Interview Markus Groteguth Mehr Meer auf den Teller

Düsseldorf · Der „Erste Düsseldorfer Gesundheitstag“ will mit Vorträgen und Diskussionen die Vielfalt medizinischer Kompetenz in unserer Region demonstrieren. Ein zentrales Thema: gesunde Ernährung.

Hochwertiges Eiweiß, Jod und wertvolle Omega-3-Fettsäuren stecken in Fischen wie dem Wolfsbarsch.

Hochwertiges Eiweiß, Jod und wertvolle Omega-3-Fettsäuren stecken in Fischen wie dem Wolfsbarsch.

Foto: dpa-tmn/FIZ e.V.

Einer der Hauptvorträge des „Ersten Düsseldorfer Gesundheitstages“ beschäftigt sich mit Defiziten der menschlichen Ernährung. Ihn hält der Meerbuscher Allgemeinmediziner Markus Groteguth, einer der Mitinitiatoren des Tages.

Herr Groteguth, Deutschland habe drei „Ernährungslecks“, sagen Sie. Wie kommen Sie darauf?

Groteguth Wenn man sich die Entwicklung der Bevölkerung und des Wohlstands, aber auch des Ernährungsverhaltens anschaut, darf man sich als Arzt schon Gedanken machen. Und dann beginnt man nachzuforschen.

Das klingt als Prognose nicht gut. Was wäre denn das erste Leck?

Groteguth Der Eisenmangel. 25 Prozent der Weltbevölkerung leiden unter teilweise schwerem Eisenmangel.

Betrifft das auch uns in Deutschland?

Groteguth Ja, es betrifft auch die Industrieländer, aber weniger dramatisch. 20 Prozent der Schwangeren und Kinder sowie vier Prozent der Männer haben einen Eisenmangel.

Die Ursachen sind vermutlich sehr unterschiedlich, oder?

Groteguth Allerdings. Da wäre zum einen die weibliche Menstruation, aber auch andere Blutungen aus zum Teil unbekannten Quellen im Körper. Und es gibt Parasiten und Infektionskrankheiten, die einen Eisenmangel begünstigen. Darüber hinaus gibt es ja auch viele Menschen, die mit dem Essen einfach zu wenig Eisen zu sich nehmen.

Gibt es nicht auch Menschen, die zwar Eisen zu sich nehmen, deren Darm aber nichts weiterverarbeitet?

Groteguth Genau, die leiden unter einer Eisenresorptionsstörung.

Welche Symptome plagen diese Menschen?

Groteguth Es sind Zeichen wie Müdigkeit, Abgeschlagenheit, Konzentrationsmangel, körperliche Leistungsschwäche. Und es können sich Zeichen einer Blutarmut, also einer Anämie, zeigen.

Aber Eisen ist nicht gleich Eisen, oder?

Groteguth Stimmt. Die reduzierte Form des Eisens (Fe2+) kann unser Darm weit besser aufnehmen als die stärker oxidierte (Fe3+). In Fisch und Fleisch ist ein hoher Anteil gut verwertbaren Eisens enthalten, während in Obst und Gemüse mehr schlecht aufnehmbares Eisen vorhanden ist.

Kann man etwas tun, um die Aufnahme zu begünstigen?

Groteguth Ja, dem Eisen kann geholfen werden. Ascorbinsäure, also Vitamin C, fördert die Eisenaufnahme.

Und was mindert sie?

Groteguth Schwarztee, Kaffee, Wein, Soja-, Milch- und Eiprodukte und Phytate, also die sekundäre Pflanzenstoffe der Getreidekleie.

Was kann man tun, wenn einen jene Symptome beeinträchtigen?

Groteguth Der Arzt kann eine Messung des Ferritins und des Hämoglobins im Blut veranlassen. Und wenn ein gravierender Eisenmangel vorliegt, muss man eine Substitution durch Nahrung, eine Nahrungsergänzung oder sogar eine Eiseninfusion per Tropf in Erwägung ziehen.

Und wobei besteht ein Mangel? Was wäre Ihre zweite These?

Groteguth Beim Vitamin D. Fast die Hälfte aller Deutschen haben hier ein Mangelproblem.

Warum? Gehen die Leute zu wenig an die Luft?

Groteguth Nun, die Stubenhocker sind jedenfalls nicht in der Minderzahl. Das sieht man ja auch daran, dass viele Menschen an Übergewicht leiden.

Was kann man tun?

Groteguth Die Vitamin-D-Aufnahme etwa durch fetten Seefisch oder Eier kann man auf jeden Fall steigern, obwohl das nur knapp zehn Prozent ausmacht, aber immerhin. Und dann haben viele, wie wir ja eben gesagt haben, einen UV-B-Mangel, folglich fehlt der dritte Syntheseschritt zu Vitamin D 3 in der Haut. Doch auch Leber- und Nierenschäden könnten die Vitamin-D-Balance aus dem Gleichgewicht bringen.

Wozu führt das?

Groteguth Das Problem der schleichenden Knochenerweichung, Osteopenie und später Osteoporose genannt, dürfte in der Bevölkerung hinlänglich bekannt sein. Man assoziiert einen Vitamin-D-Mangel aber auch mit Bluthochdruck, Diabetes Typ 2, Gefäß- und Krebserkrankungen.

Auch hier würden Sie als Arzt wahrscheinlich Blutmesswerte als Basis der Therapie sehen?

Groteguth Genau, die sind wichtig. Ebenso wichtig ist es, dass man einen Patienten, der per Nahrungsergänzungsmittel den Weg der Selbsttherapie beschreiten will, auf die Gefahr der Überdosierung aufmerksam macht.

Was kann da passieren?

Groteguth Im schlimmsten Fall gibt es eine Vergiftung. Die ist über die körpereigene Vitamin-D-Bildung und die natürliche Ernährung normalerweise nicht möglich, durch übermäßig hohe Einnahmen von Supplementen (Nahrungsergänzungsmitteln) oder einen hohen Konsum an angereicherten Lebensmitteln aber sehr wohl.

Was passiert bei einer solchen Intoxikation?

Groteguth Es kommt zu erhöhten Kalziumspiegeln, einer sogenannten Hyperkalzämie, die zu Übelkeit, Appetitlosigkeit, Bauchkrämpfen, Erbrechen oder in schweren Fällen zu Nierenschädigung, Herzrhythmusstörungen, Bewusstlosigkeit und sogar zum Tod führen können.

Wie lässt sich auf natürliche Weise entgegenwirken?

Groteguth Wichtig ist, dass man zwischen März und Oktober den akuten Bedarf deckt und überdies Vitamin-D-Reserven im Fett- und Muskelgewebe für das Winterhalbjahr anlegt. Man sollte in dieser Zeit zwei- bis dreimal pro Woche Gesicht, Hände und Arme unbedeckt und ohne Sonnenschutz der Sonne aussetzen. Für eine ausreichende Vitamin-D-Synthese reicht, schreibt das Robert-Koch-Institut, bereits die Hälfte der Zeit, in der sonst ungeschützt ein Sonnenbrand entstünde. Hier gilt es aber auch das persönliche Risiko für Hautkrebs zu beachten. Also alles für den Einzelfall nicht ganz leicht.

Klingt sehr einleuchtend. Und was wäre Ernährungsfehler drei?

Groteguth Sie werden es vielleicht ahnen: der Mangel an Omega-3-Fettsäuren.

Die sind überlebenswichtig, wie man weiß. Was können sie genau?

Groteguth Sie reduzieren Entzündungen (als Gegenspieler der Omega-6-Fettsäuren), sie verbessern die Intelligenz von Säuglingen, die Sehkraft von Neugeborenen, sie sind prognoseverbessernd bei ADHS, wirken positiv auf die Funktionsfähigkeit der (Herz-)Muskelzellen, verbessern die Hirnleistung und verzögern die Entwicklung von Demenz.

Nun hört man viele Vorschläge, wie man Omega-3-Fettsäuren am besten zu sich nimmt. Was raten Sie, worin ist besonders viel davon enthalten?

Groteguth Hier geht es vor allem um die Omega-3-Fettsäuren EPA und DHA. In Krillöl oder Fischöl (beim Kaltwasserfisch etwa im Lachs) finden wir sie, für Herz und Gehirn sind sie exzellent. Auch hier sollte der Arzt im Blut die Ausgangswerte bestimmen.

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