Essener Akademie bildet aus Gesucht: Personal für Millionäre

Essen (RP). Immer mehr gehobene Haushalte leisten sich Dienstpersonal, das Stil und Etikette pflegt. Vermittlern gehen die qualifizierten Kandidaten aus. Eine Akademie in Essen will Abhilfe schaffen. Sie bildet arbeitslose Frauen zum Dienst in vornehmen Häusern aus.

Die "Trainingswohnung" hat ein Vermögen gekostet: An den Wänden kleben glänzende Seidentapeten, ein Kristall-Leuchter funkelt unter der Decke, und das Badezimmer strahlt in Marmor mit goldenen Armaturen. Tonja Eberhardt (39) fühlt sich fast wie zu Hause. Sie zieht im Schlafzimmer die Schuhe aus, um keinen Profil-Abdruck auf dem Teppich zu hinterlassen, und sie klettert barfuß in den Whirlpool, um den Rand auf der anderen Seite putzen zu können. Die Wanne blinkt. Die Düsseldorferin strahlt.

Für sie bedeutet die dreimonatige Weiterbildung an der Europäischen Hauswirtschaftsakademie in Essen - ehrwürdig untergebracht im Schloss Schellenberg - endlich wieder die Aussicht auf Arbeit. Die Zeiten für Personal, das Stil und Etikette gelernt hat, sind so gut wie lange nicht mehr. Reiche Haushalte in Deutschland werden immer reicher, und als Statussymbol leisten sie sich Hausmädchen und Butler.

Der Nachwuchs geht aus

"Früher konnte ich meinen Kunden innerhalb von 48 Stunden zehn geeignete Kandidaten präsentieren, heute vielleicht noch zwei", sagt Carlheinz Schichl von der "Agentur ohne Grenzen". Er vermittelt Angestellte für die Gottschalks und Grimaldis dieser Welt. Genauso wie Karl-Heinz Leciejewicz, Geschäftsführer der Ratinger Personalberatung Lesaco. "Uns geht der Nachwuchs aus", bemerkt auch er und nennt als Grund mehrere geschlossene Hauswirtschaftsschulen, und dass viele junge Frauen nicht mehr automatisch das Wissen ihrer Mütter und Großmütter aus dem Haushalt übernehmen. In der Not ergriff Leciejewicz die Initiative und gründete im vergangenen Jahr die Europäische Hauswirtschaftsakademie in Essen. 1,5 Millionen Euro ließ er sich den Ausbau kosten.

Damit die Damen und alle, die zu Tages- und Wochenseminaren kommen, vielfältig üben können, hat jeder Raum einen anderen Belag: mal Kork, mal geöltes Parkett, mal Bambuslaminat. Im Keller hängen Kleider aus Seide und Organza. Schulleiterin Sabine Kleist-Mebane (50) erklärt die Pflege der Stoffe und überhaupt, was eine gute Hausdame ausmacht. "Sie sollte zum Beispiel das Lieblingskleid der Chefin herausfinden, damit sie es zuerst waschen kann." Und wenn der Hausherr verreist, gehört Pergamentpapier zwischen die teuren Stoffe im Koffer.

Jeder Schritt und Tritt wird mit den Schüler in dieser Akademie geprobt. "Mit dem Gang übertragen wir unsere Tagesform", erklärt Kleist-Mebane. Lautes Stampfen oder hastige Schritte einer Haushälterin sind untersagt. Tonja Eberhardt hat die neuen Ansprüche verinnerlicht. Sie hat die dreimonatige Ausbildung gerade mit Erfolg beendet und ein Praktikum bei einer Duisburger Industriellenfamilie begonnen. Nach insgesamt sechs Monaten wird sie fit sein für den Markt. Das Einstiegsgehalt, das sie erwarten darf, liegt zwischen 2200 und 2500 Euro. "Ich wäre glücklich, eine Familie zu finden, die zu mir passt", sagt sie.

Das passende Profil

Mit 30 hatte die gelernte Krankenschwester ihren Job quittiert, ging nach Mallorca und verkaufte Wein. "Ich wollte einfach mal 'was anderes machen, hatte Geld gespart und spreche fließend Englisch und Spanisch", erzählt Eberhardt. Doch ihr Abenteuer scheiterte. Sie wechselte in die häusliche Krankenpflege auf der Insel. Jahre später kehrte sie nach Düsseldorf zurück, wo man ihre Stelle betriebsbedingt streichen musste. Tonja Eberhardt fand nichts Neues, "bis ich die Anzeige von Herrn Leciejewicz in der Zeitung las." Ihr Profil passte gut.

Denn die Hauswirtschaftsakademie sucht explizit arbeitslose Frauen ab Ende 30. Sie sollen ihre Familienphase bereits abgeschlossen haben und möglichst flexibel sein. "Viele finden in dem Alter den Job-einstieg nicht, bringen aber für uns wertvolle Erfahrungen aus dem früheren Berufsleben mit", erklärt Kleist-Mebane. Die Weiterbildung der Damen in der Akademie koste 7000 Euro, aber werde von den Arbeitsagenturen in Form von Bildungsgutscheinen gezahlt. "Dafür bieten wir den Agenturen eine mindestens 80-prozentige Jobgarantie der Kandidatinnen", sagt sie.

Der Markt macht's möglich. Die meisten Haushalte setzen nicht mehr auf den klassischen Frackträger früherer Zeiten, sondern suchen den Alleskönner. Personalvermittler verzeichnen die meisten Anfragen zurzeit für Haushälterinnen und Kinderfrauen, gefolgt von Chauffeuren und Hausmeistern. Auf Tonja Eberhardt wartet diese neue Chance.

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