Führungskräfte Aus extremen Krisensituationen lernen

Der Schulungsbedarf in der Verhandlungsführung ist groß. Eine Möglichkeit ist, sich Fähigkeiten aus der Verhandlung mit Entführern und Erpressern zunutze zu machen. Ein Experte erläutert, warum.

 Bei geschäftlichen Verhandlungen geht es oft auch um sehr viel Geld. Laut einer Studie fühlen sich 40 Prozent der Führungskräfte nicht gut genug darauf vorbereitet.

Bei geschäftlichen Verhandlungen geht es oft auch um sehr viel Geld. Laut einer Studie fühlen sich 40 Prozent der Führungskräfte nicht gut genug darauf vorbereitet.

Foto: Getty Images/iStockphoto/LightFieldStudios

An Erpressungen oder Entführungen möchte am liebsten niemand denken. Das sind immer hochsensible und gefährliche Vorfälle, bei denen entweder das Vermögen eines Unternehmens oder einer Familie geschädigt wird und auch Gefahr für Leib und Leben eines Opfers bestehen kann. Entsprechend komplex und unvorhersehbar sind die Verhandlungen mit Entführern und Erpressern, die zunehmend im Cyberraum wichtige Daten stehlen oder die gesamte IT-Infrastruktur durch einen Angriff stilllegen und nur gegen die Zahlung einer hohen Summe wieder freigeben.

„Gerade deshalb können Unternehmer, Führungskräfte und Mitarbeiter für Business-Verhandlungen viel aus Krisenfällen lernen. Denn was bei schwerwiegenden kriminellen Handlungen unter hohem Druck funktioniert, hat auch im geschäftlichen Alltag Vorteile, wie die Praxis zeigt“, betont Michael Pülmanns, Krisenberater und Verhandlungscoach bei Smart Risk Solutions. Das Unternehmen berät Firmen und Familien unter anderem bei Entführungs- und Erpressungsfällen und anderen sicherheitsrelevanten Vorfällen auf der ganzen Welt.

Die Studie „Verhandlungsmanagement in Unternehmen in Deutschland: Von der Intuition zum System“, herausgegeben von der EBS Business School, dem Institut für Konfliktmanagement und der Europa-Universität Viadrina Frankfurt/Oder, zeigt, wie hoch der Schulungsbedarf in der Verhandlungsführung offensichtlich ist: „Knapp 60 Prozent der Befragten schätzen ihre Verhandlungskompetenz vor diesem Hintergrund als hoch oder sehr hoch ein. Dies bedeutet im Umkehrschluss, dass gut 40 Prozent der Befragten, die alle angegeben hatten, dass das Führen von Verhandlungen zu ihrem Tagesgeschäft gehört, ihre Verhandlungskompetenz als mittelmäßig beziehungsweise sogar gering ausgeprägt bewerten“, heißt es darin.

Auch wenn Business-Verhandlungen natürlich nicht mit schwerwiegenden Ereignissen vergleichbar sind, bei denen es um die Unversehrtheit einer Geisel oder einen kriminellen Schaden in Millionenhöhe geht, ähneln sich die Strukturen. „Auch bei Business-Verhandlungen können sehr hohe Summen im Raum stehen, und schon ein um ein Prozent höherer oder niedrigerer Kaufpreis kann das Ergebnis eines Unternehmens maßgeblich beeinflussen“, sagt Michael Pülmanns. Daher überträgt der Berater Mechanismen und Erfahrungen aus Krisenverhandlungen auf Business-Szenarien, um das Optimum aus diesen Verhandlungen herauszuholen. Seine Kernaussage: „Wer besser plant, ist erfolgreicher. Das bedeutet in erster Linie, genau zu wissen, wie das ideale Ergebnis einer Verhandlung aussieht. Um in einer Verhandlung erfolgreich zu sein, muss die Vorstellung von Erfolg stimmen. Das verringert das Risiko, in die Defensive zu geraten und seine Verhandlungskorridore zu verlassen. Wer weiß, was er will, wird auch nur die Zugeständnisse machen, die ihm dienlich sind.“

Das sei laut Pülmanns die Basis für Verhandlungen mit Kriminellen. Darin gelte es, keine Schwäche zu zeigen oder vorschnell Zugeständnisse zu machen, die sich dann nicht mehr rückgängig machen ließen und die eigene Verhandlungsposition schwächten. Daher sollten Teams nicht ohne Vorbereitung in die Verhandlungen gehen. Gerade bei großen Unternehmen auf der Gegenseite ist davon auszugehen, dass deren Verhandlungsteams gut vorbereitet und ausgebildet sind. Dann kann es sehr schwer werden, die eigenen Ziele zu erreichen.

Als wesentlichen, kritischen Punkt hat der Verhandlungsexperte Stress identifiziert. Es gebe unzählige Methoden, das Gegenüber während einer Verhandlung unter Druck zu setzen und damit zu beeinflussen, um ein besseres Ergebnis für sich selbst zu erzielen. Zum Beispiel könnten Verhandlungsgegner subtil oder sehr direkt das Selbstwertgefühl des Gegenübers angreifen, indem ihm beispielsweise die Entscheidungskompetenz abgesprochen werde. Diese Art von Psychostress führe dann häufig zu Fehlentscheidungen.

 Michael Pülmanns ist als Krisenberater und Verhandlungscoach tätig.

Michael Pülmanns ist als Krisenberater und Verhandlungscoach tätig.

Foto: Pülmanns

Oder der Verhandlungsgegner könnte sein Gegenüber durch ein bewusst emotionales Verhalten beeindrucken oder einschüchtern, um eine bestimmte Reaktion hervorzurufen. Daher sei es wichtig, so Pülmanns, solche Verhaltensweisen frühzeitig zu erkennen und professionell darauf zu reagieren.

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