Psychische Störungen nehmen zu Wie Sie im Job gesund bleiben

Berlin/Düsseldorf (RPO). Mit der Gesundheitsförderung am Arbeitsplatz steht es in Deutschland laut eines Berichts des Berufsverbandes Deutscher Psychologen (BDP) in Berlin noch nicht zum Besten. Die Zahl der Arbeitsunfälle geht zurück, doch psychische Störungen und Verhaltensstörungen nehmen zu. Sie sind inzwischen der Grund für mehr als zehn Prozent aller krankheitsbedingten Ausfalltage.

Die häufigsten Gesundheitsbeschwerden im Job
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Foto: ddp

Wie hoch der psychische Druck am Arbeitsplatz ist, hängt nicht zuletzt von den Führungskräften ab. "Wenn ein Vorgesetzter sich hinter einer Fassade versteckt und keine Gefühle zeigt, kann das Mitarbeitern verunsichern", sagt Anne Katrin Matyssek. Für die Arbeitnehmer sei soziale Unterstützung wichtig. "Fehler passieren überall", so die Führungskräftetrainerin und Autorin aus Düsseldorf. "Kein Mitarbeiter sollte das Gefühl haben, sie vor seinem Chef vertuschen zu müssen oder deswegen vor Kollegen bloßgestellt zu werden."

Kränkungen am Arbeitsplatz können nicht nur psychosomatische Beschwerden nach sich ziehen, sondern auch die Leistungsbereitschaft beeinträchtigen. Manchmal sind es Kleinigkeiten, die ohne böse Absicht passieren: "Vergisst der Teamleiter beispielsweise, einem Mitarbeiter zum Geburtstag zu gratulieren, kann eine Kränkungs-Rache-Spirale in Gang gesetzt werden", erklärt Matyssek. Eine Folge könne die "innere Kündigung" sein.

Echte Wertschätzung statt mechanisches Verhalten

"Grundsätzlich sollten Führungskräfte den Mitarbeitern mit einer wertschätzenden Haltung begegnen", sagt Anne Katrin Matyssek. Die allerdings muss echt sein und kein antrainiertes, mechanisches Verhalten. Hat sich ein Vorgesetzter zum Beispiel gegenüber einem Mitarbeiter "im Ton vergriffen", sei eine Entschuldigung angebracht. "Wenn es gelingt, sich als Mensch zu zeigen, wird das von den Mitarbeitern in der Regel mit Respekt aufgenommen", so die Psychologin.

Viele Krankenkassen unterstützen inzwischen Unternehmen dabei, ein Gesundheitsmanagement aufzubauen oder es zu verbessern. "Für Führungskräfte bieten wir spezielle Seminare an", sagt Sabine Voermans. In sechstägigen Veranstaltungen können sie sich mit den Bereichen Bewegung und Ernährung auseinandersetzen und das eigene Führungsverhalten kritisch unter die Lupe nehmen. "Es wird genau hingeschaut, wie Stressfaktoren entstehen", so die Leiterin des Gesundheitsmanagements bei der Techniker Krankenkasse in Hamburg.

Doch das Führungsverhalten ist nur ein Aspekt. Betriebliche Gesundheitsförderung dürfe sich nicht in Einzelmaßnahmen erschöpfen, fordert Beate Beermann von der Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin in Dortmund. "Um die Strukturen in einem Unternehmen zu verändern, sollten Unternehmensführung, Abteilungsleiter, Personalabteilung sowie die Arbeitnehmervertretung zusammenarbeiten", erklärt Sabine Voermans. Das Spektrum möglicher Veränderungen ist breit: "Es reicht vom besseren Lärmschutz im Großraumbüro und der Anleitung zum besseren Bewältigen von körperlichen Belastungen bis zur Kantinenberatung für eine gesündere Verpflegung am Arbeitsplatz."

Führungskräfte oft nicht sensibel genug

Angesichts des demografischen Wandels, einer längeren Lebensarbeitszeit und dem sich abzeichnenden Fachkräftemangel erkennen Unternehmen zunehmend, dass sich die Investitionen langfristig auszahlen. "Inzwischen ist betriebliches Gesundheitsmanagement ein wichtiges Feld. Wir können der Nachfrage kaum nachkommen", sagt Voermans.

Führungskräfte sind oft nicht sensibel genug. In vielen Betrieben gibt es bei der Gesundheitsförderung Nachholbedarf. "Führungskräfte sind oft nicht soweit sensibilisiert, wie wir es gerne hätten", sagt Beate Beermann von der Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin in Dortmund. "Sie stehen selbst unter starkem Druck, haben ein hohes Stresspotenzial und achten wenig auf ihre Gesundheit."

Hinzu komme, dass Nachwuchskräfte an den Hochschulen kaum auf ihre Führungsfunktion vorbereitet werden. Bemerkbar macht sich dieses Manko nicht nur bei Betriebswirten und Managern, sondern beispielsweise auch bei Ärzten: "Wenn ein Mediziner nach dem Studium im Krankenhaus arbeitet, ist er praktisch weisungsbefugt, hat aber noch nie etwas von Personalführung gehört."

Die körperlichen Arbeitsbelastungen sind in vielen Betrieben zurückgegangen. Gleichzeitig sind die Anforderungen an das psychische Leistungsvermögen gewachsen. Auch die Arbeitsintensität und Arbeitsdichte hat in vielen Unternehmen deutlich zugenommen. Eine schnelle Änderung ist nicht in Sicht. Um Körper und Seele gesund zu erhalten, kann jeder aber auch selbst etwas tun: Sportliche Aktivitäten am Feierabend bewirken zum Beispiel, dass Stresshormone wieder abgebaut werden. Kleine Rituale - ein aufgeräumter Schreibtisch etwa oder eine Liste der unerledigten Aufgaben für den nächsten Tag - helfen, nach einem Arbeitstag besser "abzuschalten".

Literatur: "Führungsfaktor Gesundheit - So bleiben Führungskräfte und Mitarbeiter gesund" von Anne Katrin Matyssek, Gabal Verlag.

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