Protein-Hype Wer braucht die Extraportion Eiweiß in Lebensmitteln?

Düsseldorf · Es müssen nicht gleich Sportler-Shakes sein: Viele Produkte aus Kühltheken und Supermarktregalen enthalten zusätzlich Protein. Das gilt als gesünder. Stellt sich die Frage: Ist es das auch? Was es mit dem Eiweiß-Hype auf sich hat.

Sportler achten wegen des Muskelaufbaus auf eine eiweißreiche Ernährung mit Milchprodukten, Fisch und Fleisch (Symbolbild).

Sportler achten wegen des Muskelaufbaus auf eine eiweißreiche Ernährung mit Milchprodukten, Fisch und Fleisch (Symbolbild).

Foto: Shutterstock/Evan Lorne

Pudding, Joghurt, Müsli, Eis – und jetzt auch Toastbrot: Der Markt für extra eiweißreiche Produkte wächst. Während früher Kraftsportler und Bodybuilder zu speziell mit Eiweiß angereicherten Riegeln und Shakes griffen, um den Muskelaufbau zu unterstützen, sind inzwischen „High-Protein“-Quark und Joghurtdrinks mit Eiweißzusätzen zum Massenphänomen geworden. Denn sich eiweißreich zu ernähren gilt als gesund und figurschmeichelnd.

Eiweiß ist lebenswichtiger Baustein für Zellen und Gewebe und Transportvehikel für Hormone, Fette und Mineralstoffe. „Es hat bei Verbrauchern oft einen besseren Ruf als Fett oder Kohlenhydrate. Vielleicht weil eine höhere Proteinzufuhr mit einer stärkeren Sättigung und dadurch mit einer größeren Gewichtsreduktion in Verbindung gebracht wird“, sagt Astrid Donalies von der Deutschen Gesellschaft für Ernährung (DGE). Auch Low-Carb-Diäten setzen darum beispielsweise neben der geringen Kohlenhydratzufuhr auf die vermehrte Aufnahme von Protein. Den Erfolg, den das auf die Gewichtsabnahme haben kann, hält jedoch nicht lange an. „Studien zeigen, dass der Effekt bei zunehmender Dauer proteinreicher Ernährung immer geringer wird“, sagt Donalies. Man geht derzeit davon aus, dass er nach drei bis sechs Monaten kleiner wird, beziehungsweise ganz verschwindet.

Gerade Abnehmwillige sollten mit dem Griff zu High-Protein-Produkten vorsichtig sein. Die Stiftung Warentest fand in einem Test von 13 Proteinprodukten heraus, dass diese oft mehr Fett und Kalorien liefern als herkömmliche Produkte. Beispiel Eiweißbrot: Es enthält laut Untersuchung der Warentester 13 bis 24 Prozent mehr Kalorien als ein herkömmliches Vollkornbrot, weil sich in ihnen an sich zwar gesunde Ölsaaten wie Sesam oder Leinsaat befinden. Diese liefern neben Eiweiß auch jede Menge Fett.

Oft stammt das den High-Protein-Milchprodukten zugesetzte Eiweiß aus Molke. Diese fällt bei der Käseherstellung an und galt lange als Abfallprodukt. „Man kann sie an Tiere verfüttern oder zur Düngung nutzen. Oder man verwendet das daraus gewonnene Milcheiweiß in Drinks, Brote, Müsli oder Eis und lässt Verbraucher dafür extra zahlen“, sagt Donalies.

Dabei sei der Konsum von Spezial-Proteinprodukten für gesunde Menschen unnötig. Die notwendige Proteinmenge könne man leicht über eine vollwertige Ernährung mit ganz normalen Lebensmitteln sicherstellen. „Magerquark ist preisgünstiger und liefert ähnlich viel Eiweiß wie proteinangereicherte Milchprodukte“, hält auch die Stiftung Warentest fest. Ohnehin sei die täglich aufgenommene Eiweißmenge bei den meisten deutlich höher als die empfohlene Zufuhr, sagt Donalies.

Durchschnittlich reichen für Erwachsene zwischen 19 und 65 Jahren 0,8 Gramm Protein pro Kilo Körpergewicht am Tag. Nur etwas höher (1 Gramm/Kilo Körpergewicht) liegt der empfohlene Schätzwert für Menschen jenseits der 65. Doch könne auch diese Menge laut DGE über den Verzehr von Natur aus proteinreicher Lebensmittel erreicht werden.

Auch Sportler, die vier- bis fünfmal in der Woche bis zu einer Stunde Sport treiben, benötigen laut DGE nicht mehr Protein. Lediglich bei Leistungssportlern und ambitionierten Freizeitsportlern, die mehr als fünf Stunden pro Woche trainieren, kann eine höhere Eiweißaufnahme nötig werden. Die Menge ist dabei von der Trainingslänge und -intensität abhängig, Viele Fachgesellschaften empfehlen 1,2 bis 2,0 Gramm Protein pro Kilo Körpergewicht am Tag.

Bei gesunden Erwachsenen ist zwar die Aufnahme von viel Protein nach Einschätzung der Experten zunächst nicht gesundheitsschädlich. Doch proteinreiche tierische Lebensmittel, wie fettreiche Fleisch,- Wurst, oder Käsesorten enthalten neben Eiweiß gleichzeitig Fett, Cholesterin und Purine. „Diese können in größerem Maße konsumiert und bei entsprechender Veranlagung zu Krankheiten wie Fettstoffwechselstörungen oder Gicht führen“, sagt Donalies.

Vorsicht sollten jedoch Nierenkranke bei der Eiweißaufnahme walten lassen. Der Grund: Protein besteht aus verschiedenen Aminosäuren, nach deren Abbau im Körper Harnstoff übrig bleibt. Bei hohem Proteinkonsum müssen die Nieren härter arbeiten, um das Plus an Harnstoff zu bewältigen. Vorgeschädigten Nieren kann das laut Studien schaden.

Viele Vorteile bei der Deckung der täglich benötigten Proteinmenge bieten pflanzliche Produkte. Hülsenfrüchte wie Soja, Linsen und Erbsen sollten also nicht nur bei Vegetariern und Veganern regelmäßig auf dem Speiseplan stehen, rät die Ernährungsexpertin. Auch Getreideprodukte wie Brot tragen zur Versorgung mit Protein bei. Daneben außerdem tierische Lebensmittel wie Fleisch, Fisch, Milchprodukte und Eier.

Wer sich so ernährt, beugt zudem einen unangenehmem Nebeneffekt vor. Die Aufnahme großer Mengen an Protein kann zu schlechtem Atem führen. Das ist besonders dann der Fall, wenn man zugleich die Kohlenhydrataufnahme einschränkt. Einer der Gründe: Der Körper geht in einen speziellen Stoffwechselzustand über (Ketose). Dabei werden Stoffe produziert, die einen unangenehmen fruchtigen Geruch abgeben.

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