Organisationsbionik Was Manager von Wölfen lernen können

Düsseldorf (RP). Managementforscher und Biologen haben die Tiere beobachtet. In die Sprache der Wirtschaft übersetzt, sollen die Verhaltensmuster eines Rudels Unternehmen voran bringen. Man nennt das Organisationsbionik.

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Foto: tmn

Es klingt verrückt: Ausgerechnet Manager sollen von Tieren lernen. Jüngst abschätzig als Heuschrecken bezeichnet, könnte es bald heißen: schlau wie ein Wolf. Für diesen Zweck haben sich Biologen und Managementforscher zusammengetan und den Tieren Tricks abgeschaut. Diese neue Disziplin heißt Organisationsbionik. Nach den Prinzipien im Rudel sollen Unternehmen fruchtbar zusammenarbeiten. Denn jedes Wolfsrudel folgt einem Leitwolf und tut doch das, was für alle Tiere gut ist.

Obschon der einzelne Wolf ebenso wie jedes Unternehmen sein eigenes Überleben sichern will, gibt es in beiden Fällen ein Ziel: Das Rudel möchte stärker sein als jeder einzelne. Im Verbund der Firmen wollen Unternehmen erfolgreicher sein als alleine. Im Wolfsrudel übernimmt ein Leitwolf das Zepter. "Auch Unternehmen sind in der Kooperation nur dann erfolgreich, wenn es eine Leitinstanz gibt", sagt Martin Schönung, Managementforscher vom Werkzeugmaschinenlabor der RWTH Aachen. Ein Firmennetzwerk ohne Chef sei nie besonders effizient.

Riesiger Koordinationsaufwand

Als Beispiel aus der Wirtschaft wählt er die Automobilindustrie: In der Branche hat oft der Fahrzeugbauer selbst die Zügel in der Hand und entspricht damit sozusagen dem Leitwolf. Er diktiert seinen Zulieferern, wie deren Produkte auszusehen haben. "Er klinkt sich sehr tief in die Prozesse der Betriebe ein und schreibt ihnen detailliert vor, was sie machen sollen. Das bedeutet einen riesigen Koordinationsaufwand", berichtet Schönung aus der Praxis.

Im Wolfsrudel wird dagegen kein Tier zum bloßen Handlanger. Es gibt zwar eine Handvoll Regeln, an die sich alle halten müssen. Etwa sollten sich alle der Jagd widmen und die Welpen gemeinsam aufziehen. Davon abgesehen hat jeder Wolf viele Freiheiten. Körperlich starke Tiere können die Funktion eines Ordnungshüters einnehmen, ohne gleich dem Leitwolf Konkurrenz zu machen. Es handelt sich um ein dynamisches Gefüge. "Wir glauben, dass das auch ein intelligenter Ansatz für Firmennetzwerke ist, weil sich dadurch die Innovationskraft jedes einzelnen Unternehmens richtig entfalten kann", so Schönung.

Hat ein Zulieferer einen innovativen Vorschlag für ein Bremssystem, sollte er Gehör finden. Diese Freiheit setzt jedoch einen engen Austausch mit dem Leit-Unternehmen und den übrigen Lieferanten voraus. Funktioniert die Kommunikation nicht, passen die Bauteile am Ende nicht zueinander. Es muss nachgebessert werden, was aufwändig und teuer ist. Die Kommunikation ist auch im Wolfsrudel das A und O. Lediglich die Art und Weise unterscheidet sich grundlegend vom Menschen: Damit Wölfe sich über weite Strecken unterhalten können, heulen sie ihre Botschaft in den Himmel. Zusätzlich geben die Tiere in ihrem Revier Duftmarken ab, die mehrere Wochen zu riechen sind.

Umwelt als Sprachrohr

"Auffällig ist, dass wir bei Tieren relativ wenig Kommunikation finden, die nur zwischen zwei Mitgliedern abläuft. Meist nutzen sie ihre Umwelt als Sprachrohr", erklärt Schönung. Auch im Firmennetzwerk sollten moderne Medien und vor allem mehrere Arten der Kommunikation genutzt werden. In einem Intranetportal könnten die wichtigsten Neuigkeiten für alle abgelegt werden. Ebenso können die Baupläne des Bremssystems per Post an ausgewählte Partner versandt werden.

Gemeinsame Konferenzen entsprechen dagegen einer sehr abgespeckten, nicht besonders effizienten "Wolfskommunikation". Nur alle paar Tage treffen sich die Tiere nach ihren Alleingängen im Rudel. Ohne Geheul und Duftmarken wären sie längst nicht mehr auf dem Laufenden. "Die Wirtschaft kann sicher einiges von den Prinzipien im Tierreich lernen", so Schönung.

Naive Analogien?

Aber die Organisationsbionik stößt auch an Grenzen. Die Regeln im Wolfsrudel lassen sich nicht ohne weiteres verallgemeinern und auf die Firmenwelt übertragen. Das Büro für Technikfolgenabschätzung beim Deutschen Bundestag warnt gar vor naiven Analogien, um nicht einem Sozialdarwinismus zu verfallen. Mit der nötigen Vorsicht wäre es jedoch möglich, neue Lösungen für die Organisation und das Management aus der Natur abzuleiten.

"Das Forschungsgebiet hat definitiv ein großes Potenzial", meint Schönung. "Aber die Managementwissenschaftler und Biologen müssen noch enger zusammenarbeiten, um wirklich neue Konzepte zu entwickeln." Soweit sei die Forschung bislang noch nicht.

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