RP-Sprechstunde Wenn Kinder fliegen

Flugreisen können für Kinder strapaziös sein. Manche Krankheiten erfordern präzise Vorkehrungen. Oft problematisch: der Druckausgleich.

  Unser Autor  Prof. Tim Niehues ist Direktor der Kinderklinik am Helios Klinikum Krefeld.

Unser Autor Prof. Tim Niehues ist Direktor der Kinderklinik am Helios Klinikum Krefeld.

Foto: Endermann, Andreas (end)

Julia F. (32) aus Wesel fragt: „Meine Tochter Luise hatte vor drei Wochen eine Mittelohr­entzündung. Jetzt wollen wir in den Urlaub fliegen. Ist das gefährlich für Luise?“

Tim Niehues Gegen Flugreisen von gesunden Kindern ist grundsätzlich nichts einzuwenden. Als Folge des niedrigeren Luftdrucks in der Flugzeugkabine dehnen sich eingeschlossene Körpergase bis zu 30 Prozent aus (so in den Nasennebenhöhlen und im Mittelohr), besonders schnell beim Steig- und Sinkflug.

Bei Kindern erschweren enge Öffnungen (zwischen Mittelohr und Nasen-Rachenraum) und große Gaumen- oder Rachenmandeln den Druckausgleich. Es besteht ein gewisses Risiko für eine Verletzung durch sich ausdehnendes Gas, etwa eine Trommelfellperforation. Der Druckausgleich kann bei Säuglingen durch Stillen und Trinken aus der Flasche gefördert werden, bei älteren Kindern durch Lutschen von Bonbons, Kaugummikauen, das Valsalva-Manöver (kräftig auszuatmen, während Kind sich die Nase zuhält und den Mund verschließt).

Flugzeugkabinen haben gut gefilterte Belüftungen mit spezieller Zirkulation, die die Gefahr einer Ausbreitung von Erregern über die Luft reduzieren. Die Luft ist aber sauerstoffärmer und sehr trocken, sodass eine ausreichende Trinkmenge für Kinder (100 bis 150 Milliliter pro Stunde) notwendig ist.

Säuglinge haben wenige Tage nach Geburt noch einen veränderten Kreislauf und andere Sauerstoffaufnahme, so dass sie erst ab dem siebten Lebenstag fliegen können. Bei akuten Infektionserkrankungen insbesondere der Atemwege oder ansteckenden Erkrankungen (Masern, Windpocken, offene Tuberkulose) besteht die Gefahr der Verschlimmerung oder Ausbreitung der Erkrankung. Ein Flug ist erst möglich, sobald das Kind fieber- und symptomfrei ist. Bei Reisekrankheit gibt es kein Patentmittel.

Flüge sind für Frühgeborene oder Kinder mit chronischen Erkrankungen des Herzens, der Lunge, des Blutes, der Muskulatur gefährlich. Das Risiko für Komplikationen steigt mit der Länge des Fluges. Vor Antritt des Fluges können an Land Tests gemacht werden (etwa Blutgasbestimmung, Lungenfunktion), an Bord kann Sauerstoff gegeben werden. Kinder mit chronischen Erkrankungen sollten ihre eigenen Notfallmedikamente mit sich führen, Diabetiker Insulin-Messgeräte, Teststreifen, Ausweis in der Landessprache. Kinder mit Thromboseneigung benötigen vor Langstreckenflügen eine Heparinspritze.

Um Stress für Kinder und Eltern zu senken, sollten alle rechtzeitig am Flughafen sein und das Lieblingsspielzeug, Windeln und Unterwäsche zum Wechseln, Feuchttücher und Snacks mitnehmen.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort