Kaffee Heißgetränk des Himmels

Kaffee hat die Geschichte der Menschheit verändert, für Geschichten gesorgt, die James Bond alle Ehre machen, und beherrscht seit Jahrhunderten als Handelsgut die Weltwirtschaft – der Auftakt zu unserem Schwerpunkt "Kaffee".

Kaffee: Heißgetränk des Himmels
Foto: dpa

Kaffee hat die Geschichte der Menschheit verändert, für Geschichten gesorgt, die James Bond alle Ehre machen, und beherrscht seit Jahrhunderten als Handelsgut die Weltwirtschaft — der Auftakt zu unserem Schwerpunkt "Kaffee".

Die heiße Tasse wärmt die Hände, während sich der Dampf emporschlängelt und seltsame Formen bildet. Es ist ein Hauch von Geschichte — die in Kaffa im äthiopischen Hochland angefangen haben soll. Irgendwann im 9. Jahrhundert, vielleicht noch früher. Der Ziegenhirte Kalid kam nicht zur Ruhe. Seit seine Tieren von diesem seltsamen Strauch mit weißen Blüten und rote Kirschen genascht hatten, waren sie wie ausgewechselt. Sie sollten längst müde sein, aber sie blieben völlig aufgedreht wach, bis tief in die Nacht, und raubten ihm den Schlaf. Was war mit diesem Strauch? Der Hirte machte den Selbstversuch und probierte die Früchte. Plötzlich raste Energie durch seinen Körper. Er fühlte sich so lebendig wie nie zuvor und war gleichzeitig zutiefst erschrocken. Steckte in dieser Frucht etwas Göttliches? Oder etwas Teuflisches? Auf der Suche nach einer Antwort wand er sich an die Mönche eines nahen Klosters. Sie waren nicht weniger irritiert als er. Ein Strauch mit weißen Blüten und roten Früchten, der Körper und Geist beflügelte? Noch nie hatten sie davon gehört. Sie sammelten die Beeren, die roh alles andere als gut schmeckten und kochten daraus einen Aufguss. Nachdem sie ihn tranken, blieben auch sie bis tief in die Nacht wach, beteten und diskutierten angeregt über diese neue "Kirsche".

So lautet die Legende, die nur eine von vielen ist. In anderen Variationen warf der Hirte die bitteren, fast ungenießbaren Früchte ins Feuer. Der plötzlich einsetzende aromatische Geruch soll die Geburtsstunde der Röstung gewesen sein. Dann wieder war es der sterbenskranke Prophet Mohammed, dem der Erzengel Gabriel eine Schale mit einer dampfenden, heißen, dunklen Flüssigkeit reichte. Mohammed spürte plötzlich neues Leben in sich und wurde schnell gesund: der Kaffee als Geschenk des Himmels.

Mit der Röstung begann der Siegeszug

Die einzige mehr oder weniger verlässliche Spur führt ins 11. Jahrhundert zum Gelehrten Ibn Sina, der das Heilmittel "Bunchum" beschrieb — das überaus belebend wirken sollte. Sehr wahrscheinlich meinte er damit Kaffee, der damals aber ansonsten nicht sonderlich bedeutsam schien — außer für Sklaven. Sie sollen urtümliche "Energieriegel" aus Tierfett vermengt mit zerstoßenen Kaffeebohnen oder übergossen mit Kaffeesud gegessen haben. Das machte es leichter, die Strapazen der langen Märsche zu den Sklavenschiffen in den Häfen zu ertragen und dämpfte den Hunger. Vermutlich ist die Kenntnis von der Frucht so auch in den Jemen gelangt: Bereits im 12. Jahrhundert sollen Händler dort die ersten Pflanzen angebaut haben, weil die Frucht zu schnell verdarb, um aus Äthiopien importiert zu werden. Die "Kirsche" schien indes eher nutzlos zu sein. Aber als exotisches Gewürz war es ein Handelsgut. Auch Geistliche nutzten sie gerne, um länger wach zu bleiben und beten zu können.

Für das Genussmittel fehlte aber noch etwas Wesentliches — bis jemand auf die Idee kam, den Kern der Frucht, die Bohne, zu rösten, sie dann zu zerstampfen, mit heißem Wasser zu übergießen, mehrmals aufzukochen und dann mit Zucker oder Honig zu schlürfen. Der Kaffee, wie wir ihn kennen, war geboren und verbreitete sich mit Mekka- und Medina-Pilgern schnell in der arabischen Welt. Im 15. Jahrhundert wurde die Pflanze im Jemen bereits großflächig angebaut. Die Hafenstadt Mokka entwickelte sich zum Handelszentrum für die Bohne und war ein Namensgeber für das Getränk. Aus Arabien sprang der Genuss dann in das Osmanische Reich über: 1532 wurde Kaffee in Konstantinopel, dem späteren Istanbul genauso getrunken wie in Kairo, Syrien, Persien und dem Rest des Imperiums. Euphorisch wurde er als "Wein des Islam" bezeichnet — als Qahwa auf Arabisch und Kahve auf Türkisch.

Für asketische Fundamentalisten war das Anlass genug, ein Verbot zu fordern: Alleine der Name sage schon aus, dass der Kaffee eine ähnlich anregende Wirkung habe wie der für Moslems verbotene Wein aus vergorenen Trauben. Tatsächlich wurden die Ausschank-Lokale immer wieder geschlossen. Nicht nur aus religiösen Gründen, sondern weil sich dort Gelehrte und Händler trafen, Musik- und Tanzdarbietungen genossen und dabei auch über das Rechts-, Handels- und Gesellschaftssystem diskutierten. Kaffeehäuser waren nicht nur Genussstätten, sondern wurden auch "Schulen der Weisen" genannt, in denen bisweilen gefährliche Ideen für die Herrschenden aufkamen.

Papst Clemens VIII. soll Christen den Kaffee erlaubt haben

Da hatte die Kunde von dem Getränk Europa längst erreicht. Venezianische Händler brachten 1570 die ersten Säcke in die europäische Handelsmetropole, wo Kaffee schnell zum Modegetränk wurde. Die Kirche sah das zunehmend kritischer. Das "Türkengetränk" der Ungläubigen habe auf Christen einen verderblichen Einfluss, waren sich Geistliche in Venedig sicher. Angeblich soll Papst Clemens VIII. sich der Befürchtungen angenommen und den Kaffee selbst probiert haben. Er soll zum Schluss gekommen sein, dass "dieses Getränk des Satans so köstlich ist, dass es eine Schande wäre, ihn nur den Ungläubigen zu überlassen". Vielmehr solle man daraus ein "wahrhaft christliches Getränk machen". Vielleicht ist die Geschichte wahr, vielleicht ist sie nur eine Legende. Tatsächlich aber ließ sich die Nachfrage der Oberschicht mit der Zeit nur schwer über den Import decken. Ein eigener Anbau aber schien kaum möglich. Die jemenitischen Händler achteten streng auf ihr Monopol: Bohnen, die Mokka verließ, wurde meist vorher geröstet oder zumindest mit heißem Wasser übergossen. So wollte man verhindern, dass jemand anders irgendwo eine eigene Plantage aufbauen konnte. Der Inder Baba Budan schaffte es trotzdem, keimfähige Kaffeesamen zu schmuggeln, die er sich um seinen Bauch gebunden hatte.

Der niederländische Händler Pieter van den Broeck brachte 1616 heimlich eine Kaffeepflanze nach Europa und zog sie in einem Gewächshaus groß: Das europäische Klima und die Pflanze vertrugen sich aber nicht ganz so gut. Und nur schleppend war man nicht mehr von Lieferungen aus dem Jemen abhängig. 1645 eröffnete in Venedig das erste Kaffeehaus Europas, 1650 und 1652 folgten Etablissements in Oxford und London, 1659 in Marseille, 1663 in Amsterdam und Den Haag, 1672 in Paris, 1673 in Bremen und 1685 in Wien: Das damals von dem Armenier Johannes Theodat gegründete Haus gibt es noch heute, mittlerweile heißt es Café Daniel Moser. 1688 folgte Edward Lloyd in London dem Trend und gründete ein Kaffeehaus, das als Treffpunkt von Reedern und risikofreudigen Geschäftsleuten die Keimzelle für Schiffsversicherungen und später die Versicherungsbörse Lloyd's of London wurde. Zu der Zeit wurde auch das Trinkgeld in englischen Kaffeehäusern eingeführt. Dort standen Kisten mit der Aufschrift "To Insure Prompt Service" (um eine prompte Bedienung zu gewährleisten) — abgekürzt Tips. So heißen Trinkgelder auf Englisch bis heute.

Europas wohlhabende Gesellschaft hatte den Kaffee für sich entdeckt. Um den steigenden Bedarf zu decken, begannen niederländische Händler ab 1658 mit dem Anbau auf Ceylon, Java, Sumatra, Bali und Timor. Allerdings achteten nun die Niederländer streng auf ihr Monopol. Kaffee war ein teures Getränk der Oberschicht und entsprechend lukrativ der Handel. Die Pflanze war sogar so wertvoll, dass der Bürgermeister von Amsterdam 1714 dem französischen König Ludwig XIV. ein Exemplar aus Java schenkte. Der fühlte sich so geehrt, dass er sie umgehend im königlichen botanischen Garten in einem Gewächshaus unterbringen ließ — damit ihr nichts passierte.

Pflanze aus dem Garten des Königs gestohlen

Der französische Marine-Offizier Gabriel Mathieu de Clieu sah darin eine Chance, das niederländische Monopol zu brechen und selbst in den Handel einzusteigen: mit eigenen Plantagen auf den Karibik-Kolonien. Seine Anfrage 1723 aber, einen Setzling der geschenkten Kaffeepflanze zu erhalten, wurde aus Angst um den Strauch abgelehnt. Der Offizier ließ sich davon indes nicht abhalten: Er brach nachts in den Garten ein, schnitt einen Ableger ab und flüchtete mit einem Schiff in Richtung Martinique. Gegen Piraten, einen missgünstigen Offizier an Bord, heftige Stürme und einer Flaute samt Rationalisierung des Trinkwassers verteidigte und hegte de Clieu die Pflanze — indem er ihr die Hälfte seines Wassers opferte. Er hatte gegen alle Widerstände Erfolg und erreichte Martinique. Der Kaffee gedieh dort gut, und Frankreich profitierte schnell vom Handel. Der König verzieh de Clieu seinen Diebstahl und ernannte ihn zum Gouverneur der Antillen. Bald folgten Kaffeeplantagen auf dem südamerikanischen Festland — beispielsweise in Französisch-Guayana, das an das zu Portugal gehörende Brasilien angrenzte.

Aber auch die Portugiesen wollten nun in den Welthandel einsteigen: 1727 sollte der Offizier Francisco de Melo Palheta als Vertreter einer neutralen Partei den Grenzstreit zwischen den Kaffee-Anbaugebieten Französisch- und Niederländisch-Guayana beilegen. Inoffiziell sollte der Offizier aber aus der französischen Kolonie Kaffeesamen nach Brasilien bringen. Allerdings glichen die Plantagen eher Festungen als landwirtschaftlichen Betrieben. Die Franzosen wollten nicht teilen, hatten aus der Erfahrung mit de Clieu gelernt und hüteten ihren "Schatz". Ein Diebstahl schien kaum möglich. Aber Palheta verließ sich auf seinen Charme, seinen Witz, sein gutes Aussehen und die Frau des französischen Gouverneurs, die er verführte. Zu seinem Abschied schenkte sie ihm in aller Öffentlichkeit einen opulenten Blumenstrauß, in dem sie Kaffeesetzlinge versteckt hatte. Palhetas Mission war erfüllt, Brasilien war ein Kaffeeland und stieg schnell zum Großproduzenten auf.

Das teure Getränk der Oberschicht wurde zum Konsumartikel für die breite Masse — und die Zahl der Anbauländer wuchs: Die Engländer brachten Kaffee nach Jamaika, die Spanier führten ihn auf den Philippinen, in Kuba, Guatemala, Puerto Rico, Venezuela und am Ende des 18. Jahrhunderts in Mexiko und Kolumbien ein. 1750 lag der Weltkaffeeverbrauch bei geschätzten 600.000 Sack, 1850 waren es bereits vier Millionen, 1950 dann 36 Millionen und heute sind es knapp 150 Millionen Sack — mehr als ein Drittel davon stammt aus Brasilien. Der Welthandelsvolumen liegt bei etwa 20 Milliarden Dollar im Jahr. Kaffee ist nach Erdöl heute das zweitwichtigste Handelsgut der Erde. Ein Erfolg, der auch Blut, Schweiß und Tränen gefordert hat: Der massenhafte Anbau in Südamerika war ein Grund für die Versklavung von Afrikanern, die als billige Arbeitskräfte auf den Plantagen Südamerikas schufteten — für Europa und seine Kolonien.

Der Kaffee treibt Revolutionen voran

Dort war das belebende Getränk im 18. Jahrhundert für die breite Masse erschwinglich geworden. Kaffeehäuser wurden "Penny Universities" genannt: Orten, wo man für einen Penny einen Kaffee bekam, Neuigkeiten aus der ganzen Welt hörte und den angeregten Unterhaltungen der Gelehrten, der Künstler und Dichter folgen konnte. Man komme eben klüger raus, als man reingehe, hieß es. Schließlich war es vor allem auch die intellektuelle Elite, die auf das Heißgetränk schwor. Ludwig van Beethoven gab seinem Dienstmädchen die genaue Anweisung, dass er 60 Bohnen am Tag benötigen würde. Keine mehr, keine weniger. Der deutsche Philosoph Immanuel Kant rühmte das Heißgetränk, für das Johann Sebastian Bach eine eigene Kantate komponierte. Aber nicht nur der Geist wurde beflügelt, sondern auch die Staatskasse: Friedrich der Große verbot 1766 die private Einfuhr und den eigenständigen Handel mit Kaffee, der in Preußen immer populärer geworden war. Nur der Staat durfte noch damit handeln und Geld verdienen.

Kaffee erreichte aus Südamerika auch die britischen Kolonien in Nordamerika. Er war billiger als der hoch besteuerte englische Tee. Und anders als Bier oder Cidre benebelte das Heißgetränk nicht die Sinne, sondern gaben dem Geheimbund der "Söhnen der Freiheit" immer neue Energie für ihre langen Diskussionen um die Unabhängigkeit — im "Merchants Coffee House" an der Wall Street in New York oder dem "Green Dragon" in Boston. Wer dort Tee bestellte, war als Anhänger der Krone gebrandmarkt. Nur wer Kaffee orderte, galt als Patriot. Die Häuser waren die Orte, in denen die Ideen der Unabhängigkeit von der britischen Krone entstanden und ausgearbeitet wurden — die am Ende in einen Krieg und die Gründung der USA mündeten.

Auch in Paris wuchs die Zahl der Kaffeehäuser rapide. Um 1780 soll es bereits 800 gegeben haben, in denen sich die Intellektuellen und die Vertreter des aufstrebenden Bürgertums trafen, stritten, konferierten und sich gegenseitig aufwiegelten. Im Café de Foy, wo alle Gäste unabhängig von ihrem gesellschaftlichen Status gleich waren, soll Camille Desmoulins dann eine leidenschaftliche Rede gehalten haben, die zum Sturm auf die Bastille führte. Es war der Beginn der Französischen Revolution — begleitet vom Duft des Kaffees.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema