Sprechstunde Flokati-Teppich im Darm

Meist hört man nur von Erkrankungen des Dickdarms. Doch auch im Dünndarm kann es zu behandlungswürdigen Krankheiten kommen.

Unser Leser Jürgen F. (50) aus Viersen fragt: "Ich höre so oft von Erkrankungen des Dickdarms, bis hin zu Krebs. Vom Dünndarm hört man nie etwas. Gibt es da keine Krankheiten, oder wozu ist der Dünndarm überhaupt wichtig?"

Walter Frasch So wie wir die Lunge zur Aufnahme von Sauerstoff brauchen, benötigt der Mensch den Dünndarm zur Aufnahme der lebensnotwendigen Nahrungsbestandteile wie Zucker, Eiweiß, Fett und vieler weiterer Stoffe wie Eisen, Vitamine und Spurenelemente. Daneben wird der Großteil unseres Wasserbedarfs in diesem etwa drei bis fünf Meter langen Darmabschnitt aufgenommen. Damit wird klar, warum ein Leben auch ohne Dickdarm möglich ist, ein Verlust von großen Dünndarmteilen jedoch zum Kurzdarmsyndrom führen kann: Dies ist charakterisiert durch ständigen Flüssigkeitsverlust und Gewichtsabnahme.

Die häufigsten Erkrankungen im Praxisalltag sind Infekte mit akuter, aber meist von alleine ausheilender Durchfallproblematik. Keine Erkrankung, jedoch eine bei Nichterkennen störende Problematik ist die Laktoseintoleranz oder das Auftreten von Blähungen und Durchfällen nach größeren Mengen von Fruktose bei einer verminderten Aufnahmekapazität.

Eine für den Betroffenen entscheidende Diagnose ist dagegen der Nachweis einer Sprue, auch Zöliakie genannt. Dabei kommt es bei Zufuhr von Getreideeiweißen zu einer schweren Schädigung der Dünndarmschleimhaut. Deren Oberfläche ähnelt beim Gesunden bei Betrachtung mit einem Videoendoskop einem feinen Frotteestoff. Bei einer Sprue lässt das Bild eher an einen abgetretenen Flokatiteppich denken, bei dem alle Zotten fehlen. So ist dann auch die Funktion schwer beeinträchtigt: Im Kleinkindalter, nach Aufnahme von Getreidenahrung, fällt dann auf, dass die Kinder nicht mehr gedeihen und schwere Mangelzustände entwickeln. Allerdings gibt es immer wieder Fälle, bei denen diese Erkrankung erst im Erwachsenenalter in Erscheinung tritt. Wichtig ist dann eine exakte Diagnose. Durch eine konsequente Kostumstellung kommt es zu einer völligen Ausheilung.

Schwieriger in der Behandlung ist ein Morbus Crohn des Dünndarmes, der meist nicht über Durchfälle in Erscheinung tritt. Durch die chronische Entzündung kommt es bei den Betroffenen zu einer Einengung des Darmsegmentes, was Bauchkrämpfe verursacht. Reicht dabei eine medikamentöse Behandlung nicht aus, wird der Chirurg möglichst sparsam operieren, um jenen Kurzdarm zu vermeiden. Krebserkrankungen des Dünndarmes gibt es, aber sie sind - dies zur Beruhigung - sehr selten.

(RP)