Erfolgreich ohne Prädikat Perspektiven für Juristen ohne Examen

München · Richter oder Staatsanwalt - Wer Jura studiert, denkt häufig an diese Jobs. Ohne Spitzen-Examen haben Hochschulabsolventen im Staatsdienst aber keine Chancen. Doch auch mit eher durchschnittlichen Noten gibt es für Juristen interessante Perspektiven.

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Studenten, deren Abschlussprüfungen schlecht liefen, können sich meist mit einem Gedanken trösten: Ist der Berufseinstieg erst einmal geschafft, interessiert die Note niemanden mehr. Für eine Fachrichtung gilt das nicht: Jura. "Auch ein 50-Jähriger wird bei einem Jobwechsel seine Abschlussnoten vorlegen müssen", sagt Christoph Wittekindt. Er leitet die Personalvermittlung für Juristen, "Legal People".

Rund 162.000 Rechtsanwälte waren nach Angaben des Deutschen Anwaltvereins Anfang 2013 in Deutschland zugelassen - und die Zahl steigt seit Jahren an. Potenzielle Arbeitgeber können sich daher die Besten herauspicken. "Prädikat" heißt das Zauberwort, das die Türen öffnet: Das Zweite Staatsexamen, besser auch noch die erste Prüfung, sollten mit einem "vb", also vollbefriedigend des Jura-Notensystems (neun bis zwölf Punkte), abgeschlossen werden.

"Die Zahl der Absolventen mit dieser Note beläuft sich lediglich auf etwa 15 Prozent", sagt Jörg-Christian Lorenz, Rechtsanwalt in Hamburg und Ratgeber-Autor zum Thema Karrierewege für Juristen. Das Prädikat mindestens im Zweiten Staatsexamen ist fast schon Bedingung für eine Laufbahn in der Staatsanwaltschaft oder im Richteramt. Dasselbe gilt, um für die Top-Kanzleien interessant zu sein, die Einstiegsgehälter ab 90.000 Euro pro Jahr zahlen. "Von 7000 neuen Juristen, die jährlich ihr Studium beenden, kommen dort jedoch nur 500 bis 600 unter", erklärt Jürgen Widder vom Deutschen Anwaltverein.

Zusatzqualifikationen erhöhen Jobchance

"Wer kein Prädikatsexamen vorweisen kann, sollte versuchen, sich mit Zusatzqualifikationen von der Masse der Absolventen abzuheben", rät Lorenz. Das können Aufbau- und Weiterbildungsstudiengänge sein wie der Master of Laws (LL.M.), Master of Comparative Jurisprudence (M.C.J.) oder Master of Business Law (M.B.L.). Absolventen, die sich für den Rechtsanwaltsberuf entschieden hätten, fassen außerdem am besten eine Fachanwaltsausbildung ins Auge, rät Lorenz. So haben sie ein Alleinstellungsmerkmal - und finden eher in einer Kanzlei eine Anstellung.

Eine andere Option sei, sich als Anwalt selbstständig zu machen. Doch direkt nach dem Examen überfordert viele die Organisation eines eigenen Büros. Außerdem ist der Markt hart umkämpft. "Zwei bis drei Jahre muss man finanziell überbrücken können, bis das Geschäft läuft", warnt Widder.

Rund ein Drittel der zugelassenen Rechtsanwälte in Deutschland ist nach Angaben des Deutschen Anwaltvereins in der Wirtschaft tätig. Hier gibt es auch für Juristen ohne Prädikat spannende Alternativen.
Gesucht sind die Fachkräfte etwa in Wirtschafts- und Steuerberatungsunternehmen wie KPMG, Roland Berger oder Deloitte, erzählt Wittekindt. Auch bei Bundesbehörden wie dem Bundeskartellamt, der Bundesnetzagentur oder dem Bundeskriminalamt haben Juristen ohne Prädikat eine Chance.

Unternehmen suchen juristische Berater

Eine Alternative seien außerdem Entwicklungshilfeorganisationen, Rechtsanwaltskammern oder Lobby-Verbände - genau wie Wohnungsbaugesellschaften. "Dort geht es dann um Immobilienwirtschaftsrecht, um Ankauf, Verkauf, Bestandspflege. Der Bereich boomt", sagt Wittekindt. Eine Sparte, die nach Wittekindts Beobachtung ebenfalls stark wächst und in der Firmen nach Juristen suchen, ist der gewerbliche Rechtsschutz und das Urheberrecht. Darunter fallen unter anderem Marken-, Kennzeichen- oder Patentrecht. Hier ist Spaß an Technik und Design gefragt, um neue Erfindungen zu verstehen.

Juristisch qualifizierte Mitarbeiter gibt es dabei nicht nur in Rechtsabteilungen, bestätigt Lorenz: "Auch der Einsatz im kaufmännischen Management ist denkbar." Außerdem komme eine Tätigkeit als Assistent der Geschäftsführung oder als Referent in Betracht. Mit Weiterbildungen oder fachlicher Spezialisierung können sich Juristen dann in der Firma hocharbeiten.

Frühzeitige Orientierung ist wichtig

Zu einem Job im Staatsdienst oder als Anwalt gibt es also jede Menge Alternativen - viele machen sich darüber aber zu spät Gedanken, warnt Widder. "Viele sind zu sehr auf das Zweite Staatsexamen fixiert, wollen die Noten abwarten." Besser sei, sich spätestens nach der ersten juristischen Prüfung festzulegen, welche Rechtsbereiche einen besonders interessieren - und dann im Referendariat entsprechende Schwerpunkte zu setzen. Vorher helfen vor allem Praktika, um sich zu orientieren - und sich ein Netzwerk aufzubauen, sagt Lorenz. Dies sei später bei der Jobsuche oft Gold wert.

Um ein guter Jurist zu werden, brauche es letztendlich viel mehr als ein Prädikat, sagt Lorenz. Wichtig seien Kreativität, Teamfähigkeit oder Verhandlungsgeschick. Damit können sich dann alle Jura-Absolventen mit durchschnittlichem Uni-Abschluss trösten.

(dpa)
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