Studie bezweifelt Aussagekraft Sind Arbeitszeugnisse bald Geschichte?

Düsseldorf (RPO). Arbeitszeugnisse sollen potenziellen Arbeitgebern helfen, Bewerber besser einzuschätzen – in Zeiten, in denen Jobwechsel immer häufiger vorkommen, ein zunehmend wichtiges Instrument. Doch nun gibt es Kritik an der Glaubwürdigkeit des liebgewordenen Leistumgsnachweises.

Arbeitszeugnisse: die wichtigsten Argumente Pro und Contra
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Foto: gms

Düsseldorf (RPO). Arbeitszeugnisse sollen potenziellen Arbeitgebern helfen, Bewerber besser einzuschätzen — in Zeiten, in denen Jobwechsel immer häufiger vorkommen, ein zunehmend wichtiges Instrument. Doch nun gibt es Kritik an der Glaubwürdigkeit des liebgewordenen Leistumgsnachweises.

Eine aktuelle Studie der Personal Management Service (PMS) GmbH in Berlin, die 1100 Arbeitszeugnisse von Beschäftigten aller Branchen, Berufs- und Altersgruppen in anonymisierter Form auswertete, zeigt: Arbeitgeber vergeben heutzutage dreimal so oft "sehr gute" Bewertungen wie noch 1994, im gleichen Zeitraum hat sich die Anzahl "befriedigender" Noten halbiert.und der Anteil "guter Bewertungen" ist ebenfalls deutlich (um rund 12 Prozent) geschrumpft. Auch "ausreichende" Zeugnisse sind heute deutlich seltener.

Das heißt aber nicht zwingend, dass die Arbeitnehmer heute bessere Leistungen erbringen als vor 15 Jahren. Untersucht wurde in der Studie nämlich auch die Glaubwürdigkeit der Leistungsbeurteilung. So fehlten in 137 Zeugnissen u.a. Aussagen zum Fachwissen, zu Leistungsaspekten oder zum Verhalten oder aber diese wichen von der Gesamtbewertung deutlich ab. Auch formale Mängel oder die fehlende Dankesformel ließen das Zeugnis weniger glaubhaft erscheinen. Nur 963 Zeugnisse ohne gravierende Abweichungen wurden daher überhaupt statistisch ausgewertet.

Das zeigt: Es wird immer wichtiger, bei Arbeitszeugnissen intensiv "zwischen den Zeilen" zu lesen, um die tatsächliche Leistungsbeurteilung bei einem Stellenbewerber nachvollziehen zu können. Genau dies ist aber für Arbeitgeber und Arbeitnehmer zunehmende schwierig, denn viele Personen, die mit der Zeugniserstellung betraut sind, kennen den Zeugnis-Code nicht hinreichend. Fachleute wie Personalberater Frank Adensam aus Ludwigshafen kritisieren zudem die unsinnige Zeitverschwendung, die mit der Arbeitszeugniserstellung und -beurteilung einhergeht.

Denn sich ausreichend zu informieren, ist zudem zeit- und kostenaufwändig. Allein PMS stellt unter www.arbeitszeugnis.de eine Datenbank mit über 3500 Zeugnis-Formulierungen samt zugehöriger Benotung zur Verfügung — eine Masse, die kein Arbeitgeber oder Personaler im Kopf haben kann. Da können ungeschickte oder missverständliche Aussagen schnell als Kritik an den Leistungen des Arbeitnehmers missverstanden werden.

Umgekehrt loben viele Arbeitgeber in Zeugnissen vorsichtshalber über die grünen Klee — schließlich sind sie bei einer gerichtlichen Auseinandersetzung in der Pflicht, die schlechten Leistungen auch zu beweisen. Da in Deutschland jährlich ca. 30.000 Prozesse um vermeintlich unwahre oder falsche Arbeitszeugnisse vor den deutschen Arbeitsgerichten geführt, könnte dies teuer werden.

Klar ist für Personalexperten: Wenn der Trend zu immer besseren Zeugnissen anhält, ist es letztlich nur eine Frage der Zeit, bis diese als Leistungsnachweis ihrer Aussagekraft verlieren. Statt eines Arbeitszeugnisses könnte es dann eine neutrale Tätigkeitsbeschreibung geben.

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