Giftbelastung in Lebensmitteln Wie sinnvoll ist "Bio"?

Düsseldorf · Ein ökologisches Pflanzenstärkungsmittel ist mit Chemikalien durchsetzt. Bio-Eier fallen durch überhöhte Mengen des Umweltgifts PCB auf. Trotzdem wächst der Umsatz mit Öko-Produkten.

Bio-Skandale und ihre Risiken
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Bio-Skandale und ihre Risiken

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Foto: dpa, Andreas Gebert

Vielleicht haben die Polen, die Italiener oder die Schweizer doch einen besseren Geschmackssinn als wir Deutschen oder die vermeintlichen Gourmets aus Frankreich. Jedenfalls konnten sie im Test bei der europaweiten Studie "Ecropolis" ökologisch produzierte Äpfel von denen aus herkömmlichem Anbau am Geschmack unterscheiden.

Bei Keksen und Öl klappte das Sortieren nicht mehr, bei Joghurt und Tomatensauce bevorzugten manche Testesser sogar die industrielle Variante gegenüber dem Öko-Produkt.

Wir Menschen sind demnach wohl nicht in der Lage, allein durch unseren Geschmackssinn Öko-Produkte zu erkennen. Unser sensorisches Empfinden verbessert sich aber, wenn das Produkt ein Öko-Label trägt. Dann können viele Testesser plötzlich Bio auch schmecken. Der wissenschaftliche Wert solcher Studien ist sicher gering, aber sie liefern einen Fingerzeig für unsere Einstellung zu Bio-Lebensmitteln.

Wenn es der Geschmack nicht ist, könnte es die Giftbelastung in herkömmlichem Obst und Gemüse sein, die den Griff ins Öko-Regal rechtfertigt. Tatsächlich schneiden die klassisch angebauten Produkte etwas schlechter ab als ihre Bio-Konkurrenz. Aber der Unterschied ist deutlich geringer geworden, weil die konventionelle Landwirtschaft weniger Pestizide einsetzt.

2010 überschritt nur ein Prozent der gewöhnlichen Produkte die Rückstandshöchstwerte, zwei Jahre zuvor waren es in den Untersuchungen des Bundesverbraucherministeriums noch 1,8 Prozent. Und zur Ehrenrettung der heimischen Bauern muss gesagt werden, dass viele der beanstandeten Produkte ausländischer Herkunft waren. Häufig trifft die Faustregel zu, dass, je weiter die Waren reisen müssen, desto mehr Chemikalien für den Erhalt der Qualität zum Einsatz kommen — aber das gilt nicht immer.

Erinnern wir uns also an die Zahl der Lebensmittelskandale mit Bio-Produkten, die in jüngster Zeit scheinbar zunehmen. Aktuell der Fall mit Reinigungsmitteln verseuchter Kräuter, im April waren es die PCB-belasteten Hühnereier aus biologischen Betrieben, im Mai die offenbar käuflichen Bio-Siegel für Fischfang, Anfang des Jahres wurden resistente Darmbakterien in Bio-Fleisch entdeckt. Davor waren normale Produkte mit falschen Etiketten als Bio-Lebensmittel verkauft worden.

Kriminelle Energie ist offenbar auch diesem Metier nicht fremd. Allerdings stammen die Erkenntnisse über Skandale oft aus der Selbstkontrolle der Bio-Betriebe, die stärker ausgeprägt ist als das Netz der amtlichen Untersuchungen.

Auf der Liste der Warnungen der Verbraucherschutzämter dominieren jedoch die gewöhnlichen Produkte: Im Juni und Juli gab es Salmonellen in Schinken, Teewurst und Gewürzmischungen, Bakterien im Käse und giftige Substanzen in Himbeersahne für Kinder — alles gesundheitsgefährdend. Auch der Gammelfleisch-Skandal mit seinen dramatischen Auswirkungen ist noch gut in Erinnerung.

Jeder einzelne der Skandale untergräbt das Vertrauen zum Lebensmittelproduzenten, das die Käufer von Bio-Produkten sehr häufig als Grund für ihre Kaufentscheidung nennen. Noch wichtiger ist aber ein Impuls aus dem Unterbewusstsein, der den Griff zum teuren Obst und Gemüse unterstützt: Wir tun uns selbst etwas Gutes und fühlen uns moralisch besser — Öko ist oft ein Belohnungskauf, haben Forscher durch Gehirnscans ermittelt.

Die Umweltverbände haben ihre Argumentation für Bio-Produkte in den vergangenen Jahren schleichend neu justiert. Greenpeace sieht die "Landwirtschaft am Scheideweg". Der Kauf von Bio-Produkten soll der Umwelt helfen.

Der Vorwurf: Konventionelle Agrarproduktion ist Ursache für Artensterben bei Obst- und Gemüsesorten und weltweite Umweltzerstörung. Das gilt vor allem für die Fischzucht und die Fleischproduktion mit hohem Antibiotika-Einsatz und wachsendem Flächenverbrauch. Ein Hektar Ackerland reiche, um 30 Menschen mit Nahrung zu versorgen. Wird dort Tierfutter angebaut, würden nur sieben Menschen satt.

(RP/sap)
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