Sprechstunde Mechthild Schulze-Hagen Wann Schwangere nicht arbeiten dürfen

Mutter zu werden, ist keine Krankheit. Trotzdem gibt es Bestimmungen über Betätigungsverbote.

Schwangerschaftsbedingte Krankheiten
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Foto: NGZ

Unsere Leserin Andrea M. (27) aus Neukirchen-Vluyn schreibt: "Mein Schwangerschaftstest ist positiv ausgefallen, und ich arbeite im Kindergarten. Darf ich dort eigentlich weiterarbeiten, oder muss ich ab jetzt zu Hause bleiben?"

Mechthild Schulze-Hagen Eine Schwangerschaft ist doch keine Krankheit, heißt es im Volksmund. Tatsächlich bleibt aber schon bald die Mehrzahl der Arbeitnehmerinnen zu Hause, oft ungewollt. Berufstätige Schwangere unterstehen einem besonderen Schutz. Das Mutterschutzgesetz regelt genau, was Schwangere am Arbeitsplatz tun dürfen und was nicht. So sind unnötige Gefahren und körperliche Belastungen zu vermeiden. Für diese arbeitsplatzbezogenen Gefährdungen gilt ein generelles Beschäftigungsverbot.

Darüber hinaus bietet das Gesetz die Möglichkeit eines individuellen Beschäftigungsverbots, wenn die Fortführung der Berufstätigkeit die Gesundheit von Mutter oder Kind konkret gefährdet. Beim Auftreten von Krankheiten mit und ohne Bezug zur Schwangerschaft erfolgt hingegen die Krankschreibung. In diesem Fall besteht kein direkter Zusammenhang mit der Berufstätigkeit. Unter ein generelles Tätigkeitsverbot fallen Flugpersonal, Busfahrerinnen oder OP-Schwestern. Ihnen ist es gleich nach Bekanntwerden der Schwangerschaft verboten, weiterzuarbeiten.

Häufig sind es die sozialen Berufe, in denen Schwangere nicht weiterarbeiten dürfen. Hierzu gehören Kindergärtnerinnen, Lehrerinnen, Krankenschwestern, Zahnarzthelferinnen und viele andere. Grund ist das Ansteckungsrisiko durch Infektionskrankheiten. Für die meisten dieser Krankheiten existieren Schutzimpfungen, die jede junge Frau vor Eintritt einer Schwangerschaft auch erhalten haben sollte. Für Ringelröteln und Zytomegalie sind Impfungen aber nicht verfügbar. Deshalb muss von den Betriebsärzten oder Arbeitsmedizinern der Immunstatus aktuell, nach Eintritt der Schwangerschaft, geklärt werden. So weit die Sachlage. Arbeitsbeschränkungen oder ein abruptes Arbeitsende bereiten beiden Parteien Probleme. Arbeitgeber wissen nicht, wie die Lücken zu stopfen sind, Arbeitnehmerinnen haben oft ein schlechtes Gewissen oder würden gern weiterarbeiten, wenn man nur Wege und Gesetze schüfe. Deutsche Gründlichkeit, komplizierte und starre Bürokratie tun das Ihrige dazu. Schwangere, die nicht Maximalleistung erbringen können oder wollen, werden in vielen Betrieben "weggemobbt".

Umgekehrt haben einige Schwangere wenig Lust zur Arbeit und suchen rasch nach Gründen für ein Betätigungsverbot. Allerdings lohnt sich ein Tätigkeitsverbot, wenn es ein Arzt ausstellt, für beide Seiten, denn die Kosten werden über ein Umlageverfahren erstattet. Der Arbeitgeber kann ohne Zusatzkosten eine neue Arbeitskraft einstellen, die Schwangere, die zu Hause bleibt, erhält ihr Gehalt in voller Höhe weiter. Wegen finanzieller Nachteile ist deshalb auch die AU, also Krankschreibung, für beide unattraktiv. Wir Frauenärzte befinden uns da zwischen den Fronten. Warum kann man nicht die Verhältnisse am Arbeitsplatz an die Schwangerschaft anpassen, jemanden umsetzen, flexibel reagieren und Verständnis füreinander aufbringen? Ich freue mich über jeden Arbeitgeber, der seiner Mitarbeiterin gratuliert, wenn sie schwanger ist. An unseren Nachbarländern, wo das Verhältnis von Schwangerschaft und Berufstätigkeit viel entspannter betrachtet wird, sollten wir uns ein Beispiel nehmen.

Mechthild Schulze-Hagen ist niedergelassene Ärztin für Frauenheilkunde und Geburtshilfe in Mönchengladbach.

(RP)
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