen Zeitraum von zehn Jahren wurde jede zweite, jährlich gescreente Patientin wegen eines letztendlich unbegründeten Brustkrebsverdachts zur Nachuntersuchung einbestellt.

Diese Zahlen sprechen nicht gerade für die Präzision des Verfahrens. Sie bedeuten aber auch, wie Thao-Quyen Ho betont, dass Patientinnen im Falle eines positiven Befundes nicht beunruhigt sein müssten, wenn sie zur weiteren Bildgebung oder Biopsie zurückgerufen werden. „Denn dabei erweist sich die überwiegende Anzahl der Befunde als gutartig“, so der Radiologe. Sein Tipp: Man sollte die Mammographie nicht als präzises Diagnose-, sondern vielmehr als Hinweis-Instrument sehen, ob man detaillierte Diagnoseverfahren einleitet oder nicht.

Zudem lassen sich Ergebnisse der US-Studie nicht ohne weiteres auf Deutschland übertragen. „Im qualitätsgesicherten deutschen Screeningprogramm gelingt die Minimierung falschpositiver Befunde weitaus besser“, meint Sylvia Heywang-Köbrunner, Leiterin des Referenzzentrums Mammographie in München. Die Falschpositiv-Rate liege hier bei unter drei Prozent, also bei etwa einem Drittel der Werte aus der US-Studie.

Was ist mit anderen Verfahren wie etwa Ultraschall?

Nichtsdestoweniger sollte man nicht den Blick auf erfolgversprechende Alternativen zur Mammographie verlieren. Wie etwa Ultraschall und MRT (Magnetresonanztomografie), die – in Kombination mit der klassischen Mammographie – gerade bei dichtem Brustgewebe die Krebsentdeckungsrate deutlich verbessern können. Allerdings ist MRT relativ teuer, und die Qualität der Ultraschallmethode steht und fällt besonders stark mit der Erfahrung des Untersuchers.

Liebling der meisten Radiologen scheint ohnehin die so genannte Tomosynthese zu sein. Sie durchleuchtet – im Unterschied zur Mammographie, die gewöhnlich nur zwei Ebenen zeigt – mittels einer sich drehenden Röntgenquelle die Brust aus verschiedenen Winkeln, sodass man Schichtaufnahmen erhält, die ein Computer in ein 3D-Bild umwandeln kann. „Die Tomosynthese ist die physikalisch bessere Methode als die Mammographie", sagt Heywang-Köbrunner. „Man bekommt deutlich mehr Informationen." Sie wird daher auch schon von einigen Kliniken und Brustzentren zum Abklären auffälliger Befunde genutzt. Für die Früherkennung ist sie noch nicht zugelassen.

Und wie ist es mit dem guten alten, von der Patientin selbst durchgeführten Abtasten der Brust? Dafür spricht, dass es monatlich durchführbar ist, kein Geld und nur wenig Aufwand kostet und die Frauen für Veränderungen in ihrer Brust sensibilisiert. Andererseits spricht die wissenschaftliche Studienlage nicht dafür, dass es die Sterblichkeitsrate senken hilft. Was auch daran liegt, dass tastbare Tumoren nicht mehr wirklich klein sind. Und dann ist es für eine erfolgversprechende Therapie oft schon zu spät.

Dieser Artikel wurde ursprünglich am 16. November 2022 veröffentlicht. Da er weiter aktuell ist, bieten wir ihn erneut zum Lesen an.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort