Fairness im Job Wenn die Kollegen neidisch sind

Stuttgart/Berlin (RPO). Neid gibt es unter Nachbarn genauso wie im Kichenvorstand, unter Regierungschefs und in der Bundesliga. "Man findet ihn überall", sagt ein Psychologe. Am Arbeitsplatz zeigt er sich allerdings besonders häufig.

Das nervt uns an den Kollegen
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Foto: ddp

"Neid entsteht unter Freunden und Kollegen eher als zwischen Personen, die sich nicht so nah sind"´, sagt Karl-Heinz Becker, Diplom-Psychologe aus Berlin. Dass ein Lagerarbeiter neidisch auf den Chef der Deutschen Bank ist, sei eher unwahrscheinlich. "Da ist klar, das ist eine andere Spielklasse", erklärt der Psychologe.

Wenn dagegen der Kollege mehr verdient, regelmäßig auf Dienstreise darf oder Lob vom Chef bekommt, kann das viel leichter Neid auslösen - mit weitreichenden Folgen. Nicht durch Zufall heißt es, jemand sei krank vor Neid. Vorgesetzte sollten das ernst nehmen und genau hinschauen. Denn nicht immer ist zu erkennen, dass Neidgefühle der Grund für Zoff im Betrieb sind.

Hinter Mobbing steckt oft Neid

"Man spricht nicht offen darüber", sagt Becker. "Niemand würde zu seinem Chef gehen und sagen "Ich hab' da ein Problem, ich bin neidisch."" Schon dass jemand erkennt, Neid zu empfinden, ist nicht selbstverständlich: "Das wird fast immer nur bei den anderen gesehen." Ignoriert werden sollte er nicht: "Neid ist oft die Ursache für Gerüchte und Intrigen", sagt Becker. "Es gibt Untersuchungen, die sagen, in 60 Prozent der Fälle von Mobbing stecke Neid dahinter", ergänzt die Wirtschaftspsychologin Thordis Bethlehem aus Stuttgart.

"Neid hat sowohl einen positiven wie einen negativen Aspekt", sagt Prof. Dieter Frey von der Universität München. "Neid bedeutet immer, dass man mit irgendetwas an sich selber unzufrieden ist und zwar, weil es ein anderer hat. Würde es der andere nicht haben, wäre man aber auch nicht zufrieden."

Neid kann auch anspornend wirken

In der Arbeitswelt sei Neid dann kritisch zu sehen, wenn einzelne anderen etwas missgönnen - und sich über deren Misserfolge freuen. "Das kann bis zur Sabotage führen", sagt Prof. Frey. Positiv sei Neid, wenn er anspornend wirkt. Leider überwiege in der Berufswelt jedoch die negative Komponente. Damit Neid motiviert, müsse eine realistische Chance bestehen, das zu bekommen, auf das man neidisch ist, betont Thordis Bethlehem. Nicht zwangsläufig muss es objektive Gründe geben, warum jemand neidisch ist - möglicherweise fühlt sich ein Mitarbeiter ganz zu Unrecht im Nachteil. "Solche Konflikte sind schwer lösbar", ist Beckers Erfahrung. Wenn sie am Arbeitsplatz eskalieren, ist es die Aufgabe des Vorgesetzten zu klären, was dahinter steckt.

Stellt sich heraus, dass ein Mitarbeiter Probleme mit seinem Neid auf einen Kollegen hat, sollten Vorgesetzte aktiv werden: "Der richtige Ansatz ist, dem Betroffenen gezielt ein positives Feedback zu geben", sagt Becker. Vorgesetzte könnten Neid abfedern, glaubt auch Thordis Bethlehem. "Sie sollten ihren Mitarbeitern sagen, wo sie deren Stärken sehen." Dadurch könnten sie ihnen helfen, sich nicht auf ihre Defizite zu konzentrieren.

Unternehmen, die Neid am Arbeitsplatz vermeiden wollen, sollten Transparenz groß schreiben und zum Beispiel deutlich erklären, nach welchen Kriterien Positionen besetzt werden, sagt Bethlehem. "Bei Beförderungen darf der Nasenfaktor keine Rolle spielen, sondern nur die tatsächliche Qualifikation."

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