Schwer zu ersetzen Fachkräfte verzweifelt gesucht

(RP). Der Fachkräftemangel sei hausgemacht, sagt ein Management-Experte aus Aachen. Die Unternehmen müssten sich eben besser organisieren. Doch ganz so einfach ist es leider nicht.

In welchen Branchen welche Fachkräfte fehlen
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Foto: AP

Trotz Fachkräftemangel gehe es dem Technologie-Unternehmen 3M am Standort Neuss vergleichsweise gut, sagt die Geschäftsführung. Während die Ingenieure neue Produkte wie Schleifmittel, Touch-Screen-Bildschirme und selbstleuchtende Nummernschilder planen und entwickeln, helfen ihnen Studenten und Azubis bei einfachen Tätigkeiten aus. "Technische Hilfskräfte sind eigentlich leicht zu finden", sagt Geschäftsführer Thomas Koken, "nur bei den Ingenieuren wird es schwierig."

Einfache Aufgaben ausgliedern, um den Hochqualifizierten unter die Arme zu greifen — das sei ein wichtiger Schritt, um den Fachkräftemangel zu bändigen, sagt Bodo Wiegand, Leiter des Lean-Management-Instituts, einer Stiftung in Aachen. Denn noch immer seien viele Fachkräfte im Arbeitsalltag mit Überflüssigem belastet, wie er in vielen Unternehmen festgestellt habe. E-Mail-Müll, überlange Konferenzen, Unterbrechungen und eine Vielzahl an kleinen Aufgaben kosten Zeit. "Würde all das wegfallen, gäbe es auch keinen Fachkräftemangel", sagt er. Nur zögerlich würden die Unternehmen unterstützende Kräfte wie Sekretäre und technische Zeichner einstellen. Dabei seien gerade sie es, die den Hochqualifizierten mehr Freiräume schaffen.

Das sehen nicht alle so. Je mehr Mitarbeiter an einer Aufgabe arbeiten, desto schwieriger könne die Koordination sein, sagt etwa Horst Wildemann, Management-Experte an der Technischen Universität München. Wer etwa die E-Mails anderer beantworten wolle, müsse sich erst in zahlreiche Projekte einarbeiten. "Arbeitsteilung ist keine Lösung für den Fachkräftemangel", sagt er.

So sehen es offenbar auch viele Firmen: Sie wetteifern stattdessen an den Universitäten um künftige Ingenieure und Naturwissenschaftler und versprechen hohe Einstiegsgehälter. "Es wird immer schwerer, gute Fachkräfte zu finden", sagt auch Thomas Koken. Die Unternehmen fürchten schon um ihren Umsatz: Das arbeitgebernahe Institut der Deutschen Wirtschaft in Köln beziffert den Schaden des Fachkräftemangels auf 18,5 Milliarden Euro allein für das Jahr 2006.

Wiegand nutzt seine zugespitzten Thesen daher als Verkaufsargument: Denn neben dem Lean Management Institut leitet er die Beratungsgesellschaft ProLean Consult in Düsseldorf, die Unternehmen von unnötigem Ballast befreien will. So macht er seine Management-Philosophie zu Geld.

Dass sich die Verschlankungskur für ein Unternehmen aber durchaus lohnen könnte, glaubt Sven Hinrichsen, Arbeitswissenschaftler an der Technischen Universität Aachen. Denn in der Verwaltung fehle es den Unternehmen oft an Ordnung und Systematik. "Das Potenzial ist mit Sicherheit noch nicht ausgeschöpft. In der Verwaltung vieler Unternehmen sind viele Arbeitsschritte nicht immer klar definiert", sagt er. Während der Erfolg in der Produktion in Zeit und Stückzahlen gemessen werden könne, sei das in der Verwaltung nicht gerade einfach.

Nicht einfach, aber möglich, wie der Stuttgarter Konzern Dürr zeigt. Das Unternehmen fertigt Anlagen für die Automobilindustrie — und beauftragte ProLean, die Planung und Verwaltung auf Schwachstellen abzuklopfen. Das Ergebnis: Bei der Herstellung neuer Maschinen ging tatsächlich unnötig Zeit verloren — etwa weil die Konstrukteure erneut nach den gewünschten Daten fragen mussten, obwohl diese dem Unternehmen längst vorlagen. Heute greifen die Arbeitsschritte besser ineinander, sagt die Geschäftsleitung, denn das Unternehmen habe jeden Schritt genau definiert und arbeite nun mit Checklisten, Standardbauteilen und festen Plänen. Bei einigen Projekten sei die Bearbeitungszeit so um mehr als ein Drittel gesunken.

Auch 3M hat in der Planung und Verwaltung für mehr Klarheit gesorgt. Die Produktentwicklung ist nun in sieben Phasen unterteilt. Ansprechpartner und Arbeitsschritte, Zeiten und Zuständigkeiten sind genau festgelegt.

Doch als Wundermittel gegen den Fachkräftemangel taugt die Philosophie wenig, auch bei Dürr und 3M. "Natürlich kann man mit einer effizienten Organisation das Problem etwas mildern", sagt Hinrichsen, "nach qualifizierten Personal müssen Unternehmen dennoch suchen, um dauerhaft im Wettbewerb bestehen zu können." Und das ist nicht gerade leicht.

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