Vom klugen Umgang mit Wein und Bier Ein Prosit auf die Gesundheit

Düsseldorf (RP). Wein und Bier, in Maßen genossen, galten früher als Grundnahrungsmittel und als Medikamente. Das beweist ein neues Buch, das eine "Kleine Kulturgeschichte des Alkohols" schreibt. Ein Deutscher trank im 16. Jahrhundert durchschnittlich 1000 Liter Bier pro Jahr.

So wirkt Alkohol auf Erwachsene
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Foto: ddp, ddp

Das Leben im Altertum konnte so unbeschwert sein. Man trank bis zum Dusel oder gleich bis zum Vollrausch, Alkoholika zählten zu den Grundnahrungsmitteln, Wein löste die Zunge und förderte soziale Kontakte — doch irgendwann meldete sich Hippokrates mit einem lästigen Lehrsatz: "Wein ist wunderbar für den Menschen geeignet, wenn er sinnvoll und mit Maß verwandt wird." So war es immer im Leben: Kaum machte eine Sache Spaß, kamen die Spielverderber aus Politik, Kirche oder Medizin und machten auf Maßregelvollzug.

Dass Alkohol in der Menschheitsgeschichte eine multiple Rolle einnahm, zeigt ein neues Buch: "Über die Kunst des rechten Alkoholgenusses — eine kleine Kulturgeschichte des Alkohols" der Soziologin Judith Rosta und des Internisten Manfred Singer, eines bekennenden Weinkenners. Ihrem Gegenstand widmen sie kritische Zuneigung; das Buch ist keine Speerspitze der Enthaltsamkeit. Trotzdem hält es fest, dass Alkohol nicht selten den Ruin auslöst: Mancher verliert erst seinen Job und dann seine Leber, bei manchem ist es umgekehrt. Der volkswirtschaftliche Schaden durch Alkoholmissbrauch lag in Deutschland 2008 bei 24 Milliarden Euro — durch Klinikaufenthalt, Vorbeugung, Forschung, Mortalität, Arbeitsunfähigkeit und Frühberentung.

Rosta und Singer belegen fein bebildert, dass frühere Generationen die Sache gelassener sahen. Bei Germanen, Griechen, Römern oder Ägyptern ging ohne Wein oder Bier nichts. Schon die "Ilias" bot die antike Variante zum kölschen "Drink doch eene mit"; Homer sah es als erwiesen an, dass Wein nützlich war, um Leute kennenzulernen und Zyklopen einzuschläfern. Alkoholika verkamen nicht (wie das Trinkwasser des Altertums), schützten vor Cholera, Branntwein wurde desinfizierende Wirkung zugeschrieben, Aquavit war das "Wasser des Lebens". Die Truppen Caesars hatten stets Wein im Rucksack, das machte sie angeblich immun gegen Infektionen, und noch im Zweiten Weltkrieg wurde italienischen Soldaten täglich Chianti gewährt.

Die Volksmedizin sah in Höherprozentigem lange Zeit viele Vorzüge, wogegen die Schulmedizin bald Gefahren benannte. In der Tat wird manches Krebsleiden am Tropf des Alkohols genährt. Dass Trinker Kranke sind, ist noch nicht in jeden Kopf eingedrungen; wenn ein Delirierender grölt, holt man die Polizei, nicht den Arzt. Übrigens steht der Säufer auf der Standesleiter der Konsumenten ganz unten — er hat viel Billiges sehr schnell getrunken.

Das Problem war und ist: Wo verläuft die Grenze zwischen Genuss und Sucht? Bei den Germanen waren riesige Mengen Bier üblich, es war Hauptspeise wie Brot, und wem es entzogen wurde, der hatte sich etwas zuschulden kommen lassen. Im 16. Jahrhundert waren pro Bürger 1000 Liter Bier pro Jahr üblich. So war deutschem Wesen früh eine Trinkfestigkeit eigen, die nach Ranking und Wettsaufen schrie. Wer bei Gelagen nicht im Vollrausch endete, galt als schlechter Teilnehmer. Jeder konnte die vage Empfehlung des Aristoteles individuell auslegen, welche lautete: "Trinke nicht auf verkehrte Weise, zu verkehrtem Zeitpunkt, an verkehrtem Ort oder aus verkehrten Gründen."

Gelächter ernteten Prediger mit dem Hinweis, nach dem Jüngsten Gericht gebe es keinen Wein mehr. Umso wichtiger, meinten vor allem katholische Zuhörer, zu Lebzeiten ordentlich zu bechern. Zumal die Bibel moderaten Alkoholkonsum nicht verwerflich fand und das Neue Testament theologisch prominent zwischen Weinstock und Reben, Wasser und Blut vermittelte.

Die Moderne ist medizinisch klüger, zeigen Rosta und Singer; Trinkende sind weniger leistungsfähig und oft therapieresistent. Gleichwohl haben Alkoholika in Maßen einen guten Ruf. Guter Wein ist ein Standeszeichen. Die Kneipe ist ein Ort der Freiheit. Urologen loben das Altbier, Kardiologen Rotwein. Und militante Abstinenzler gelten immer noch als Spaßbremsen.

Weitere Informationen unter www.stiftung-alkoholforschung.de

(RP)
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