Diät-Hype aus den USA Macht grüner Kaffee wirklich schlank?

Düsseldorf · Ungeröstete Kaffeebohnen enthalten Wirkstoffe, die beim Abnehmen helfen können. In hoher Dosis täglich eingenommen, soll ein Extrakt nach nur wenigen Wochen das Körpergewicht merklich schmelzen lassen. Wir haben uns angeschaut, ob die grünen Bohnen wirklich etwas können.

 Ein halbes Kilo pro Woche lautet der magere Erfolg, der sich mit den grünen Bohnen erzielen lassen soll.

Ein halbes Kilo pro Woche lautet der magere Erfolg, der sich mit den grünen Bohnen erzielen lassen soll.

Foto: Shutterstock/Africa Studio

Eine Wunderpille verspricht ein neues Wohlfühlgewicht. Gefüllt ist sie mit dem Extrakt ungerösteter, grüner Kaffeebohnen. Zu bitter, um es in flüssiger Form zu sich nehmen zu können. Mit der Kapsel, die es mit unterschiedlicher Dosierung gibt, ist das aber kein Problem. Sie flutscht dreimal täglich vor den Mahlzeiten genommen leicht durch den Hals.

Dann soll sich das Wunder am Körper vollziehen. Ganz ohne Ernährungsumstellung soll der Schlankheitstraum in Erfüllung gehen. In moderater Geschwindigkeit: ein halbes Kilo pro Woche, so versprechen es die Studienautoren der University of Scranton um Dr. Joe Vinson. Sie hatten in einer Doppelblind-Studie 16 übergewichtige Patienten 22 Wochen lang mit Kapseln versorgt, die 1050 Milligramm Extrakt grüner, ungerösteter Kaffeebohnen enthielten. Eine weitere Gruppe erhielt Pillen, die randvoll waren mit 700 Milligramm des Konzentrats und eine weitere Versuchsgruppe schlickte Placebos, ohne es zu wissen.

Ganze fünfeinhalb Monate später feierten die Wissenschaftler den Erfolg der grünen Kaffeebohne, denn die Probanden, die das Extrakt eingenommen hatten, hatten trotz der Aufnahme von täglich 2400 Kilokalorien an Gewicht verloren. Acht Kilo waren es bei der Gruppe, die die höchste Dosierung genommen hatte. Damit verbesserten sie ihren Body-Mass-Index um satte drei Punkte. Sechs von ihnen erreichten sogar ihr Normalgewicht.

Die Säure mit der Zauberformel für den Darm

Der gewichtsreduzierende Effekt wird vermutlich auf einen besonderen Inhaltsstoff zurückgeführt, den nur grüne Kaffeebohnen enthalten: Chlorogensäure. Beim Röstvorgang zum dunklen Kaffee wird diese Säure fast vollkommen zerstört, weshalb der fast schwarze Sud ohne Zauberformel daher kommt. In der ungerösteten Variante sorgt die Bohne hingegen für eine besondere Wirkung im Darm: dort soll sie die Aufnahme von Glukose, also Zucker, hemmen oder möglicherweise ganz verhindern. Ähnliches vermutet Chemiker Dr. Joe Vinson auch in Sachen Fettaufnahme, wie er in einer Pressekonferenz der American Chemical Society zu verstehen gibt.

Diese Annahme wird durch eine Tierstudie unterstrichen. In ihr bekamen Mäuse den für die Gewichtsreduktion ursächlichen Stoff Chlorogensäure in hoher Konzentration zugeführt. Er sorgte dafür, dass Enzyme, die normalerweise Zucker und Fette so umwandeln, dass der Körper sie verwerten kann, blockiert werden. Somit können die beiden für eigene Silouhette unliebsamen Stoffe dem Körper nichts mehr anhaben.

Von des Chemikers Mund in die Fernseh-Show

Die bahnbrechende Botschaft, die Vinson auf der Jahrestagung der American Chemical Society kund tat, nahm in den USA schnell ihren Lauf und landete damit auch in der Show des Fernseharztes Dr. Mehmet Oz. Der füllte mit der Kaffeepille eine komplette Sendung und ließ 100 weibliche Studiogäste in einer eigenen Untersuchung testen, was der grüne Kaffee zu leisten vermag. Zwei Wochen schluckten auch sie das Naturpräparat, führten dazu parallel ein Ernährungstagebuch und traten danach ein Kilogramm leichter auf die Waage.

Datenmanipulation und Einflussnahme

Überzeugend aber sind alle angestellten Bemühungen rund um das Phänomen der grünen Wunderbohne nicht. Kritiker bemängeln, dass bei die Zahl der Probanden allerdings mit nicht mal zwanzig Leuten arg mikrig sei und damit keine großen Rückschlüsse zulasse. Amerikanische Behörden brachten das Ergebnis Ende 2014 durch ihre Feststellung vollkommen ins Wanken, "dass wichtige Daten einschließlich der Gewichtsmessung der Teilnehmer verändert wurden". Zudem sei die Studie durch die Firma Applied Food Science gesponsert worden, um damit falsche Werbung zu betreiben. Die Federal Trade Commission reichte deshalb Strafanzeige gegen das Unternehmen ein, berichtet der Nachrichtensender "CBS News".

Neben der offensichtlich gefälschten Untersuchung reihen sich weitere kleine ein, die sich des Abnehm-Phänomens annehmen. Sie mögen einen Hinweis geben, doch ein belastbares Studienergebnis sieht anders aus. Eine Vergleichsstudie, die fünf kleine Untersuchungen auswertet, stellt die methodisch schlechte Qualität heraus, mit der diese erfolgt seien.

Was Kritiker monieren

Auch eine Fernsehuntersuchung mit hundert aus dem Studio rekrutierten Probanden mag von Wissenschaftlichkeit weit entfernt sein. Zudem erscheint eine Abnahme von einem halben Kilogramm Körpergewicht pro Woche als so überschaubar, dass sie kaum einen Hype auslösen dürfte. Bemängelt wird an diesem Ergebnis zudem, dass die Gewichtsreduktion womöglich auch allein durch das Führen eines Ernährungstagesbuches herbeigezaubert war. Denn wer alles notiert, was er in sich hineinschiebt, der mag kritischer sein als der, dem die Gegenkontrolle fehlt. Andere bekannte Abnehmkonzepte wie auch Weight-Watchers arbeiten ähnlich.

Vollkommen unbeachtet bleiben daneben auch die Nebenwirkungen, die hochkonzentriertes Kaffeeextrakt haben kann. Wie auch gerösteter Kaffee enthält es Koffein, das in hoher Dosierung zu Nervosität, Unruhe, Schlaflosigkeit und steigendem Blutdruck führt. Chlorogensäure ist, dem Namen nach ableitbar eine Säure. Magenempfindliche Menschen wählen darum besonders milde Kaffees, die säurearm sind. Den gegenteiligen Effekt hat das Kaffeeextrakt aus grünen Bohnen, denn in ihnen steckt noch deutlich mehr des magenverstimmenden Inhaltsstoffs.

Bleibt der magere Rest: Es gibt dünne Hinweise darauf, dass sich mit dem Extrakt der grünen Bohnen ein "Gewichtsverlust fördern" lässt, halten die Autoren der Übersichtsstudie fest. Nicht mehr und nicht weniger. Ob es genug ist, um in das teure in Dosen abgefüllte Pulver oder entsprechende Wirkstoffpillen zu investieren, muss jeder selbst für sich entscheiden.

(wat)
Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort