Hochschule Warum ich Hausarzt werde – trotz Corona

Düsseldorf · Der Facharzt für Allgemeinmedizin kennt seine Patienten oft sehr gut. Für sie ist er Lotse durch den vielfältigen Medizinbereich.

 Medizin-Student Lucas Küppers.

Medizin-Student Lucas Küppers.

Foto: Krebs, Andreas (kan)

Ich erinnere mich noch gut an den Kindheitstag, an dem ich einmal zu unserem Hausarzt musste, der damals meine gesamte Familie betreut hat. Auf seinem Praxisschild stand „Facharzt für Allgemeinmedizin“, und ich sagte zu meiner Mutter: „Wenn man Allgemeinmedizin macht, muss man doch ein guter Arzt sein, weil man dann alle Krankheiten behandeln kann.“

Alles zu können, ist eine Vorstellung, von der man sich wahrscheinlich gerade als Mediziner schnell verabschieden muss. Die schiere Masse an Wissen, welche sich durch die stetige medizinische Weiterentwicklung potenziert, rechtfertigt sicherlich die zunehmende Spezialisierung von Ärzten in vielfältige Fachdisziplinen. Während des Medizinstudiums habe ich es als spannend empfunden, in viele verschiedene Fachrichtungen zu schauen und einen Überblick über die Medizin zu bekommen.

Es war allerdings während meines letzten Studienabschnittes, dem sogenannten praktischen Jahr, auch PJ genannt, in dem ich meine Zukunft eher in einer Hausarztpraxis als in einer Klinik gesehen habe. Bei der Arbeit im Krankenhaus fehlte mir oft der persönliche Bezug zu den Patienten. Nach einer stationären Liegezeit und der Entlassung des Patienten war man natürlich froh, dass ihm geholfen wurde und es ihm besser ging. Oft hat man den Patienten danach aber nie wiedergesehen. Ich erinnerte mich dann an die Praktika, die ich während meines Studiums in verschiedenen Hausarztpraxen absolviert hatte. Dort erlebte ich eine große Vertrautheit zwischen Arzt und Patient. Zudem machte sich auch die Selbstbestimmung der niedergelassenen Hausärzte bemerkbar. Sie waren in der Lage, sich ihr Arbeitsumfeld in vielerlei Hinsicht selbst zu gestalten. In einer der Praxen war eine nachmittägliche Kaffeestunde des gesamten Personals sozusagen Pflichtprogramm – im normalen Krankenhausalltag in dieser Form undenkbar.

Der Allgemeinmediziner von heute, so denke ich, ist ein Arzt, der einen fundierten Überblick über verschiedene Fachdisziplinen hat. Der Hausarzt ist und bleibt für die meisten Menschen der erste Ansprechpartner in gesundheitlichen Fragen und achtet auf Symptome, die ein Warnhinweis auf eine ernstere Erkrankung sein könnten. Auch in besonderen Situationen, wie der aktuellen Covid-19-Pandemie, bleiben Hausärzte oftmals eine der wichtigsten Bezugspersonen für Patienten innerhalb des Gesundheitswesens.

In solchen Fällen müssen Hausärzte, neben der regulären medizinischen Versorgung der Bevölkerung, auch die am Coronavirus erkrankten Patienten betreuen, indem sie beispielsweise in regelmäßigem telefonischen Kontakt mit häuslich isolierten Patienten stehen. Sie müssen dann einschätzen, welche Patienten zu Hause genesen können und welche Patienten aufgrund ihres Zustandes eine Behandlung im Krankenhaus benötigen. Allerdings ist die berufliche Situation vieler Hausärzte derzeit etwa wegen fehlender Schutzkleidung und Masken und der erhöhten Ansteckungsgefahr alles andere als angenehm.

Die meisten Patienten sind ihrem Hausarzt durch die oft jahrelange Betreuung meistens gut bekannt, sodass er schnell merkt, wenn mal etwas mit ihnen nicht stimmt. Er weiß, wann er seine Patienten mit eigenem Wissen behandeln kann und wann er sie besser an einen Spezialisten weiterüberweisen sollte. Dann übernimmt er oft die Funktion eines Patientenmanagers, da bei ihm alle Befunde von verschiedenen Fachärzten und Krankenhäusern zusammenlaufen. Selten sind medizinisches Fachwissen, psychologische Aspekte und soziologische Elemente so eng verwoben wie im Alltag einer Hausarztpraxis. Man wird dort mit den Alltagsnöten der Patienten konfrontiert, die oftmals nicht unbedingt medizinischer Natur sind.

Es macht mir persönlich Freude, sich mit einem Patienten auch über Dinge aus seinem Leben zu unterhalten, die primär nichts mit seiner medizinischen Konsultation zu tun haben. Man betreut Patienten teilweise über Jahrzehnte hinweg, da kommt es schon mal vor, dass sich aus einer Arzt-Patienten-Beziehung eine Art Freundschaft entwickelt. Der Zugang zu dem Menschen ist ein ganz anderer, wenn man ihm etwa bei einem Hausbesuch in seiner vertrauten Umgebung begegnet, dann weitet sich der rein medizinische Blick auf den Patienten auch auf seine gesamte Persönlichkeit und sein Umfeld aus.

Hinzu kommt noch, dass man gerade in der heutigen Zeit einen großen Luxus hat, wenn man sich dazu entscheidet, Hausarzt zu werden – sie werden händeringend in ganz Deutschland gesucht. Viele Hausärzte erreichen gerade ein Alter, in dem sie ihre Praxis gerne an einen Nachfolger übergeben würden – und das nicht nur in unterversorgten Regionen. Ob als Angestellter oder selbstständig niedergelassener Arzt, ob in Teilzeit oder in Vollzeit, für jeden findet sich mittlerweile ein passendes Arbeitsmodell. Abhängig von der eigenen Präferenz kann man als Landarzt ein ruhiges Landleben in schöner Natur führen oder in einer Großstadtpraxis arbeiten. Zudem locken viele Landkreise und Kommunen in unterversorgten Regionen mit finanzieller und logistischer Unterstützung bei der Übernahme einer Praxis.

Ein Allgemeinmediziner kann mit Sicherheit nicht alles behandeln, das muss er auch gar nicht. Und ob er gut ist, das liegt neben seinen medizinischen Fähigkeiten auch im Ermessen seiner Patienten und zeigt sich in der Beziehung zu ihnen.

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