Falscher Ton Mit Kränkungen am Arbeitsplatz umgehen

München/Frankfurt/Main (rpo). Ein blöder Spruch von einem Kollegen, ein abwertender Blick, ein Vorschlag der sofort abgewertet wird - alltägliche Vorkommnisse, die der Betroffene als Kränkung empfindet. Alles, was unser Selbstwertgefühl beschäftigt, kann zu einer Kränkung führen, sagen Psychologen. Der Ausweg: Sein eigenes Kränkungspotenzial erkennen und sich auf kränkende Situationen vorbereiten.

"Von Kränkung spricht man, wenn irgendetwas passiert, was man als ungerecht und unfair empfindet", sagt Dieter Zapf, Professor für Arbeits- und Organisationspsychologie an der Universität Frankfurt. Eine Kränkung sei eine intensive Emotion, die das Selbstwertgefühl angreift und als Demütigung empfunden wird.

"Angst, Wut, Scham und Trauer sind die Gefühle, die durch Kränkungen hervorgerufen werden", erklärt Bärbel Wardetzki, Autorin des Buchs "Kränkung am Arbeitsplatz". "Diese Gefühle werden aber selten tatsächlich zugelassen. Unsere Kränkungs-Reaktionen bestehen stattdessen aus Ohnmacht, Empörung oder Rachegedanken." Solche Ersatzgefühle helfen allerdings nicht, mit der eigentlichen Situation fertig zu werden.

Sich Stärken und Schwächen bewusst machen

Jeder müsse deshalb für sich selbst herausfinden, was hilft, um über ein falsches Wort oder das seltsame Verhalten eines Kollegen hinweg zu kommen. "Man sollte lernen, Kritik erst einmal anzuhören und auf ihren Wahrheitsgehalt hin abklopfen", sagt Diplompsychologien Wardetzki. Dann könne eine vermeintliche Kränkung verhindert werden. Einmal tief Durchatmen bewahrt vor schnellen Reaktionen. "Dann kann ich überlegen, was ich annehmen und daraus vielleicht lernen kann und was ich zurückweisen muss, weil es falsch ist", sagt Wardetzki. Frauen im Berufsleben tendierten dazu, schnell verunsichert zu werden.

"Damit einen einfache Bemerkungen oder unangenehme Situationen nicht erschüttern, sollte man sich seiner Stärken und Schwächen bewusst sein", sagt Wardetzki. "Wer seine Schwachpunkte kennt, sollte lernen, sich innerlich gegen verletzende Bemerkungen abzugrenzen", empfiehlt die Diplom-Psychologin Karin Scherrer vom Kompetenzzentrum für Fortbildung und Arbeitsgestaltung an der Universität Wuppertal.

Frauen sind besonders empfindlich

Besonders Frauen müssten lernen, Grenzen zu ziehen und sich ihres eigenen Selbstwerts bewusst zu werden. "Wer gekränkt wird, bei dem wurde eine Grenze überschritten", erklärt Scherrer. Frauen seien ihrer Erfahrung nach besonders empfindlich gegenüber beziehungsorientierten Aussagen.

Auch Bemerkungen, die ihre Attraktivität in Frage stellen, nehmen gerade weibliche Arbeitnehmer häufig persönlich. "Frauen, die sich zu dick fühlen, reagieren zum Beispiel häufig empört auf eine Bemerkung über ihre Figur" sagt Bärbel Wardetzki. Sie sollten sich bewusst machen, ob sich damit Befürchtungen bewahrheiten und woher diese Reaktion komme.

Niederlagen gehören zum Job

Ist die Kritik am Arbeitsplatz eindeutig unangebracht oder sind Bemerkungen klar gegen das weibliche Geschlecht gerichtet, helfe häufig der einfache Satz "Das finde ich jetzt aber ungerechtfertigt", sagt Scherrer. "Sie glauben gar nicht, welche Wirkung das haben kann." Wichtig sei aber auch, den sachlichen Anteil der Kritik zu überprüfen und sich zu fragen, ob man möglicherweise zu früh gekränkt reagiert, empfiehlt Scherrer. Innere Stabilität helfe dabei, bestimmte Dinge einfach wegzustecken.

"Auch am Arbeitsplatz ist 'sportsmanship' gefragt", sagt der Arbeitspsychologe Zapf. Das bedeute, dass wie im Sport gelernt werden muss, auch Niederlagen einzustecken. "Man sollte versuchen, nicht auf jede Kränkung zu reagieren, denn eine Reaktion verbraucht auch Ressourcen", sagt Zapf. Ungerechtigkeiten seien in Organisationen normal. "Sie treten zumindest immer wieder auf." Man sollte deswegen überlegen, ob eine Auseinandersetzung unbedingt erforderlich ist.

Kein Täter-Opfer-Schema aufbauen

Eine Person des Vertrauens, die die Situation unvoreingenommen beurteilt, könne helfen, die Lage zu klären, sagt Scherrer. Allerdings sollten Helfer aufpassen, dass sie kein Täter-Opfer-Schema aufbauen, warnt Wardetzki. Freunde seien nicht unbedingt die richtigen Gesprächspartner. Ein neutraler Dritter könne stattdessen helfen, die Situation aufzulösen. "Der kann dann gemeinsam mit der gekränkten Person überlegen, dass die Bemerkung vielleicht eine Unverschämtheit war, aber kein Drama", sagt Wardetzki.

Wer zu helfen versucht, sollte sich bemühen, die Situation aus der Perspektive der gekränkten Person zu sehen, sagt Zapf. "Es ist aber gefährlich, wenn mehrere Personen die gleiche Botschaft vermitteln und mit dem Angegriffenen reden." Ab einem bestimmten Punkt reagiere der Kollege, dem geholfen werden soll, möglicherweise empfindlich.

Kränkungen sind kein Mobbing

Einfache Kränkungen sind nicht mit Mobbing gleichzusetzen. "Erst wenn mindestens einmal pro Woche über einen Zeitraum von sechs Monaten etwas passiert, spricht man von Mobbing", erklärt Scherrer. Ein solches Verhalten kann auch arbeitsrechtliche Folgen haben. "Bei mehreren Einzelhandlungen kann eher von einem schlechten Betriebsklima ausgegangen werden", sagt Zapf.

Soweit muss es aber nicht kommen. "Die meisten Menschen wissen überhaupt nicht, wie sie andere kränken. Sie können es also auch nicht verhindern", erklärt Wardetzki. Eine wichtige Voraussetzung, Kränkungen zu verarbeiten und sich für zukünftige Bemerkungen zu wappnen, sei deshalb, sich zu sagen, dass die Entwertung nichts mit der eigenen Person zu tun hat. Auf diese Weise lasse sich auch ein schlechter Tag im Büro überstehen.

(gms)
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