Arbeitsrecht Mythen rund um die Probezeit

Bloß keinen Fehler machen, selbstverständlich keinen Urlaub nehmen – und jederzeit kündbar sein: Zur Probezeit gibt es so manche Annahmen, die gar nicht stimmen. Was für die erste Zeit im Job wirklich gilt, erklären zwei Experten.

 Ein neues Arbeitsverhältnis beginnt in der Regel mit einer Probezeit, die bis zu sechs Monate dauern kann.

Ein neues Arbeitsverhältnis beginnt in der Regel mit einer Probezeit, die bis zu sechs Monate dauern kann.

Foto: dpa-tmn/Christin Klose

Die Probezeit ist aus arbeitsrechtlicher Sicht ein schwammiges Konstrukt. Entsprechend wird rund um das Thema viel Halbwissen verbreitet. Höchste Zeit für Fakten und Antworten auf die häufigsten Fragen.

Dauert die Probezeit immer sechs Monate? „Nein“, sagt Nathalie Oberthür, Fachanwältin für Arbeitsrecht in Köln. Die Probezeit kann individuell bemessen werden, darf aber höchstens sechs Monate dauern. Bei befristeten Arbeitsverhältnissen muss die Probezeitdauer im angemessenen Verhältnis zur erwarteten Dauer des Vertrags stehen. Darauf weist Daniel Stach hin, Gewerkschaftssekretär im Bereich Recht und Rechtspolitik der Gewerkschaft Verdi. „Damit dürfte beispielsweise bei einem auf zwölf Monate befristeten Arbeitsvertrag die zulässige Höchstdauer der Probezeit allenfalls drei Monate betragen.“

Darf man in der Probezeit keinen Urlaub nehmen? Auch diese Annahme ist ein Irrglaube. „Man erwirbt in den ersten sechs Monaten der Beschäftigung für jeden vollen Monat ein Zwölftel des Urlaubsanspruchs – der darf auch genommen werden“, sagt Nathalie Oberthür. Der volle Jahresurlaubsanspruch entsteht in der Regel aber erst nach sechsmonatigem Bestehen des Arbeitsverhältnisses.

Bekommt man im Krankheitsfall während der Probezeit kein Geld? „Das ist teilweise richtig“, sagt die Rechtsanwältin. In den ersten vier Wochen bestehe kein Anspruch auf Entgeltfortzahlung, danach schon. Erkranken Beschäftigte nach vier Wochen Probezeit, steht ihnen eine Entgeltfortzahlung für die Zeit der Arbeitsunfähigkeit zu – maximal für sechs Wochen. „Daran schließt sich gegebenenfalls der Bezug von Krankengeld durch die gesetzliche Krankenversicherung an“, ergänzt Daniel Stach.

Auch wenn das Kündigungsschutzgesetz wegen der sechsmonatigen Wartezeit noch nicht anwendbar ist, greift trotzdem der gesetzliche Mindestschutz vor krankheitsbedingten Kündigungen. „Arbeitnehmer können in solchen Fällen das Arbeitsgericht anrufen und überprüfen lassen, ob die Probezeitkündigung unwirksam ist“, sagt Stach.

Kann man in der Probezeit einfach fristlos kündigen? Eine fristlose Kündigung ist in der Probezeit wie auch danach nur aus wichtigem Grund möglich. Allerdings: Eine fristlose Kündigung während der Probezeit ist laut Stach wegen der ohnehin verkürzten Kündigungsfrist von nur zwei Wochen in der Praxis eher selten. Zudem sei für Arbeitgeber eine außerordentliche fristlose Probezeitkündigung im Vergleich zur ordentlichen fristgemäßen Probezeitkündigung auch aufwendiger. Es müsse nämlich, falls der Betroffene Kündigungsschutzklage erhebt, vor Gericht das Vorliegen eines wichtigen Grundes nachgewiesen werden.

Ist eine Kündigungsschutzklage in der Probezeit per se erfolglos? Auch eine Kündigungsschutzklage gegen eine ordentliche Kündigung in der Probezeit kann zum Erfolg führen. „Und das ist in der Praxis nicht selten“, weiß Daniel Stach. Eine Probezeitkündigung ist unwirksam, wenn sie etwa sittenwidrig ist oder gegen ein gesetzliches Verbot verstößt. Auch in der Probezeit dürfen Arbeitgeber eine Kündigung nicht auf sachfremde oder willkürliche Erwägungen stützen.

Der Gewerkschaftssekretär nennt ein aktuelles Beispiel: Immer häufiger nutzten Arbeitgeber die Probezeit, um Beschäftigte zu einer Corona-Schutzimpfung zu drängen. Arbeitgeber seien aber mangels einer gesetzlichen Impfpflicht nicht berechtigt, eine fehlende Impfbereitschaft arbeitsrechtlich zu sanktionieren. Spricht ein Arbeitgeber trotzdem während der Probezeit eine Kündigung wegen einer nicht nachgewiesenen Corona-Schutzimpfung aus, können Betroffene dagegen gerichtlich vorgehen. „Das gilt übrigens auch für Beschäftigte in Sozial- und Gesundheitsberufen“, betont Stach.

Besteht in der Probezeit noch kein Mutterschutz? „Der Mutterschutz – und der damit verbundene Kündigungsschutz – gilt auch in der Probezeit“, sagt Nathalie Oberthür. Die einzige Ausnahme sei eine Kündigung mit behördlicher Zustimmung, etwa bei einer Betriebsstilllegung, so Daniel Stach.

Darf man sich in der Probezeit nichts zuschulden kommen lassen? Wo Menschen arbeiten, passieren Fehler. Kleinere Unachtsamkeiten führen in aller Regel nicht zu arbeitsrechtlichen Konsequenzen. Beschäftigte in der Probezeit können sich auf ihren verfassungsrechtlichen Mindestkündigungsschutz während der Probezeit berufen. „Gleichwohl ist es ratsam, während der Probezeit besonders penibel auf die Einhaltung der arbeitsvertraglichen Pflichten zu achten“, sagt Stach.

 Nathalie Oberthür ist Vorsitzende des Ausschusses Arbeitsrecht im Deutschen Anwaltverein.

Nathalie Oberthür ist Vorsitzende des Ausschusses Arbeitsrecht im Deutschen Anwaltverein.

Foto: dpa-tmn/Bine Bellmann

Genießt man bei vorzeitiger Beendigung der Probezeit mit dem Übergang in das reguläre Arbeitsverhältnis sofort Kündigungsschutz? „Nein“, sagt Nathalie Oberthür. Der gesetzliche Kündigungsschutz entsteht unabhängig von der Probezeit erst nach sechs Monaten.

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