Sprechstunde Aneurysma im Gehirn

Düsseldorf · Gefäßaussackungen kann es auch im Gehirn geben. Spezialisierte Radiologen und Chirurgen wissen, ob und wie sie behandelt werden müssen.

  Unser Autor  Bernd Turowski ist Professor für Neuroradiologie am Universitätsklinikum Düsseldorf.

Unser Autor Bernd Turowski ist Professor für Neuroradiologie am Universitätsklinikum Düsseldorf.

Foto: UKD

Renate P. (50) aus Viersen fragt: „Bei mir wurde zufällig eine Gefäßaussackung am Gehirn gefunden – und jetzt?“

Bernd Turowski Eine solche Gefäßaussackung wird „Aneurysma“ genannt. Dank verbesserter moderner Diagnostik werden Aneurysmen häufiger zufällig gefunden.

Man geht davon aus, dass mindestens zwei Prozent aller Menschen ein Aneurysma haben. Aber Aneurysma ist nicht gleich Aneurysma. Wir wissen: Ein Aneurysma kann platzen – meist sind zufällig entdeckte Aneurysmen aber stabil. Ein Aneurysma, das man zufällig findet, besteht vermutlich schon sehr lange und wird auch in Zukunft unverändert bleiben. Das Risiko einer unmittelbaren Aneurysma-Behandlung könnte größer sein als das vom Aneurysma ausgehende Risiko. Grundsätzlich sollte man aber Risikofaktoren für Aneurysmen minimieren. Dazu gehört: Bluthochdruck behandeln und nicht rauchen.

Wie weiß man nun, ob ein Aneurysma zu der Mehrheit der harmlosen Nebenbefunde gehört oder ob ein Risiko für die Zukunft besteht? Es gibt Kriterien, die es Spezialisten erlauben, das Risiko einzuschätzen. Kriterien sind neben Größe, Form, Lokalisation, Entzündungen der Gefäßwand und Formänderungen des Aneurysmas auch Lebensalter, Begleiterkrankungen und Erkrankungen von nahen Verwandten. Daher sollte jedes zufällig entdeckte Aneurysma in einer interdisziplinären Abteilung aus Neuroradiologen und Neurochirurgen vorgestellt werden. Hier erfolgt die Beratung: Ist das Aneurysma harmlos und wird nur in längerfristigen Abständen beobachtet, oder ist eine Behandlung zu empfehlen?

Das Risiko (= verbleibende Lebensjahre mal jährliches Risiko in Prozent), dass ein Aneurysma im Laufe des Lebens platzt, ist bei jungen Menschen größer als bei älteren Menschen. Eine genaue Abwägung ist nötig, da das Behandlungsrisiko insbesondere durch Begleiterkrankungen und Gefäßveränderungen im höheren Alter unverhältnismäßig nsteigt, während das Lebenszeitrisiko des Aneurysmas sinkt.

Wird eine Therapieempfehlung ausgesprochen, gilt die Versorgung von einem spezialisierten interdisziplinären Team als Standard. Nur in diesem Team kann zuverlässig gemeinsam die sicherste Behandlungsmethode für jeden einzelnen Patienten abgewogen werden. Heute steht zwar der neuroradiologische Aneurysmaverschluss über einen Gefäßkatheter („Coiling“) im Vordergrund, aber auch die neurochirurgische Operation („Clipping“) hat einen wichtigen Stellenwert.

Ein zufällig entdecktes Aneurysma ist also ein Anlass zur Beratung, doch kein Anlass zu Panik.

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