Verdauungsmythen im Check So kommen Magen und Darm gut über die Festtage

Mönchengladbach · Wenn das Festtagsessen auf den Magen drückt, dauert es nicht lange, bis die ersten Ratschläge kommen. Hätte man vielleicht doch besser den Verdauungsschnaps getrunken? Oder vor der Völlerei die Artischockenkapseln geschluckt? Hier lesen Sie, welche Tipps Sie besser ins Reich der Mythen verbannen und was Ihnen hilft.

Das hilft gegen Sodbrennen
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Foto: Shutterstock/Refat

Die Festtagssuppe stellt den Auftakt, die Gans rutscht hinterher und das süße Dessert bildet das Sahnehäubchen des Festtagschmauses. Dann spätestens ist das Gefühl nicht mehr zu verdrängen, jeden Augenblick mitsamt des Sitzmöbels durch die Decke eine Etage tiefer zu krachen. Der Magen strengt sich in maximaler Dehnung an, alles beisammen zu halten. Nun soll eines helfen: der Verdauungsschnaps.

Es drängt sich die Frage auf, ob das Schnäpschen nach dem Essen eine Art überliefertes Hausrezept oder einfach nur ein gern gepflegtes Ritual ist. Um zu beantworten, ob der Absacker förderlich oder hinderlich ist, lohnt es sich, das gute Getränk einmal in seine Einzelheiten zu zerlegen: Sein Hauptbestandteil ist Alkohol. Der an sich hat keinen günstigen Einfluss, denn er verlangsamt den Verdauungsprozess. Wem der Gänsebraten also vorher schwer im Magen lag, der wird ihn nach reichlichem Alkoholgenuss noch länger daran zu arbeiten haben.

Zu diesem Ergebnis kommen auch Schweizer Forscher, die die Wirkung von Wein und Schnaps auf den Verdauungsapparat untersucht haben. Sie servierten 20 Erwachsenen das Nationalgericht Käsefondue und ließen sie unterschiedliche Getränke zu sich nehmen. Ein Teil der Gruppe bekam zum Essen schwarzen Tee gereicht, der andere Teil Wein. Im Anschluss gab es dann für einige noch einen Schnaps oder alternativ Wasser. Das Ergebnis: Je mehr Alkohol, desto heftiger für die Verdauungsprobleme. Am besten fuhren die, die auf Antialkoholisches setzten.

Allerdings entspannt Alkohol nach dem Essen die Magenmuskulatur und sorgt so scheinbar für Entlastung. Forscher erklären die entlastende Wirkung des Absackers zudem mit dem Placeboeffekt.

Ein weiterer Bestandteil vieler Schnäpse sind Kräuter. Die zeigen tatsächlich vorteilhafte Wirkung: "Anisöle, die zum Beispiel in Ouzo, Pastis oder Pernot enthalten sind, wirken sich positiv aus", sagt der Rheydter Gastroenterologe Dr. Arno Theilmeier. Der Grund: Sie enthalten Karminative, die große Luftblasen im Verdauungstrakt in kleine zerlegen und dadurch den Wohlgefühl zurückbringen können.

Kräutertee zum Festtagsschmaus ist aus kulinarischer Perspektive betrachtet ein No-Go. Dennoch sollte man einen Gedanken daran verschwenden, ob man nicht doch danach einen haben mag. Denn laut des Gastroenterologen kann er eine Wohltat für die Verdauung sein. Vor allem dann, wenn er Anis, Fenchel, Kümmel, Koriander oder Kamille enthält. Als Gewürzbeigabe im Essen sorgen sie ebenso wie auch Wacholderbeeren oder Ingwer für Entlastung.

Am wirkungsvollsten sind diese Kräuter, wenn man sie als Essenz zu sich nimmt. In Apotheken und Drogeriemärkten gibt es verschiedene Präparate, die ihre Wirkung tun und bei Völlegefühl, Sodbrennen oder Verdauungsbeschwerden helfen.

Hinter dem Espresso steckt mehr als nur Genuss. Er enthält ebenso wie typische Aperitifs wie Wermut, Sherry oder Campari Bitterstoffe. "Sie unterstützen den Magen", sagt Theilmeier und regen spezielle Zellen der Magenschleimhaut an Säure freizusetzen und so die Verdauung im Magen zu erleichtern. Die in den Getränken enthaltenen Bitterstoffe regen spezielle Zellen in der Magenschleimhaut dazu an, Säure freizusetzen. Diese kann anschließend die Vorverdauung der Speisen vereinfachen. Mit dem Alkohol hat der Effekt nichts zu tun. Ein Espresso habe, was die Bitterstoffe betrifft, im Prinzip dieselbe Wirkung,

Sprudelwasser zum Essen —die blubbernden Kohlensäurebläschen in der Flasche lässt in manchem einen furchtbaren Verdacht aufsteigen, genau sie werde später zu unangenehmen Blähungen führen. Das allerdings darf man getrost ins Reich der Mythen verdammen. Allenfalls kann das Gas zu kurzzeitigem Aufstoßen führen. Während die Flüssigkeit über die Nieren ausgeschieden wird, atmen wir das Kohlendioxid über die Lunge ab.

Nach üppigen Mahlzeiten leidet jeder Dritte unter Sodbrennen. Ein überfüllter Magen führt ebenso wie sehr fettreiche Speisen oder auch stark Gewürztes leicht zu diesen Beschwerden, die durch aufsteigende Magensäure hervorgerufen wird. Auch zu viel Alkohol triggert das Problem. "In 80 Prozent der Fälle steckt dahinter jedoch eine chronische Erkrankung", sagt Theilmeier.

Zu Sodbrennen, auch Reflux genannt, kommt es durch zu hohen Druck auf den Magen oder weil der obere Speiseröhrenschließmuskel ungenügend funktioniert. Dieser Muskel lässt beim Essen wie ein Ventil alle Speisen passieren, soll aber umgekehrt den Rückfluss von Magensäure in die Speiseröhre verhindern. Manchmal aber schließt er nicht richtig und lässt Magensäure zurückfließen. Dieses Problem tritt vor allem bei überfülltem Magen auf. Der produzierten Magensäure fehlt es an Platz und sie fließt nach oben.

"Je süßer man isst, desto mehr Salzsäure bildet der Körper", warnt Theilmeier. Milch hat einen neutralisierenden Effekt auf die Säure. Wer auch ohne säurebindende Medikamente die Nacht überstehen will, der sollte seinen Oberkörper im Bett höher lagern und so die Physik zur Hilfe nehmen.

"Wer gelegentlich unter Sodbrennen leidet, der kann mit Basenpulver etwas entgegensteuern", sagt Gastroenterologe Theilmeier. Allerdings hilft es nicht, wenn man die Essmenge nicht auch über die Feiertage überschaubar hilft. Denn in einem vollen Magen, ist eben auch kein Platz mehr für Magensäure. Von der langfristigen Einnahme von Basenpulvern rät der Arzt ab, da sie das Problem dann eher triggern. Der Körper stellt dann dauerhaft mehr Säure bereit. "Einen ähnlichen Effekt gibt es auch bei Retterspitz zur äußerlichen Anwendung. Der puffert die Säure bei gelegentlicher Einnahme ab. Besser wäre allerdings eine Kräuteressenz", sagt der Rheydter Magenexperte.

"Bei Reizdarmsyndrom oder chronischen Darmerkrankungen wie Colitis Uclerosa haben Probiotika einen Effekt. Sie nutzen ebenfalls nach Anitbiotikagaben", so der Gastroenterologe. In diesen Fällen unterstützen sie eine ausgewogene Bakterienflora im Darm herzustellen. Gegen die Probleme, die Fressorgien nach sich ziehen sind jedoch auch Bakterien machtlos.

Es gibt sie beim Apotheker oder auch in Drogeriemärkten. Artischockenpräparate versprechen die Verdauung auf Trab zu bringen, indem sie die Fettverdauung fördern. "Tatsächlich unterstützen Artischockenpräparate den Gallenfluss in der Leber. Das dient der Fettverdauung", so der Magen-Darm-Spezialist und senkt den Cholesterinspiegel so wie die Blutfettwerte. Wer sich jedoch schlicht und ergreifend überfressen hat, der darf auch hier keine Wunder erwarten. Zwar können sie die Produktion von Gallenflüssigkeit laut Ökotest sogar verdoppeln, doch hilft das nur, wenn ein gestörter Gallenfluss für die Verdauungsbeschwerden verantwortlich ist. Als Tagesdosis gelten dann sechs Gramm des Trockenextrakt.

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Nach opulentem Mahl die Flucht auf die Couch anzutreten, ist eine schlechte Idee. Mit spannendem Ranzen den Körper in die Horizontale zu bringen, provoziert Sodbrennen. Statt dessen empfiehlt Theilmeier genau das Gegenteil: Bewegen Sie sich. Das bringt auch den Darm auf Trab. Die unbequeme Wahrheit vor allen Dingen ist: Vorsorge ist besser als Nachsorge. Genießen Sie also besser in Maßen statt Unpässlichkeit zu riskieren.

(wat)
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