Sprechstunde Winfried Neukäter Lidkrampf – das ungewollte Zucken

Der Blepharospasmus wird vom Neurologen behandelt, nicht vom Augenarzt.

Unsere Leserin Anne K. (61) aus Kevelaer fragt: "Ich leide seit Monaten zunehmend unter unwillentlichem Zukneifen beider Augen. Mein Hausarzt meint, es könne sich um einen Lidkrampf handeln, einen Blepharospasmus. Dies sei eine Dystonie. Was ist das, und wie soll der Lidkrampf behandelt werden?"

winfried neukäter Der Begriff der Dystonie beschreibt die Symptome: "Dys"- (fehl-/falsch-) und "Tonie" (Spannung). Sie kommt als sogenannte fokale Dystonie, die nur einen Körperteil betrifft, als generalisierte Dystonie des ganzen Körpers oder als Dystonie bei einer anderen Erkrankung wie dem Morbus Parkinson vor. Bei der Dystonie kommt es zu unwillkürlichen Überbewegungen, die zu großen Einschränkungen im Alltag führen können. Häufig sind die Überbewegungen durch Bewegung selbst ausgelöst. Bei den fokalen Dystonien kommt es auch vor, dass nur bestimmte Bewegungsprogramme, etwa das Schreiben, die Dystonie auslösen, während die gleichen Bewegungen in einem anderen Zusammenhang problemlos funktionieren. Eine Unterform der fokalen Dystonie ist der Blepharospasmus. Hierbei handelt es sich um einen Augenlidkrampf, bei dem sich ein Muskel zeitweilig oder ständig verkrampft und die Augen unwillkürlich zusammenkneifen lässt. Dies kann dabei zu einer Entstellung der Mimik und auch zu Sehbehinderungen führen. Durch emotionale Belastungen, Stress, helles Licht oder auch beim Lesen wird diese Dystonie verstärkt. Sie tritt meist zwischen dem 50. und 70. Lebensjahr auf, wobei Frauen doppelt so oft wie Männer betroffen sind. Die Ursache ist ungeklärt. Man vermutet eine Störung des Dopamin-Stoffwechsels in tiefen Hirnstrukturen, den Basalganglien. Die Diagnose stellt eine neurologische Untersuchung. Dabei schließt der Arzt Augenerkrankungen aus, die mit vermehrtem Blinzeln einhergehen. Wichtig ist die Abgrenzung zur Myasthenie, bei der es zur krankhaft gesteigerten Ermüdbarkeit der Augenmuskulatur kommt, mit Schwierigkeiten, das Augenlid zu heben. Eine Heilung ist noch nicht möglich. Die Botulinumtoxin-Injektion gilt als Therapie der Wahl. Das ist ein Nervengift, das die Erregungsübertragung vom Nerv zum Muskel hemmt. Daraus resultieren Lähmungen der Muskulatur. Dieser Wirkmechanismus ist Basis der Therapie. Je nach Ausprägung wird Botulinumtoxin um das Auge herum, meist an vier Stellen, injiziert. Um Nebenwirkungen zu vermeiden, beginnt der Arzt mit einer niedrigen Dosis. Später passt er nach und nach die Injektionsorte und die Dosis an. Die Injektion sollte alle zwei bis drei Monate wiederholt werden. In den letzten Jahren werden zudem Erfolge in der Behandlung mit Tiefenhirnstimulation berichtet. Dabei werden Elektroden in das Hirn eingesetzt, die über elektrische Impulse das Gleichgewicht hemmender und erregender Hirnstrukturen herstellen sollen. Da es mit dieser Methode noch nicht viel Erfahrung in der Behandlung des Blepharospasmus gibt, sollte man sich in einem Zentrum für Tiefenhirnstimulation beraten lassen.

Winfried Neukäter ist Chefarzt für Neurologie und klinische Neurophysiologie am EVK Wesel.

(RP)
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