Gesundheit Freundlich macht glücklich
Neue Studien zeigen: Wer anderen zuvorkommend begegnet, lebt deutlich gesünder.
„Meine Philosophie ist Freundlichkeit.“ Wenn der Dalai Lama diesen Satz ausspricht, merkt man, wie überzeugt er davon ist. Doch in Deutschland können das nur wenige von sich sagen. Laut einer Umfrage des statistischen Bundesamtes betrachten lediglich 45 Prozent der Frauen und nicht einmal 30 Prozent der Männer die Freundlichkeit zum Mitmenschen als etwas, das wirklich wichtig für sie ist. Dabei hätte das so viele Vorteile für sie.
Bekommt man in der Döner-Bude mit Freundlichkeit größere Portionen? Die österreichischen Wirtschaftswissenschaftler Michael Kirchler und Stefan Palan sind dieser Frage nachgegangen und haben ihre Studenten zu Kebab-Imbissbuden in Graz, Innsbruck und München geschickt, wo sie insgesamt 800 Döner kauften. Sie sollten ihre Order entweder sachlich-korrekt mit einem kurzen „Bitte“ und „Danke“ oder aber besonders freundlich aufgeben, indem sie dem Budenbesitzer mit „Ihr Döner ist der beste in der Stadt“ und „Bei ihnen schmeckt es mir am besten“ ein besonderes Lob aussprachen.
Es zeigte nicht: Den freundlichen Käufern wurde rund zehn Prozent mehr Fleisch in ihr Fladenbrot gepackt. Als man den Versuch erneut durchführte, diesmal mit dem Kauf von Eistüten an der Gelateria, das gleiche Ergebnis: Der Kunde konnte sich über zehn Prozent mehr Eis freuen, wenn er dem Verkäufer vorher ein freundliches Kompliment unterbreitet hatte. Und für Kirchler steht fest, dass das Prinzip „Der Freundliche bekommt mehr“ auch bei Gehaltsverhandlungen und sogar den Millionengeschäften im Big Business gilt, weil es tief im menschlichen Wesen verankert ist.
„Lob und Anerkennung waren schon unseren frühesten Vorfahren wichtig“, betont Kirchler. „Sie zeugten von einem hohen Status und brachten so Vorteile bei der Ernährung und Fortpflanzung.“ Denn wer es sich leisten kann, seinen Mitmenschen gegenüber großherzig, anerkennend und unterstützend aufzutreten, bekundet damit seine höher gestellte soziale Position – und das bringt ihm Respekt und Entgegenkommen ein.
Freundliche Menschen bekommen also größere Stücke vom Kuchen des Alltags. Damit nicht genug: Sie dürfen auch mit mehr Glück und Gesundheit rechnen. So ließ sich nachweisen, dass bereits spontane Akte der Freundlichkeit den Vagus-Nerv aktivieren, also jenen Teil des Autonomen Nervensystems, der den Körper und die Ausschüttung von Stresshormonen herunterschaltet. Freundlichkeit wirkt also auf ähnliche Weise entspannend wie Yoga oder Autogenes Training.
Die Effekte auf die Lebenszufriedenheit sind ebenfalls beträchtlich. Sonja Lyubomirsky von der University of California stellte ihren Studenten die Aufgabe, wöchentlich fünf willkürliche, aber nicht alltägliche Aktionen der Freundlichkeit durchzuführen. Dabei wurde beispielsweise anerkannt, wenn man einem Grundschüler bei den Hausaufgaben half, einem Obdachlosen einen Hamburger spendierte oder einer alten Dame über die Straße half. Das bloße Bedanken an der Supermarktkasse oder im Restaurant gehörte hingegen nicht dazu.
Nach sechs Wochen zeigte sich: Die freundlichen Aktionen ließen die Testpersonen zu deutlich mehr Wohlbefinden und Zufriedenheit mit ihrem Leben finden. Interessant: Am stärksten war dieser Effekt bei denen, die ihre Freundlichkeitsdosis an einem Tag absolvierten. Was vermutlich an dem hohen „Infektionsgrad“ dieser Strategie liegt. „Sehr viel Freundlichkeit an einem Tag führt dazu, dass sich die positiven Rückmeldungen unserer Mitmenschen besser in unserem Gedächtnis einprägen“, erläutert Lyubomirsky, „und das führt wiederum dazu, dass wir auch an den anderen Tagen etwas mehr Freundlichkeit entwickeln“.
Womit auch schon der Hauptgrund für den Wohlfühl-Effekt der Freundlichkeit genannt ist: Sie stimmt auch unsere Mitmenschen freundlich, so dass wir uns aufgehoben, verstanden und akzeptiert fühlen. Und für den Menschen mit seinen feinen sozialen Antennen ist das extrem wichtig. Nicht umsonst sagte Mark Twain: „Freundlichkeit gegenüber anderen ist eine Sache, die Taube hören und Blinde sehen können.“
Der amerikanische Schriftsteller betonte allerdings auch, dass man schon eine echte, also keine falsche und verlogene Freundlichkeit entwickeln sollte. Diese Einstellung würden wohl die meisten von uns teilen, insofern ja nicht nur Auto- und Versicherungsverkäufer gezielt auf den Nettigkeits-Faktor setzen, um ihre Kunden einzuwickeln. Wissenschaftlich belegen lässt sich diese Authentizitätsforderung jedoch nicht. Im Gegenteil. So kamen sowohl die Komplimente der österreichischen Döner-Testkäufer als auch die fünf guten Wochentaten der US-Studenten nicht von Herzen, sondern man hatte sie ihnen aufgetragen. Doch das Ergebnis war in beiden Fällen positiv. Freundlichkeit muss also nicht ehrlich und authentisch sein; es reicht, wenn die Mitmenschen das glauben.
„Der beste Weg zum freundlichen Menschen besteht darin, einfach nur freundlich zu sein“, weiß Psychologin Sonja Lyubomirsky. Also den Bürgersteig des Nachbaren fegen, den Kollegen nach seinem Baby fragen und einen lange vernachlässigten Freund anrufen, unabhängig davon, ob einem danach zumute ist und ob es der andere Mensch verdient hat. Denn so wie beim Lächeln, das uns nach einer Weile fröhlicher werden lässt, obwohl wir anfangs noch traurig oder gestresst waren, verhält es sich auch bei der Freundlichkeit: Ist sie erst einmal da, ergreift sie auch irgendwann unser Herz.