Assessment-Center Kann man mit Konkurrenten im Team arbeiten?

Das Assessmentist mittlerweile eine gängige Methode für Unternehmen, um die Wunschkandidaten zu finden. Hier muss sich der Bewerber in der Gruppe durchsetzen – und gleichzeitig seine Teamfähigkeit beweisen. Doch ist das überhaupt vereinbar? Wir haben Experten gefragt.

 Assessment-Center sind inzwischen weit verbreitet.

Assessment-Center sind inzwischen weit verbreitet.

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Das Assessmentist mittlerweile eine gängige Methode für Unternehmen, um die Wunschkandidaten zu finden. Hier muss sich der Bewerber in der Gruppe durchsetzen — und gleichzeitig seine Teamfähigkeit beweisen. Doch ist das überhaupt vereinbar? Wir haben Experten gefragt.

Initiative ergreifen, Verantwortung übernehmen, andererseits aber auch auf andere eingehen und Schwächeren helfen — eine Herausforderung für die Kandidaten eines Assessment-Centers, die mit Teamaufgaben und Gruppenspielen bewusst auf die Spitze getrieben wird. Wie können die Bewerber diesen Spagat überhaupt vollziehen? "Zunächst einmal, indem sie sich von der Bezeichnung ,Konkurrent' verabschieden", sagt Svenja Hofert, Karriereberaterin und Autorin aus Hamburg.

"Das ist ein altmodischer Begriff, mit dem man heute nicht mehr weit kommt. Ich bevorzuge das Wort ,Mitbewerber', das klingt weitaus weniger aggressiv." Heutzutage gehe es in vielen Branchen um Teamarbeit und Kooperation ohne Barrieren. "Auch wenn das Einzelkämpfer-Gen, etwa in Vertriebspositionen, durchaus gefragt ist, heißt das noch lange nicht, dass Ellenbogen im Beruf reichen", sagt Hofert.

Der Bewerber, so die Karriereberaterin, sollte sich außerdem von dem Irrtum verabschieden, dass es in einem Assessment-Center einen Sieger und viele Verlierer gibt. "Es gab schon oft Auswahlverfahren, bei denen zehn Bewerber eingeladen wurden und am Ende niemand genommen wurde", sagt sie. "Das Anforderungsprofil des Unternehmens ist entscheidend. Wenn da niemand hineinpasst, war es das mit dem Job." Die meisten Bewerber seien sich nicht darüber im Klaren, nach welchen Kriterien die Kreuzchen auf den Bewertungsbögen tatsächlich gemacht werden.

Konkurrenzkampf ist erlaubt, Kuschel-Kurs nicht

Als Leiter des Beratungsbereichs Human Resources Management beim Unternehmensberater Kienbaum hat Hans Ochmann schon viele verschiedene Assessment-Center-Modelle für Firmen entwickelt und begleitet. "Bei diesen Auswahlverfahren ist Wettbewerb erlaubt", sagt er. Daher dürfe man seine "Mitbewerber" auch durchaus als Konkurrenten ansehen. "Schließlich wollen alle dasselbe, den Job", sagt Ochmann. "Da darf sich jeder Bewerber von seiner besten Seite zeigen und versuchen, sich gegen die anderen durchzusetzen. Nur auf die Art und Weise kommt es an."

Bevor es in die Gruppendiskussion geht, werden die Bewerber von den Unternehmensberatern zunächst interviewt. "Wir befragen den Kandidaten nach seinen persönlichen Erfahrungen zum Thema Teamarbeit, beispielsweise nach Rückschlägen", erklärt Ochmann. "Dann haben wir einen ersten Eindruck, ehe es in die Simulation geht." Egal in welcher Branche, egal zu welchem Thema — in der Teamaufgabe geht es den Beobachtern nicht darum, dass sich die Bewerber besonders gut verstehen. "Das ist natürlich wünschenswert", so Ochmann. "Aber das Ergebnis steht im Vordergrund, und das erreicht man nicht immer durch einen Konsens." Wenn ein Teilnehmer überzeugt ist, im Recht zu sein, dürfe er dies auch durchsetzen. "Sonst erreicht man nur den kleinsten gemeinsamen Nenner", so der Experte. "Das ist nicht Sinn und Zweck der Aufgabe."

Hauptsache smart und einfühlsam

Um den schmalen Grat zwischen Teamarbeit und Konkurrenzsituation erfolgreich zu meistern, haben die Experten einige Tipps parat. "Respekt ist das Wichtigste in der Gruppe", meint Hofert. "Vor allem in den typischen Teamarbeiten, wie Diskussionen, Rollenspiele oder Brainstormings, muss man seine Mitbewerber angemessen behandeln." Heißt: Ausreden lassen, aufmerksam zuhören, nicht unterbrechen. Die Führung zu übernehmen, etwa als Moderator einer Gesprächsrunde, sei durchaus erlaubt. "Jedoch nicht, um sein Gegenüber zu übertrumpfen", so die Beraterin, "eher, um die Diskussion zu strukturieren." Kooperation funktioniere auch bei getrennter Meinung. "Aber immer auf nette, freundliche und ausgeglichene Art", sagt Hofert.

Immer wieder beobachtet die Karriereberaterin bei Auswahlverfahren gute und schlechte Beispiele. Zwei Rollen wiederholen sich dabei ständig: Der Offensive, der insbesondere zu Beginn der Aufgabe versucht, hervorzupreschen, sich jedoch dann mehr und mehr zurückzieht, und der stille Beobachter, der sich Zeit nimmt und zur geeigneten Zeit seinen Beitrag leistet. "Aggressivität ist der größte Fehler, den man in der Gruppe machen kann", sagt Hofert. "Ausgeglichenheit dagegen punktet immer." Übrigens: beide Rollen seien eher typisch Mann.

Auch Hans Ochmann sieht die kommunikativen Fähigkeiten als wesentlichen Baustein an, um ein Assessment-Center erfolgreich zu bestreiten. "Sprache und Tonfall sind wesentlich", sagt er. "Das Ganze darf sich auch ruhig mal zuspitzen und zu einer lebendigen Debatte werden." Richtig und falsch gebe es in der Diskussion nicht, nur angemessen. "Und genau den richtigen Ton in der entsprechenden Situation zu finden", so Ochmann, "das ist die Kunst."

(mro)
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