Zu resistenten Keimen in Kliniken "Hausärzte verschreiben zu oft Antibiotika"

Düsseldorf · Im Gespräch mit unserer Redaktion erklärt Klaus Pfeffer, Leiter des Instituts für Mikrobiologie und Krankenhaushygiene der Uniklinik Düsseldorf, was Patienten über die vermeintlichen "Killer-Keime" in Kliniken wissen müssen.

Viele besorgte Menschen haben in den vergangenen Tagen in der Düsseldorfer Uniklinik und anderen Kliniken angerufen, nachdem bekannt wurde, dass es in der Uni in den vergangenen Monaten mehrere Fälle von VRE-Bakterien (Vancomycin-resistente Enterokokken) gegeben hat. Trotz der Mitteilung, dass alle Fälle korrekt behandelt worden seien, wollten sie sich erkundigen, ob sie oder ihre Angehörigen sich mit ruhigem Gefühl in die Uniklinik oder andere Krankenhäuser begeben können. Wir befragten dazu den Leiter des Instituts für Medizinische Mikrobiologie und Krankenhaushygiene an der Uniklinik Düsseldorf, Prof. Klaus Pfeffer.

Herr Professor Pfeffer, wie ist Ihnen in diesen Tagen zumute?

Klaus Pfeffer Nicht besonders gut. Die Debatte hat eine Angst vor Krankenhausaufenthalten generell ausgelöst, die unverhältnismäßig ist. Wir haben Anrufe bekommen, ob sich Patienten wegen des "Killer-Keims" überhaupt noch zu uns begeben könnten. Diese Sorge ist zum Glück unbegründet, denn VRE-Bakterien sind keine "Killer-Bakterien", sondern normale Mitbewohner in unserem Darm, die unter besonderen Umständen auch eine Infektion auslösen können. Aber von einer Gefährdung für Patienten hier am Universitätsklinikum konnte zu keiner Sekunde gesprochen werden.

Wie ist die Bedeutung von VRE im gesamten Spektrum kritischer Keime überhaupt einzuschätzen?

Pfeffer VRE beweist eine hohe Resistenz gegen Antibiotika. Vor allem bei Schwerkranken und Tumorpatienten treffen wir den Keim oft an, aber auch bei Gesunden. Normale Patienten mit intaktem Immunsystem haben jedoch kaum Probleme mit VRE, zudem ist er gut therapierbar, wenn er erkannt wird. Wir kennen problematischere Keime, das sehen alle Experten so. VRE ist medizinisch und mikrobiologisch keine große Herausforderung.

Und was macht man mit schwerkranken Patienten, die positiv auf VRE getestet worden sind?

Pfeffer Man behandelt sie mit sogenannten Reserve-Antibiotika, wie wir es in allen Fällen in unserem Haus auch getan haben, und zwar mit Erfolg: Bei keinem der sieben unserer Patienten, um die es geht, konnte nach dem Ende der Behandlung der Keim noch nachgewiesen werden.

Betrifft das auch die beiden Todesfälle von Patienten, die im Lauf ihrer Behandlung in der Uniklinik zwischenzeitlich einmal VRE-positiv getestet waren?

Pfeffer Ja, eindeutig. Wir konnten die Keime bei den Patienten nur in Wundabstrichen feststellen, nie aber im Blutkreislauf. Es ist also zu keinem Zeitpunkt zu einer generalisierten Infektion des Körpers etwa im Sinne einer Sepsis gekommen.

Dieser Frage ist vermutlich auch die Staatsanwaltschaft nachgegangen, die vorgestern die Vorermittlung aufgenommen, aber sie bereits gestern wieder eingestellt hat, weil die Krankenunterlagen offenbar eindeutig waren. Wussten die Angehörigen der Patienten damals von der VRE-Infektion?

Pfeffer Ja, die Angehörigen waren nach meinen Kenntnissen über den Stand der Dinge durch die behandelnden Ärztinnen und Ärzte des Universitätsklinikums stets informiert.

Wie viele Menschen tragen eigentlich resistente Keime in sich?

Pfeffer Hierzu gibt es keine flächendeckenden Untersuchungen in der Bundesrepublik. Wir wissen, dass jeder siebte bis achte Patient, den wir in der Uniklinik aufnehmen, einen multiresistenten Erreger mitbringt; er trägt ihn also bereits am Tag seiner Aufnahme in sich und hat ihn nicht bei uns eingefangen. Deshalb ist das Wort "Krankenhauskeim" auch zunehmend falsch. Viele Menschen leben mit diesen resistenten Bakterien schon lange — und das nicht schlecht, denn Bakterien, auch die resistenten, leisten etwa im Darm lebenswichtige Arbeit, etwa bei der Verdauung und Aufschlüsselung von Nahrung. Im Krankheitsfall können sie aber zu einem Problem werden.

Wie finden Sie es, dass die Uniklinik öffentlich unter Druck gesetzt wird, nur weil sie mit einem Screening erstmals nachgewiesen hat, dass ein Patient einen Keim vermutlich schon über mehrere Monate oder Jahre in sich trug oder dessen Resistenz durch antibiotische Behandlung erworben hat, bevor er zu Ihnen in die Uniklinik kam?

Pfeffer Dieser Druck, der da auf uns als Universitätsklinik ausgeübt wird, ist sehr schwierig. Aber wir nehmen die Sorge der Menschen sehr ernst und beantworten alle Fragen aufrichtig.

Auf welche Weise wird denn ein Keim überhaupt schwierig oder gefährlich, wenn er bislang nur unauffällig im Darm gelebt hat?

Pfeffer Stellen Sie sich vor, der Patient muss mit einem akuten Darmverschluss notoperiert werden. Da kann man nicht warten und erst untersuchen, ob er einen resistenten Darmkeim in sich trägt, sonst stirbt der Patient womöglich. Aber es ist genau diese Notoperation, durch die der friedliche Keim, den der Patient immer schon besaß, in die Bauchhöhle oder den Blutkreislauf gerät und gefährlich werden kann, sofern man ihn nicht mit Reserve-Antibiotika behandelt.

Sind uns die Niederländer, die uns oft als Vorbilder vorgehalten werden, in Sachen Keimabwehr überlegen?

Pfeffer Nur bei den MRSA-Fällen haben die Niederländer eine bessere epidemiologische Situation als Deutschland. Bei allen anderen Keimen herrscht in beiden Ländern eine nahezu identische Situation.

Welche Keime sind denn gefährlicher als VRE?

Pfeffer Nehmen Sie beispielsweise die aus Indien und Pakistan kommenden Keime mit dem NDM-1-Resistenz-Gen. NDM-1 steht für Neu-Delhi-Metallo-Beta-Lactamase, also Bakterien, die nach einer Mutation ihre Resistenz gegen mehrere Antibiotika stark erhöht haben. Wir haben sie hier zum Glück nur sehr selten erlebt, sie sind außerordentlich schwer zu behandeln. Alle gängigen Antibiotika versagen.

Die Debatte schwankt derzeit sozusagen zwischen Hysterie und Hygiene — fast alle haben schon von Klebsiellen, Legionellen oder Pseudomonaden gehört. Stimmt es, dass einige Bakterien per Desinfektion gar nicht zu entfernen sind?

Pfeffer Ja, etwa der ebenfalls sehr problematische Keim Clostridium difficile reagiert auf Desinfektion eher kontraproduktiv, weil er dann Sporen bildet. Da sollte man viel besser gründlich mit Seife reinigen und erst danach desinfizieren.

Resistenzen entstehen auch dadurch, dass Menschen zu viele Breitband-Antibiotika einnehmen, vor allem bei viralen Infekten, bei denen Antibiotika nie helfen. Werden in der deutschen Hausarzt-Praxis zu oft Antibiotika verordnet?

Pfeffer Ja, eine zurückhaltende Antibiotika-Verschreibung wäre aus unserer Sicht etwa bei leichteren und eindeutig viral bedingten Atemwegserkrankungen sehr sinnvoll, weil dann der Druck auf die Bakterien zurückgeht. Bei Virus-Infekten helfen Antibiotika in der Tat niemals, man kann es wirklich nicht oft genug sagen. Hier müsste die Aufklärung der Menschen noch intensiviert werden, damit sie ihre Ärzte nicht unter Druck setzen, ihnen doch ein Antibiotikum zu verschreiben, obwohl sie aus medizinischer Sicht gar keines benötigen.

Wie ist das mit der Verschreibung von Antibiotika in anderen Ländern, etwa in Schweden oder Spanien?

Pfeffer Gute Beispiele. In Schweden sind Hausärzte so stark budgetiert, dass sie Antibiotika nur überaus restriktiv verschreiben. Entsprechend wenig Resistenzen gibt es dort. In Spanien hingegen sind Antibiotika frei verkäuflich, man kann sie in jedem Supermarkt kaufen — dort ist die Resistenz-Situation etwa gegen Penicillin fast unüberschaubar. In anderen südlichen Ländern, etwa Griechenland, ist es ähnlich.

Aber es ist nicht die aktive Antibiotika-Einnahme allein, die Schwierigkeiten bereitet, oder?

Pfeffer In der Tat, viele resistente Bakterien entstehen auch im Bereich der Tierzucht, wo ebenfalls Antibiotika eingesetzt werden, damit Tiere schneller wachsen, insbesondere bei Geflügel, wo der Masterfolg unter Antibiotika etwa 20 bis 30 Prozent höher ist als ohne Antibiotika. Hier müssen EU-Regelungen klar durchgesetzt werden.

(RP)
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