Daten seien wissenschaftlich ungeeignet Mediziner kritisiert Kampagnen gegen Dicke

Frankfurt/Main (RPO). Der Mediziner Gunter Frank wirft Gesundheitspolitikern und Krankenkassen beim Thema Fettleibigkeit Profilierungssucht und Fehlinformation der Bevölkerung vor. "Ich halte die Art und Weise, wie wir zurzeit mit Ernährungsempfehlungen umgehen, für eine vermeidbare Gefahr für die Volksgesundheit."

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Das sagte Frank der Nachrichtenagentur AP. Die Daten, auf denen Bundesregierung und Krankenkassen ihre Kampagnen gegen eine vermeintliche Fettleibigkeits-Epidemie aufbauten, seien wissenschaftlich ungeeignet.

"Ich führe dazu einen Briefverkehr mit den Ministerien und der AOK, der erschreckend ist", sagte der Autor des Buches "Lizenz zum Essen". "Sie können sich heute über die Dicken profilieren - dieser Kampf gegen vermeintlich gesundheitsgefährdendes Übergewicht macht sich eben gut. Und wenn dann jemand kommt und sagt: Stopp, das ist alles ganz anders, und was ihr da macht, das macht die Sache eher schlimmer, dann interessiert das niemanden."

Frank verwies darauf, dass die Bundesregierung ihre Zahlen, denen zufolge zwei Drittel der Männer und die Hälfte der Frauen in Deutschland übergewichtig sind, von der Europäischen Dachorganisation der Adipositas-Gesellschaften, IASO, erhalte, die von Appetitzügler-Herstellern gesponsert sei.

Die IASO weist selbst darauf hin, dass die Daten nur bedingt vergleichbar seien. "Das heißt, das Ganze taugt überhaupt nichts für wissenschaftliche Aussagen. Aber trotzdem nimmt jeder diese Tabelle als Ausgangspunkt."

Bei der Frage, ab wann Übergewicht beginnt, sei "eine willkürliche Grenze gezogen" worden, "die ganz anderen Zwecken dient als unserer Gesundheit", kritisierte der Mediziner. Dies gehe auf eine Lebensversicherung zurück, die mit einer Einteilung in Gewichtsklassen möglichst viele Kunden mit Risikozuschlägen definiert habe.

"Dabei hat aber niemand überprüft, ob die Menschen, die über einem bestimmten BMI liegen, auch tatsächlich kränker sind. Und heute zeigt sich nun, dass diejenigen, die als übergewichtig gelten, erstaunlicherweise die sind, die am längsten leben."

Ernährungstipps nicht allgemeingültig

Der Mediziner verwies darauf, dass es seit jeher unterschiedliche Konstitutionstypen gebe. "Es gibt den Leptosom, den schlanken, hageren Typen, und den Pykniker, der sehr viel Fettgewebe ansetzt. In der Mitte zwischen diesen beiden Extremen sind die meisten Menschen angesiedelt." Alle Zwillings- und Adoptionsstudien zeigten, dass Kinder immer den Genen der Eltern folgten: "Sind beide Eltern mollig, wird auch das Kind mollig sein - und zwar gesund mollig."

Laut Frank gibt es wegen genetischer Unterschiede und verschiedener Lebenssituationen keine allgemeingültigen Ernährungsempfehlungen. Es gebe keine saubere Studie, die zeige, dass Menschen von "irgendwelchen Ernährungspyramiden" profitierten. "Die Rückmeldung des eigenen Körpers ist immer noch das Entscheidende für die Frage, ob ich mich gesund ernähre - und nicht die Meinung einer theoretischen Nährwerttabelle, über die sich die Lebensmittelchemiker ohnehin kaputt lachen."

(AP/rm)
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