Gerichtsvollzieher Wenn der Kuckuck an die Tür klopft

Schulden häufen sich nicht nur durch große Investitionen an. Auch viele kleine Beträge können für einen großen Schuldenberg sorgen. Wenn dann der Gerichtsvollzieher vor der Tür steht, haben sich in der Regel schon alle anderen Lösungswege bei der Geldforderung zerschlagen. Jetzt geht es an das persönliche Hab und Gut.

Der Werdegang zum Gerichtsvollzieher
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Foto: dpa/Georg-Stefan Russew

Kredite gibt es nicht nur für Häuser und Autos, auch Möbel und Elektrogeräte können heutzutage auf Raten gekauft werden, was nicht selten von den Handelsketten auch intensiv beworben wird.

Und mit dem vermehrten bargeldlosen Zahlen mit EC- und Kreditkarte verlieren viele Menschen den Überblick über ihr eigentlich nur verfügbares Geld. Das Konto rutscht ins Minus, Raten und Rechnungen werden aufgeschoben und nicht bezahlt - bis irgendwann die Gläubiger die Geduld verlieren.

Wie sollte man sich beim Besuch eines Gerichtsvollziehers verhalten?

Selbst wem seine missliche Lage bewusst ist - wenn der Gerichtsvollzieher vor der Tür steht, ereilt den Schuldner sicher erst einmal ein kleiner Schock. Insbesondere die Sorge vor dem Ungewissen sorgt für Unbehagen. Allerdings sollte er dem Beamten den Einlass zur Wohnung nicht verweigern, auch wenn er das Recht dazu hat. Denn letztlich kann sich ein Gerichtsvollzieher den Zugang durch eine richterliche Durchsuchungsanordnung verschaffen, im Fall der Fälle auch mit Hilfe eines Schlüsseldienstes. Und: Die Durchsuchungsanordnung kann sogar entbehrlich sein, wenn der Beamte begründen kann, dass dadurch sonst der Erfolg der Wohnungsdurchsuchung gefährdet wäre.

Die Bereitschaft zur Kooperation ist also der beste Weg, um die persönliche Schieflage nicht noch weiter zu verschlimmern. Seinen ersten Besuch muss der zuständige Gerichtsvollzieher vorab nicht ankündigen, in der Regel macht er dies aber schriftlich. Trifft er den Schuldner beim ersten Mal nicht an, wird er ihn vor seinem Wiederkommen benachrichtigen. Ist allerdings auch beim zweiten Versuch niemand anwesend, darf er sich mithilfe eines Schlüsseldienstes - und im Besitz eines richterlichen Durchsuchungsbeschlusses - Zutritt verschaffen. Ratsam ist es also, sich auf seine Nachricht beim Gerichtsvollzieher wenigstens telefonisch zu melden, um gegebenenfalls die Abwesenheit beim ersten Mal - etwa wegen einem Urlaub - zu begründen oder für den zweiten Besuch einen Termin gemeinsam zu vereinbaren.

Anders verhält es sich bei Inkassobüros. Deren Mitarbeiter sollte der Schuldner nicht in seine Wohnung lassen, betont der Deutsche Gerichtsvollzieher Bund (DHVB). Denn ein Inkassobüro hat nicht die Befugnisse wie ein Gerichtsvollzieher und kann den Schuldner zu nichts veranlassen. Deshalb sollte sich der Schuldner auch immer den Dienstausweis zeigen lassen, sofern es der Beamte nicht ohnehin bereits automatisch gemacht hat. Außerdem kann er bei seinem Besuch eine Urkunde zur Zwangsvollstreckung vorlegen, die ihn schließlich auch für den Zugang zu den Räumlichkeiten des Schuldners berechtigt.

Wer kann einen Gerichtsvollzieher beauftragen?

Grundlegende Voraussetzung für den Besuch des zuständigen Gerichtsvollziehers ist die erwähnte Vorlage eines sogenannten „vollstreckbaren Schuldtitels“. Das kann zum Beispiel ein Gerichtsurteil sein, das den Schuldner zur Bezahlung seiner Ausstände verpflichtet, ein Vollstreckungsbescheid als Ergebnis eines Mahnverfahrens oder eine notarielle Urkunde. In der Regel lässt sich hierbei der Gläubiger durch einen Anwalt vertreten.

Beauftragen kann ihn schließlich jeder Bürger direkt. Wer seinen zuständigen Gerichtsvollzieher nicht kennt, für den bieten die Justizbehörden wie zum Beispiel des Landes Nordrhein-Westfalen eine Online-Datenbank (www.gerichtsvollzieher.nrw.de). Alternativ können die Zustellungs- und Vollstreckungsaufträge aber auch an die Gerichtsvollzieherverteilerstelle eines Amtsgerichts gesandt werden. Von dort werden sie dann an den zuständigen Gerichtsvollzieher weitergeleitet.

Sein Auftrag ist es dann, die Schuldtitel im Bereich der Vollstreckung in das bewegliche Vermögen durchzusetzen. Beispielsweise vollstrecken sie Geldforderungen von Gläubigern gegen deren Schuldner. Diese können entstanden sein durch tatsächliche Leihe von finanziellen Mitteln, aber auch durch den Ratenkauf von materiellen Gütern. Dabei verfolgt der Gerichtsvollzieher aber nicht nur die Interessen der Gläubiger, sondern er berücksichtigt stets auch den Schutz der Schuldner.

Sein Aufgabengebiet reicht von der Zustellung von gerichtlicher wie außergerichtlicher Dokumente an die jeweiligen Adressaten bis hin zur Zwangsvollstreckung durch Pfändung von beweglichen Sachen im Eigentum des Schuldners. Dies können kleine Gegenstände sein, aber auch Möbel und Autos sind pfändbar. In diesem Zuge kümmert er sich auch um Zwangsräumungen, die Abnahme von Vermögensauskünften und die damit verbundene Ermittlung der Vermögensverhältnisse.

Der Gerichtsvollzieher ist im Namen des Oberlandesgerichts in einem ihm zugewiesenen Bezirk eines Amtsgerichts tätig. Er ist zwar Beamter einer Behörde, organisiert sich aber wie ein Selbstständiger. Er kann sich seine Arbeitszeit selbst einteilen und unterhält seinen Geschäftsbetrieb auf eigene Kosten - hierzu gehören etwa die Miete von Büros und die Beschäftigung von Mitarbeitern. Er sorgt in Eigenverantwortung dafür, dass Zwangsvollstreckungsverfahren und alle damit verbundenen Abläufe möglichst schnell, aber auch fair und gütlich geregelt werden. Für seinen Beruf ist er in der Regel bereits zuvor im öffentlichen Dienst - vorzugsweise im Bereich der Justiz - tätig gewesen und hat sich über eine knapp zweijährige Weiterbildung für diese Aufgabe qualifiziert. Aber auch der Quereinstieg ist möglich, und durchaus reizvoll, denn ein Gerichtsvollzieher wird nach einer Probezeit zum Beamten auf Lebenszeit ernannt. Es ist also ein krisensicherer Job - sofern er natürlich seiner hohen Verantwortung in dieser Aufgabe bewusst ist und ihr nachkommt, und sich nichts schwerwiegendes zu Schulden kommen lässt.

Welche Rechte hat ein Gerichtsvollzieher?

Die einschlägigen Gesetze geben dem Gerichtsvollzieher weitreichende Befugnisse. So darf er - wie bereits erwähnt - die Wohnung gegebenenfalls aufbrechen lassen. Wenn er sich vor Ort ein Bild von den Besitztümern des Betroffenen macht, darf er auch in Schränke und Schubladen schauen. Sind Möbel und Behältnisse, oder auch Zimmer, verschlossen, und weigert sich der Schuldner, diese zu öffnen, dürfen sie gewaltsam geöffnet werden. Wird weiterer Widerstand durch den Schuldner geleistet, kann auch die Polizei zum Ort des Geschehens hinzugezogen werden.

Grundsätzlich soll er feststellen, welche Besitztümer sich dort für eine Pfändung befinden. Kleine Sachen, wie zum Beispiel Schmuck, nimmt er sofort mit. Größere gepfändete Gegenstände werden zu einem späteren Zeitpunkt von einer Firma abgeholt. Hier kommt dann der berühmte Kuckuck ins Spiel - der eigentlich keiner ist. Der Gerichtsvollzieher markiert die größeren Sachen mit einem Siegel. „Der Begriff geht zurück auf das 18. Jahrhundert. Die damals verwendeten preußischen Pfandsiegel zeigten den Reichsadler, der umgangssprachlich häufig Kuckuck genannt wurde. Diese Bezeichnung hat sich bis heute gehalten, auch wenn mittlerweile kein ‚Kuckuck’ mehr auf den Aufklebern zu sehen ist“, weiß Dirk Reuter, Sprecher des Ministerium für Justiz des Landes Nordrhein-Westfalen, über den Beruf des Gerichtsvollziehers zu erzählen.

Was darf vom Gerichtsvollzieher gepfändet werden?

Zur Pfändung kommen zunächst einmal alle beweglichen Sachen im Besitz des Schuldners infrage. Hierzu gehört auch Bargeld, wonach bei der sogenannten Taschenpfändung in Geldbörsen, Kleidung und Taschen gesucht werden darf. Die Taschenpfändung muss aber explizit per Antrag bei ihm in Auftrag gegeben worden sein, falls begründeter Verdacht besteht, der Schuldner wolle hohe Bargeldbeträge oder auch Wertpapiere wie Aktien verstecken.

In beiden Fällen der Pfändung gilt aber das Prinzip, das für das „einfache Leben“ Notwendige nicht anzutasten. Bei der Pfändung von Bargeld bedeutet dies, nur einen Anteil des vorhandenen Betrags einzuziehen, ohne dass die wirtschaftliche Existenz gefährdet wird. Zu nicht pfändbaren Sachgegenständen gehören jene, die für den persönlichen Gebrauch unverzichtbar sind, sofern sie nicht zu luxuriös sind. Hierzu zählen Haushalts- und Küchengeräte, Kleidung und für den Beruf oder die Ausbildung genutzte Ausstattung, aber auch der Fernseher und das Radio.

„Die Pfändung einer unpfändbaren Sache kann aber zugelassen werden, wenn der Gläubiger dem Schuldner vor der Wegnahme der Sache ein Ersatzstück, das dem geschützten Verwendungszweck genügt, oder den zur Beschaffung eines solchen Ersatzstücks erforderlichen Geldbetrag überlässt. Letztlich wird der Gerichtsvollzieher aber nichts pfänden, bei dem der zu erwartende Erlös geringer ist, als die entstehenden Kosten“, erläutert der Sprecher des Justizministeriums NRW.

Nicht in das Aufgabengebiet eines Gerichtsvollziehers fällt die sogenannte Forderungspfändung, also etwa die Gehalts- oder Kontopfändung. Diese obliegt direkt dem Gericht. Er darf für seine Arbeit aber eine Vermögensauskunft des Schuldners verlangen.

Wie ehrlich muss man dem Gerichtsvollzieher gegenüber sein?

In einer Vermögensauskunft - früher: eidesstattliche Versicherung oder Offenbarungseid - muss umfassend und wahrheitsgemäß über die Einkommens- und Vermögenssituation Auskunft gegeben werden. „Wer vorsätzlich oder fahrlässig eine falsche oder unvollständige Vermögensauskunft abgibt, kann mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft werden“, warnt Dirk Reuter vom nordrhein-westfälischen Justizministerium.

Eine Straftat begeht der Schuldner auch, wenn er wertvolle Gegenstände bei Familie oder Freunden deponiert und damit bei der Vollstreckung versteckt. Auch dies kann im Härtefall mit Gefängnisstrafen geahndet werden.

Wann darf der Gerichtsvollzieher einen Haftbefehl aussprechen?

Kommt der Schuldner der Aufforderung zur Abgabe seiner Vermögensauskunft nicht nach, kann durch einen Richter die Erzwingungshaft angeordnet werden, wenn der Gläubiger dies beantragt. Die Verhaftung erfolgt durch den Gerichtsvollzieher. „Die Haft dient dabei als Druck- oder Beugemittel und ist keinesfalls gleichzusetzen mit einem strafrechtlichen Haftbefehl“, erklärt der Ministeriumssprecher.

Wer zahlt den Gerichtsvollzieher?

Für seinen Auftrag gilt das sogenannter Bestellerprinzip hier grundsätzlich erst einmal nicht. Die Kosten bei der Zwangsvollstreckung müssen vom Schuldner getragen werden. Sie werden zusammen mit den Forderungen der Gläubigerseite eingetrieben. Hierunter fallen nicht nur die Gebühren für den Gerichtsvollzieher, sondern auch die weiteren entstehenden Kosten bei der Vollstreckung, also etwa für den Schlüsseldienst, wenn sich Zugang zu den Räumlichkeiten verschafft werden muss. Können die Kosten vom Schuldner allerdings nicht gezahlt werden oder es kann keine Pfändung vorgenommen, sind die Kosten zunächst vom Gläubiger zu tragen.

Übrigens: Der Gerichtsvollzieher ist unparteiisch. Wer sich kooperativ verhält und einen vernünftigen Umgang mit ihm wahrt, kann auch mit ihm über eine gütliche Einigung verhandeln, zum Beispiel auch über die Vereinbarung von Ratenzahlungen sprechen.

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