Essen als Beruhigungsmittel So bekommen Sie Frustessen in den Griff

Düsseldorf · Essen aus Frust, das kennt fast jeder. Doch oft nagt danach das schlechte Gewissen. Warum essen wir eigentlich, wenn wir keinen Hunger haben - und was hilft dagegen?

 Emotionale Esser lösen das Frustessen nicht durch gelegentlichen Verzicht.

Emotionale Esser lösen das Frustessen nicht durch gelegentlichen Verzicht.

Foto: Shutterstock/Rinafoto

Mit der Kollegin kommt der nächste Aktenberg. Mindestens so unüberwindbar wie der Turm neuer Arbeit ist auch das Gefühl, das alles nicht schaffen zu können.

Die bekannte Fluchtreaktion: Ich brauch jetzt erst mal etwas Süßes. Wenn dann die Schokolade im Mund zergeht, ist das eine Wohltat. Ein solches Wohlgefühl kommt gerade recht bei so viel Stress.

Zwei Gründe für Frustessen

Das ist einer der Gründe dafür, warum wir ohne Hunger essen, sagt Buchautorin und Psychotherapeutin Maria Sanchez. Daneben macht sie einen zweiten Grund aus: "Essen ist oft Ersatz für Trost, Entspannung oder Beruhigung." Sie selbst kennt beides.

Die Geschichte vieler Frustesser und der Kampf gegen überschüssige Pfunde ist auch ihre eigene Geschichte. 30 Kilo hat sie damals abgenommen und dabei weniger auf die Waage als auf ihre Psyche geschaut.

Ein Weg, der Frustessern eher fremd ist. Ihr Gedanke dreht sich ständig ums Essen. Der Milkshake als Freund. Der Teller Pasta als Trösterchen. Als emotionales Essen bezeichnen Psychologen die Nahrungsaufnahme, die nicht aus biologischem Hungerempfinden heraus entsteht, sondern mit Emotionen zu tun hat.

Es kompensiert bei manchen das Alleinsein, bei anderen den Stress und beim nächsten den Appetit. Es ist eine kleine Schwäche, die durchaus willensstark, erfolgreich und zielstrebig sein kann. Wenn auch meist das Übergewicht das äußere Zeichen für die emotionale Tröstung ist, kann auch ein schlanker Mensch darunter leiden.

Was wenig hilft, ist der totale Verzicht auf das, was die Seele begehrt. Wer am Salatblatt nagt, statt an der Schokolade, der wird zwar Pfunde verlieren, aber er wird nicht durchhalten. Sobald er sich nicht mehr an seinen Essensplan hält, wird er wieder ins alte Muster zurückfallen, sagt Maria Sanchez.

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Verhaltenstherapie als Hilfe aus der Essfalle

Um aus der Falle Frustessen herauszukommen, empfehlen viele Ernährungsexperten satt dessen eine Verhaltenstherapie. Sie soll den Betroffenen als einer von mehreren Bausteinen dabei helfen, besser mit Stress umzugehen. "Wir müssen achtsamer mit uns umgehen und mehr bei uns selber bleiben", sagt der Düsseldorfer Psychologe Andreas Šoljan.

Durch die falschen Verhaltensweisen sorgen manche dafür, dass ihr Stresslevel immer höher wird, das Essen bekommt Suchtcharakter. In der Psychotherapie kann man lernen, solche Schwachstellen im eigenen Leben aufzuspüren. "Statt einsam zu sein und zu essen, könnte man sich verabreden und miteinander sprechen. Das wäre die angemessene Reaktion, mit der das Grundproblem zu lösen wäre", sagt der Düsseldorfer Psychotherapeut.

Das aber geht Therapeutin Sanchez nicht weit genug. Die wahren Probleme für das Frustessen schlummern ihrer Auffassung nach in der Tiefe. "Vernunft, die ich bei einer Low Carb Diät anschalte, kann verletzte Emotionen nicht heilen", sagt sie. "Der innere Essensdruck ist dann immer noch da. Die Folge: Wenn ich mich nicht kümmere, kümmert sich Snickers."

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Tiefe Verletzungen in der Vergangenheit als Grund für Frustesssen

Häufig greifen diese Mechanismen bei Menschen, die ein hohes emotionales Einfühlungsvermögen haben. "Sie kümmern sich um alle anderen Menschen, nur nicht um sich selbst", sagt die Hamburger Therapeutin. Sich kümmern, damit meint Sanchez, in sich hineinzuhorchen und herauszufinden, woher das emotionale Essen eigentlich rührt.

"Wir haben nicht mit dem Essen angefangen, weil es uns gut ging", sagt sie. Die Suche nach dem persönlichen Grund beginnt mit der Frage: Warum esse ich, obwohl ich keinen Hunger habe? Die Antwort darauf könnte sein: Weil ich mich entspannen möchte. Hier rät Sanchez beispielsweise weiterzufragen: "Warum kann ich mich nicht entspannen?"

Nicht immer kann man solchen Fragen gleich auf der Stelle nachgehen. Da sich Frustessen jedoch nicht durch Verdrängung lösen lässt, empfiehlt die Psychotherapeutin, nach einem stressgetriebenen Naschanfall in Ruhe zu überlegen, was dazu geführt hat.

Schnelle Lösungen sind nicht zu erwarten, sagt Sanchez. In manchen Fällen müssen die Betroffenen weit in ihrer Biografie zurückgehen, um den Auslöser zu finden. Das ist manchmal nur mithilfe eines Psychotherapeuten möglich.

Grundsätzlich gilt: Ab und zu bei Frust oder Stress zu Süßem zu greifen, ist vollkommen normal. Wer aber häufig und auch in größeren Mengen Nervennahrung jeglicher Art verschlingt, der sollte sich Rat einholen und dem Problem auf den Grund gehen.

(wat)
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