Unterschiedliche Regelungen Viele Überstunden bleiben unbezahlt

Nürnberg/Berlin (RPO). Gefühlt arbeiten wohl die meisten zu viel. Sobald die vertragliche Arbeitszeit überschritten ist, fallen Überstunden an. Doch wer mehr arbeitet, verdient nicht automatisch auch mehr Geld.

Das liegt zum einen am gesetzlichen Rahmen im Arbeitsrecht. Es kann aber auch der Arbeitsvertrag dafür sorgen, dass eine vermeintliche Überstunde gar keine ist. Und auch ein Freizeitausgleich ist nicht immer vorgesehen.

Überstunden sind in deutschen Büros an der Tagesordnung. Laut einer aktuellen Studie des Deutschen Gewerkschaftsbundes in Berlin arbeiten junge Angestellte rund 5,3 Stunden pro Woche mehr, als im Arbeitsvertrag vereinbart ist. Dabei ist unter einer "Überstunde" nur die Arbeitszeit zu verstehen, "die über die durch Einzelvertrag, Tarifvertrag oder Betriebsvereinbarung bestimmte regelmäßige Arbeitszeit hinausgeht", erläutert Jobst-Hubertus Bauer, Vorsitzender der Arbeitsgemeinschaft Arbeitsrecht im Deutschen Anwaltverein (DAV) in Berlin. Denn mit einer pauschalen Regelung lässt sich die Überstunde nicht fassen.

Eine ausdrückliche gesetzliche Regelung gebe es nicht, sagt Joachim Vetter, Vorsitzender Richter am Landesarbeitsgericht Nürnberg. Verschiedene Regelungen in Tarif- und Arbeitsverträgen sind heute zulässig. "Möglich sind Kombinationsmodelle, wonach bis zu einer bestimmten Grenze Überstunden zu vergüten sind und darüber hinausgehend ein Freizeitausgleich stattfindet. Es kann auch ein Wahlrecht zwischen Freizeitausgleich und Vergütung vereinbart werden", sagt Bauer. Grundsätzlich gelte zwar nach wie vor: Wer mehr arbeiten muss, als im Vertrag vereinbart, kann auch eine zusätzliche Vergütung erwarten.

Damit aber überhaupt eine Überstunde im juristischen Sinne vorliegt, muss die regelmäßige Arbeitszeit tatsächlich überschritten sein. Sie ergibt sich aus dem Arbeitsvertrag. Ist dort von einer 40-Stunden-Woche die Rede, ist das die regelmäßige Arbeitszeit. Allerdings zählt alles darüber hinaus nicht automatisch als Überstunde.

"Die Arbeitszeit kann über mehrere Wochen oder Monate hinweg unterschiedlich verteilt sein", erläutert Vetter. "Nur wenn die werktägliche Arbeitszeit im Durchschnitt, innerhalb eines Ausgleichszeitraumes von sechs Kalendermonaten oder 24 Wochen, mehr als acht Stunden beträgt, gilt die regelmäßige Arbeitszeit als überschritten", fügt Bauer hinzu. Und nur dann ist das Mehr an Arbeit auch "Mehrarbeit" - also eine Überstunde im rechtlichen Sinn.

Wer also zeitweise länger arbeitet, dafür zu anderer Zeit aber entsprechend weniger zu tun bekommt, leistet keine Überstunden. Eine weitere Voraussetzung für bezahlte Überstunden ist, dass diese vom Arbeitgeber ausdrücklich angeordnet wurde oder von diesem zumindest bewusst geduldet wurden.

Dabei reicht es, wenn "der Vorgesetzte Leistungen zu bestimmten Zeiten verlangt, die der Arbeitnehmer ohne solche Überstunden erkennbar nicht ableisten kann", so Vetter. Eine bloße Anspielung an ein vermeintlich zu frühes Verschwinden wie "Sie gehen schon?" genüge als Anordnung von Überstunden hingegen nicht.

(tmn/mais)
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