Projekt am Universitätsklinikum Düsseldorf Klimaschutz bei der OP-Narkose

An der Uniklinik Düsseldorf fangen Anästhesisten Narkosegase auf und recyceln sie. Dieses Pilotprojekt soll den Treibhauseffekt verringern.

 Die Anästhesisten Andrea Gabriel und Peter Kienbaum mit dem Auffangbehälter für Narkosegase im Universitätsklinikum Düsseldorf.

Die Anästhesisten Andrea Gabriel und Peter Kienbaum mit dem Auffangbehälter für Narkosegase im Universitätsklinikum Düsseldorf.

Foto: UKD

Zu den banal anmutenden, aber in Wahrheit wirkungsvollen Stufen des Fortschritts zählt es, dass man bei manchen Uhrwerken den Minutenzeiger drehen muss, um den Stundenzeiger zu bewegen. Motto: Es sind kleine Schritte, die auf Dauer die Welt weiterbringen.

Diese Theorie, das Große durch das Kleine zu bewegen, hatte auch Professor Peter Kienbaum vor Augen. Der Anästhesist am Düsseldorfer Universitätsklinikum (UKD) denkt schon seit Jahren darüber nach, wie schädlich Narkosegase für unsere Umwelt sind. Denn wenn sie an die Außenluft abgeführt werden, sind sie treibhausrelevant. Bislang ist es in den allermeisten Krankenhäusern üblich, Narkosegase (sogenannte volatile Anästhetika) die vom Patienten während einer Operation ausgeatmet werden, direkt am Narkosegerät abzusaugen und an die Außenluft abzugeben.

Diese für die Narkose eingesetzten Anästhetika sind langlebige halogenierte Kohlenwasserstoffe. Zu dieser Gruppe gehören Desfluran, Sevofluran und Isofluran. Kienbaum: „Solche Fluorchlorkohlenwasserstoffe, die wir kurz FCKW nennen, kennt man aus Kühlschränken oder von Treibmitteln in Sprühdosen. Von ihnen weiß man schon sehr lange, dass sie infrarote Strahlung absorbieren, eine relativ lange atmosphärische Lebensdauer haben und dadurch zur Erderwärmung beitragen. Das befördert dann den gefährlichen Treibhauseffekt.“

Als einem der ersten Universitätskliniken in Europa ist es einem Team am UKD unter Kienbaums Leitung gelungen, diesen Übertritt der Gase an die Außenluft zu reduzieren – sie werden während der Narkose aufgefangen und für eine Aufbereitung vorbereitet. Kienbaum und sein Team der Klinik für Anästhesiologie erproben im Rahmen eines Pilotprojekts ein Kreislaufsystem, bei dem die Anästhetika wiederverwendet werden sollen.

Wie läuft das ab? Die während einer Narkose ausgeatmeten Narkosegase werden über einen direkt mit dem Narkosegerät verbundenen Aktivkohle-Absorber aufgefangen und aufbewahrt. Der technische Aufwand dafür ist überraschend gering. Im nächsten Schritt werden die Absorber gesammelt und von deren Hersteller aufbereitet. Dabei behalten, sagt Kienbaum, „die Narkosegase ihre volle Wirksamkeit und Qualität, so dass sie bei weiteren Patienten sicher eingesetzt werden können. Das erhöht die Nachhaltigkeit.“

Wie fing das an? Wie begann Kienbaum sein Projekt? „Ich habe mich, als ich über das Prinzip nachgedacht habe, mit einer Pharmafirma zusammengesetzt, da das Absorbersystem in der Intensivmedizin schon seit Jahren eingesetzt wird. Gemeinsam haben wir überlegt: Wie können wir es bei Operationen im UKD nutzen?“, berichtet Kienbaum. „Das war natürlich nicht von heute auf morgen zu leisten, denn es wurden zwei Medizinprodukte miteinander verbunden, das erforderte eine Risikobewertung, bei der auch unsere Medizintechniker ins Boot geholt werden mussten.“

Früh haben alle Beteiligten erkannt, dass jeder einen Beitrag zum Klimaschutz leisten kann und dass auch kleine Beiträge im Gesamtpaket eine Rolle spielen. Und Firmen, die Anästhetika herstellen, müssten sich, so Kienbaum, ja auch Gedanken zu deren nachhaltiger Entsorgung machen. Natürlich hat Kienbaum mehrere Szenarien durchgespielt – und auch dem Gedanken nachgehangen, dass man die Gase zentral auf dem Dach der Klinik auffängt, wenn sie das Haus verlassen. Doch die Absorption direkt im Operationssaal war effektiver und leichter zu bewerkstelligen.

So kam es im vergangenen Jahr dazu, dass die Narkosegase-Absorber zunächst in den Operationssälen der Urologie installiert wurden. „Momentan sind es fünf OP-Säle, weil wir langsam Erfahrungen sammeln und die Daten wissenschaftlich auswerten wollen. Natürlich interessiert uns auch die Frage, wie effektiv das Auffangen der Gase funktioniert.“ Das tut es bislang sehr gut – und wenn Kienbaum gefragt wird, was denn in der kleinen Dose ist, die über den Schlauch die Gase sammelt, antwortet er: „Darin ist die Aktivkohle. Sieht aus wie Katzenstreu.“ Eine Dose mit Aktivkohle-Absorber kann übrigens für mehrere Wochen reichen. Für die Beschaffung neuer Absorber arbeiten die Anästhesiologen dann mit der Krankenhausapotheke zusammen.

In welchen Größenordnungen bewegt man sich, wie groß ist der Effekt wirklich? Nun, der Anteil der Narkosegase am weltweiten Treibhauseffekt beträgt nach aktuellen Berechnungen 0,08 Prozent. Kienbaum: „Das scheint wenig, aber wer die kleinen Mengen verachtet, wird auch in der Summe nichts oder nur wenig verändern.“ Ohnedies verursacht der Gesundheitssektor weltweit etwa 4,4 Prozent des globalen CO2-Fußabdrucks durch Energie, Narkosegase, Sach- und Verbrauchsmaterialien sowie Abfall. Von den klimaschädlichen Emissionen eines Operationsbereiches im Krankenhaus können etwa 50 Prozent auf Narkosegase entfallen, wie eine kanadische Untersuchung zeigt. Das laufende Pilotprojekt am UKD will weitere Aspekte dazu erforschen.

Mit den bisherigen Ergebnissen ist Kienbaum sehr zufrieden: „Je nach Patient und Dauer des operativen Eingriffs können unter günstigen Bedingungen knapp 50 Prozent des eingesetzten volatilen Anästhetikums solch einer Wiederverwendung zugeführt werden. Durch die klimafreundlichere Narkose bleibt Anästhesisten das gesamte Arzneimittelspektrum für die sichere und patientenschonende Durchführung von Anästhesien auch künftig erhalten, ohne auf den Klimaschutz verzichten zu müssen.“

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