Private Nutzung Regeln für Internet am Arbeitsplatz fehlen oft

Brühl/Berlin (rpo). Eine Arbeitsplatz ohne Internet? In der modernen Bürowelt heute kaum noch denkbar. Doch immer wieder kommt es zwischen Beschäftigten und Arbeitgebern zum Streit um die Nutzung während der Arbeitszeit. Denn in vielen Unternehmen gibt es keine klare Regeln für die Nutzung des Internets.

Ist es zum Beispiel in Ordnung, die Onlineauktion vom Arbeitsplatz aus zu verfolgen? Und darf man vom Büro aus nachsehen, ob neue Nachrichten im privaten E-Mail-Fach eingetroffen sind? Weil sich auch die Juristen hier nicht einig sind, wird der private Internetgebrauch im Job immer wieder zum Streitpunkt in arbeitsgerichtlichen Auseinandersetzungen.

"Arbeitnehmer werden fristlos entlassen, weil sie vom Arbeitsplatz aus im Internet surfen", sagt Kerstin Jerchel, Juristin in der Bundesverwaltung der Dienstleistungsgewerkschaft ver.di in Berlin. Das sei besonders ärgerlich, wenn das klagende Unternehmen es zuvor versäumt habe, den Arbeitnehmern Regeln für die Internetnutzung an die Hand zu geben. Zieht der Arbeitnehmer dann vors Arbeitsgericht, hat er - zumindest in Rheinland-Pfalz - gute Karten.

Dort hat das Landesarbeitsgericht entschieden, dass zunächst eine Abmahnung nötig ist, um einen Arbeitnehmer wegen verbotenen Surfens zu entlassen. Eine Grundsatzentscheidung des Bundesarbeitsgerichts, die noch in diesem Jahr gefällt werden soll, könnte die diese Rechtsprechung aus Mainz bald zur bundesweiten Praxis machen, hofft Kerstin Jerchel.

Da aber viel Spielraum für unterschiedliche Sichtweisen bleibt, bewegen sich Arbeitnehmer auch weiterhin beim Klick ins Internet in einer rechtlichen Grauzone. Darum sollten nach Ansicht von Kerstin Jerchel Dienst- oder Betriebsvereinbarungen getroffen werden. Diese Abmachungen sind für beide Seiten rechtlich bindend. Den Anstoß für eine solche Regelung im Betrieb oder in der Dienststelle zu geben, ist nach Meinung von Kerstin Jerchel Aufgabe des Arbeitgebers.

Keine Regeln - schlechter Zustand

"Der Zustand ohne Regelungen ist für beide Seiten schlecht", erklärt Kai Kuhlmann, Bereichsleiter Electronic Business-Recht beim Bundesverband Informationswirtschaft, Telekommunikation und neue Medien (Bitkom) in Berlin. Allgemein gültige Vorgaben für Abmachungen in Betrieben oder auf Dienststellen könnten jedoch nicht gegeben werden. Grundsätzlich sei es allerdings ratsam, geschäftliche E-Mails von der privaten Post, die stattdessen beispielsweise über einen Web-Mail-Zugang empfangen werden kann, zu trennen.

Ist dies der Fall, könne dem Unternehmen das Recht auf Kontrolle der geschäftlichen Mails eingeräumt werden. Der Arbeitgeber könnte im Gegenzug das Zugeständnis zum privaten E-Mail-Zugriff während der Mittagspause gewähren. Privates Surfen im Internet während der Arbeitszeit werde erst seit kurzer Zeit oft rigide geregelt, findet Michael Felser, Arbeitsrechtsanwalt in Brühl. In früheren Jahren hätten Arbeitgeber häufig Wert darauf gelegt, dass ihre Mitarbeiter sich auch während der Arbeit mit dem damals noch neuen Medium vertraut machen - heute sei das nicht mehr so.

Keinen Anlass liefern

Wenn sich Arbeitnehmer nicht sicher sind, ob ihr Umgang mit dem Internetzugang im Rahmen des Erwünschten oder Erlaubten liegt, sollten sie dem Arbeitgeber lieber keinen Anlass liefern, das eigene Verhalten negativ zu beurteilen. Der Kündigungsschutz sei lediglich ein "Abfindungsgesetz", so Felser. Das bedeute, dass ein Arbeitnehmer zwar eine Abfindung einklagen könne, seinen Arbeitsplatz aber unter Umständen räumen muss.

Selbst für den Fall, dass eine Rückkehr zum Arbeitsplatz erstritten wird, haben die Betroffenen anschließend meist einen schweren Stand in Betrieb oder Dienststelle. Daher solle auch das Verhältnis zu Vorgesetzten und Kollegen in Überlegungen zum Umgang mit Internet und E-Mail einbezogen werden. Es komme auch vor, dass Verhaltensweisen, die bei einigen Kollegen toleriert werden, bei anderen Mitarbeitern als Vorwand für eine Kündigung dienen - zumindest wenn im Betrieb keine Regeln vereinbart wurden.

Auch Datenschutz achten

Besonders schwierig werde es für einen Arbeitnehmer, wenn die Arbeitsleistung unter der Internetnutzung leide. Das sei für den Arbeitgeber aber schwer nachzuweisen, so Felser. Dass auch Arbeitgeber beim Thema Surfen während der Arbeitszeit ins Fettnäpfchen tappen, hat Kai Kuhlmann beobachtet: Es komme immer wieder vor, dass Internetverbindungen der Mitarbeiter kontrolliert werden, das Gericht die belastenden Erkenntnisse aber nicht anerkennt. Das ist zum Beispiel der Fall, wenn Datenschutzrichtlinien missachtet werden.

Der Datenschutz reicht weit, wenn die Arbeitnehmer ihn nicht in einer Vereinbarung freiwillig einschränken, was Kuhlmann zufolge nicht unüblich ist. Letztendlich sei es daher für beide Seiten vernünftiger, die Internetnutzung in schriftlicher Form zu fixieren. Wie solche Regelungen im Arbeitsvertrag oder in separaten Vereinbarungen am besten umzusetzen sind, beschreibt zum Beispiel die Bitkom in einem 30 Seiten umfassenden Leitfaden, der im PDF-Format von der Internetseite des Verbands heruntergeladen werden kann. Informationen und Tipps zum Thema geben auch die Gewerkschaften.

(gms)
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