Zeitmanagement-Experte Lothar J. Seiwert im Interview Von "Quiet Hours" und "Stehungen"

Koryphäe, Guru, Meister - es gibt kaum einen Begriff, der auf Professor Lothar J. Seiwert noch nicht angewandt worden wäre. Mit millionenfach verkauften Büchern wie "Das 1x1 des Zeitmanagements" sowie zahlreichen Seminaren zu diesem Thema hat er sich in den letzten Jahren einen Namen gemacht. RP-Online sprach mit dem Erfolgsautor und Leiter des nach ihm benannten Instituts darüber, wie man seine Arbeitszeit sinnvoll und zeitsparend organisiert.

Das Telefon ist ein enormer "Zeitkiller". Wie verhindere ich, dass ich durch das häufige Klingeln von meiner eigentlichen Arbeit abgehalten werde?

Das kommt auf die berufliche Situation an. Für eine Sekretärin ist es beispielsweise eine Hauptaufgabe, telefonisch Termine abzustimmen und Anrufe entgegen zu nehmen. Andere können vielleicht eine solche Person einstellen, um von telefonischen Störungen verschont zu bleiben. Wichtig ist, dass generell ein Umdenken stattfindet: Wir müssen nicht immer und überall erreichbar sein. Ich erlebe es immer öfter, dass bei meinen Seminaren auf einmal das Handy eines Teilnehmers klingelt. Oder sehen Sie sich Konferenzen an: Dort liegen häufig die Handys auf dem Tisch und auf einmal kommt ein Anruf. Also: Handy ausschalten; wofür hat man schließlich eine Mailbox?

Wie gestalte ich denn eine gute Konferenz?

Die beste Konferenz ist die, die erst gar nicht stattfindet. Oft wird hierbei zu viel Zeit mit unwichtigen Dingen verschwendet. Wichtig ist, dass im Vorfeld nicht nur die Anfangs-, sondern auch die End-Zeit festgelegt wird. Außerdem sollte man einen Konferenzleiter bestimmen, der auf die Zeit und darauf achtet, dass die Priorität der Themen eingehalten werden. Ein weiterer Tipp: Führen Sie so genannte "Stehungen" ein. Das bedeutet, Sie konferieren im Stehen an Bistrotischen. Dadurch geraten Sie nicht in die typische Relax-Position, die sie in einem gemütlichen Sessel haben und automatisch werden die Treffen kürzer ausfallen. Ganz nebenbei wird auch die Durchblutung gefördert, wo wir ja ohnehin fast den ganzen Tag im Sitzen arbeiten.

Man soll seine Aufgaben je nach Priorität in A- B- und C-Kategorien einteilen. Doch wie entscheide ich im konkreten Fall, welche Aufgabe welche Priorität bekommt?

Effektives Arbeiten ist nur möglich, wenn ich besagte Prioritäten bilde. Das wird zu 80 Prozent eine Bauch- und zu 20 Prozent eine Verstandsentscheidung sein. Was nutzt dem Unternehmen am meisten? Was hat die größten Auswirkungen auf den Umsatz? Welcher Kunde ist der wichtigste? Was hält der Chef für dringend? Solche Fragen stelle ich mir und treffe dann eine Entscheidung. Es ist vergleichbar mit einem Fußballtrainer: Der hat auch 20 oder noch mehr Spieler zur Verfügung, kann aber nur elf aufstellen. Also muss er zwangsläufig eine Sortierung vornehmen. Wichtig bei der Aufgabeneinteilung sind auch so genannte "Joy Breaks", also Aufgaben, die mir persönlich Spaß machen. Dadurch bin ich wieder gut drauf und kann mit größerer Motivation weiterarbeiten.

Wieviel Prozent meiner täglichen Arbeitszeit sollte ich denn verplanen?

Wir leben in einer Zeit, in der keiner mehr Zeit hat. Daher ist die Verplanung der Zeit umso wichtiger. Je nach Berufsfeld ist dies unterschiedlich. Als Faustregel empfehle ich, täglich 50 Prozent der Zeit zu verplanen und die andere Hälfte für spontane, nicht-voraussehbare Ereignisse zu reservieren. Eine Sekretärin oder ein Manager, die stark im Tagesgeschehen involviert sind, werden womöglich noch weniger Zeit verplanen können. Dagegen kann etwa ein Sachbearbeiter, der vorwiegend wiederkehrende Arbeitsvorgänge zu bewältigen hat, durchaus mehr Zeit im Vorhinein verplanen.

Häufig haben Menschen auch deswegen wenig Zeit, weil Sie nicht "Nein" sagen können, wenn ein Kollege um Hilfe bittet. Doch besteht nicht die Gefahr, als unkollegial zu gelten, wenn man zu oft "Nein" sagt?

Die richtige Dosierung ist hierbei wichtig. Ein "Nein" bedeutet auch definitiv "Nein". Aber ich sollte positive Signale an mein Gegenüber senden, also zum Beispiel erklären, warum es gerade nicht geht und einen Alternativ-Vorschlag machen, wann man für ihn Zeit hätte. Ein schroffes "Nein" ohne Begründung führt in der Tat zu Verstimmungen unter den Kollegen. Und wichtig - eine Hand wäscht die andere: Führen Sie eine "Quiet Hour" ein, in der Sie nicht von Kollegen oder Anrufen gestört werden. Legen Sie Ihr Telefon auf einen Kollegen um. In dieser "stillen Stunde" arbeiten Sie dann konzentriert an einem wichtigen Projekt. Umgekehrt springen Sie dann auch mal für Ihren Kollegen ein und übernehmen seine Anrufe.

Wie schaffe ich es, nach dem Urlaub den Stapel an unerledigten Akten, unbeantworteten Mails etc. abzuarbeiten?

Hier hilft ein Trick: Sagen Sie, sie kämen zwei Tage später aus dem Urlaub zurück. Angenommen, Ihr erster Arbeitstag ist ein Montag, sagen Sie ihren Kollegen, wenn Sie fragen, Sie seien erst am Mittwoch wieder da. Ihr Chef sollte zwar bescheid wissen, aber hängen Sie es sonst nicht an die große Glocke. An den zwei Tagen haben Sie dann Zeit, alles in Ruhe aufzuarbeiten, weil ja niemand mit ihrer "früheren" Rückkehr gerechnet hat. Ferner empfehle ich, einen Tag vor dem Urlaub ebenso zu verfahren. Sagen Sie also beispielsweise, sie seien ab Donnerstag im Urlaub, tatsächlich ist es aber erst der Freitag. Kommen dann Freitag Fragen, sagen Sie etwas wie: "Es hat sich leider um einen Tag nach hinten verschoben, deswegen bin ich heute doch nochmal reingekommen." Und noch ein Tipp zum Schluss: Arbeiten Sie antizyklisch. Kommen Sie also z.B. abends rein oder arbeiten mal am Samstag und nehmen Sie sich dafür den Montag frei. So schaffen Sie viel mehr, weil weniger Störungen vorhanden sind.

Lesetipps von Lothar J. Seiwert: "Das 1x1 des Zeitmanagements", der Klassiker, erschienen im Gabal-Verlag. "Wenn Du es eilig hast, gehe langsam", der aktuelle Bestseller, erschienen im Campus-Verlag.

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