Flexible Akademiker Nicht jeder bekommt den Job zum Studium

Düsseldorf (RP). Archäologen, Förster oder Anwälte wollen sie eigentlich werden - doch nach dem Studium müssen viele Studierte erkennen: Aus der Traum. Die Zukunft liegt in einem ganz anderen Beruf.

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Foto: ddp

Immer mehr Akademiker arbeiten in ganz anderen Berufen, als denen, für die sie ausgebildet wurden. Von den knapp 1,4 Millionen deutschen Ingenieuren arbeiten mit 800.000 lediglich 59 Prozent tatsächlich im studierten Berufsbild. Bei anderen Berufsgruppen wird die Flexibilität der Akademiker noch deutlicher. Ernährungswissenschaftler und Volkswirte wildern nach einer Studie des Instituts der deutschen Wirtschaft (IW) in Köln am häufigsten in fremden Berufsrevieren. Das Institut lobt die Studiengänge dafür: "Vielen Akademikern erlauben die im Studium erworbenen Kenntnisse eine große Variationsbreite in der Wahl des Berufsfeldes."

Die Betroffenen beurteilen diese Flexibilität nicht so positiv. Wer Archäologe, Journalist oder Sportwissenschaftler werden will, muss schnell Abstriche machen "Die Absolventen haben eine feste Vorstellung davon, was sie machen wollen. Erst nach 150 erfolglosen Bewerbungen stellen sie sich die Frage: Was kann ich noch?", sagt Sylvia Knecht vom Personaldienstleister DIS.

Dirk Fernholz kann das bestätigen. Er hat Forstwirtschaft in Göttingen studiert. Gut erinnert er sich noch an den ersten Uni-Tag: "Für sie alle ist ein Arbeitsplatz reserviert - so hat uns der Dekan begrüßt." Als fertiger Forstingenieur und nach absolvierten Anwärterjahr im Forstamt kam die Ernüchterung: "Kaum einer meiner Kommilitonen wurde in den Forstdienst übernommen. Der Staat hatte inzwischen massiv Stellen gestrichen."

Fernholz war auf Arbeitslosengeld angewiesen. "Das war zu wenig zum Leben und zu viel zum Sterben", erinnert sich der heute 44-Jährige. "Ich bekam die Möglichkeit, zunächst vorübergehend bei einem Bestattungsinstitut zu arbeiten. Anfangs war es mir unheimlich. Ich war nie mit dem Tod in Berührung gekommen." Der Förster nahm den Job an. Aus einer Übergangslösung wurde ein Beruf. Heute arbeitet Fernholz als Bestatter in Aachen. Seinen Werdegang bereut er nicht: "Ich kann mit Trauernden umgehen und mache meinen Beruf sehr gerne", so Fernholz heute, aber die Erkenntnisse seines Studiums habe er dafür nicht gebraucht.

Ein anderer Beruf, ein ähnliches Bild: Jörg von Polheim studierte Bauingenieurwesen in Wuppertal. Nach dem gut absolvierten Studium Mitte der achtziger Jahre brauchte der Arbeitsmarkt vieles, nur keine Bauingenieure. Der Job als Assistent an der Uni war zeitlich begrenzt. Zum Glück hatte von Polheim vorgesorgt. "Neben dem Studium habe ich im väterlichen Betrieb eine Bäckerlehre gemacht", erinnert sich der Bauingenieur.

Darauf folgte die Meisterschule. Später übernahm er die Bäckerei vom Vater. Ein unbequemer Weg? "Es war aus der Not geboren. Ich bereue es dennoch nicht. Außer manchmal, wenn nachts schon der Wecker schellt", flachst der 48-Jährige. Einen Weg zurück gebe es heute ohnehin nicht mehr.

"Absolventen müssen nach dem Studium die Augen in alle Richtungen offen halten", rät Personalexpertin Knecht. Sie hat gute Erfahrungen mit der Vermittlung von Akademikern in fachfremde Berufe. "Historiker sind zum Beispiel sehr vielseitig. Die können, bildlich gesprochen, aus einer Scherbe eine ganze Vase rekonstruieren. Das sind Eigenschaften, die bei Dienstleistern sehr gefragt sein können", so Sylvia Knecht. Auch Juristen seien oft Universaltalente, die fern von Paragrafen und Urteilen einsetzbar sind.

Besonders die boomenden Unternehmensberatungen suchen Studierte aller Fachbereiche. So wundert es heute niemand mehr, dass Post-Chef Frank Appel Neurobiologe ist und über McKinsey zur Post kam. "Die Unternehmensberatungen können ihren Bedarf aus klassischen BWLern nicht decken. Geisteswissenschaftler und Naturwissenschaftler sind dort gefragt", sagt Gerald Anschütz von der Personalberatungsfirma Mercuri Urval.

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