Bei Angaben auf Lebensmitteln Drei von vier Verbrauchern fühlen sich getäuscht
Berlin · Viele Verbraucher sind mit den Verpackungsangaben auf Lebensmitteln unzufrieden. Oft zu Recht. Viele Angaben sind missverständlich oder unwahr. Doch die Hersteller ändern nichts und die Regierung tut zu wenig.
Das Verhältnis der Verbraucher zu den Lebensmittelherstellern ist von Misstrauen geprägt. "Drei von vier Verbrauchern haben das Gefühl, dass bei Angaben auf Lebensmitteln viel getrickst wird", sagte der Vorstand des Bundesverbands der Verbraucherzentralen, Gerd Billen. Bundesverbraucherschutzministerin Ilse Aigner (CSU) forderte die Hersteller auf, die Hinweise der Verbraucher zu den Produkten aufzunehmen.
Der vzbv stellte anlässlich des zweijährigen Bestehens des Internetportals www.lebensmittelklarheit.de neueste Zahlen zur Konsumentenzufriedenheit vor. Über das Portal können Verbraucher ihre Fragen oder Kritik bezüglich bestimmter Lebensmittel kommunizieren. Die Beziehung zwischen Verbrauchern und Herstellern verglich Verbraucherschützer Billen mit einer "zerrütteten Ehe". Laut vzbv gingen in den vergangenen zwei Jahren insgesamt 7300 Meldungen zu konkreten Produkten ein. Zudem stellten Verbraucher etwa 3700 allgemeinere Anfragen an das Expertenforum der Verbraucherzentralen. Rund 360 der Produktmeldungen wurden auf lebensmittelklarheit.de veröffentlicht.
Nur ein Drittel der Hersteller reagiert
Die wichtigsten Themen der Verbraucher waren die Zutaten oder Zusatzstoffe in den Lebensmitteln, gefolgt vom Erscheinungsbild und der Kennzeichnung des Lebensmittels. In rund 110 der 360 Fälle überzeugten die Verbraucherzentralen die Hersteller, die beanstandeten Angaben zu ändern. Insgesamt zog die Verbraucherzentrale eine kritische Bilanz: "Mit einer Änderungsquote von 30 Prozent sind wir nicht zufrieden", sagte Billen. Der vzbv sah neben den Herstellern auch die Politik verpflichtet, sich stärker um die Belange der Verbraucher zu kümmern: "Die Bundesregierung muss sicherstellen, dass Herkunft und Hersteller eines Produkts explizit benannt werden", sagte Billen.
Bezeichnungen wie "heimische Früchte" seien nicht klar definiert. Auch beim Tierschutz und bei der Nachhaltigkeit hätten die Verbraucher heute höhere Anforderungen als noch vor 20 Jahren. Darüber hinaus müssten Gesetze wie die Käseverordnung oder die Bierverordnung vom Bund überarbeitet werden, weil sie veraltet seien. Als Beispiel gab Billen die unklare Regelung bezüglich des Produkts "alkoholfreies Bier". Bei einigen Herstellern habe dieses null Alkohol, bei anderen 0,5 Prozent.
Aigner tut zu wenig
Bundesverbraucherschutzministerin Ilse Aigner (CSU) forderte die Lebensmittel-Hersteller auf, die Anregungen der Verbraucher aufzunehmen. "Den Kunden zuzuhören, lohnt sich für die Hersteller", erklärte sie am Donnerstag. Die Verbraucher hätten einen Anspruch "auf klare und wahre Kennzeichnung". Täuschung und Irreführung seien verboten. Die Verbraucherorganisation Foodwatch kritisierte Aigner als zu passiv. Zwar habe das Ministerium das Verbraucherschutz-Portal gefördert, doch der Aufforderung, einige Gesetze zu ändern, sei Aigner nicht gefolgt. "Getan hat sie praktisch nichts", erklärte Oliver Huizinga, Experte für Lebensmittel-Werbung bei Foodwatch. Es reiche nicht, wenn "von ein paar hundert Produkten auf dem Portal einige ehrlicher" würden. Ziel sei der "effektive Schutz vor Täuschung für alle hunderttausend Lebensmittel in den Supermärkten".